VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 31.01.2008 - 8 K 3228/07 - asyl.net: M12904
https://www.asyl.net/rsdb/M12904
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kostenrecht, Widerspruch, notwendige Auslagen, notwendige Zuziehung, Ausweisung, Rücknahme
Normen: VwVfG § 80 Abs. 1; VwVfG § 50; VwVfG § 48; VwVfG § 80 Abs. 2
Auszüge:

Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet.

Grundlage des Anspruchs des Klägers auf Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren ist § 80 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG. Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsträger der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger ist so zu behandeln, als wäre sein Widerspruch erfolgreich gewesen.

Der Erfolg eines Widerspruchs ist am tatsächlichen (äußeren) Verfahrensgang der §§ 68 ff. VwGO zu messen. Danach ist ein Widerspruch erfolgreich, wenn die Ausgangsbehörde dem Widerspruch gemäß § 72 VwGO abhilft oder wenn ihm die Widerspruchsbehörde gemäß § 73 VwGO stattgibt. Dabei kommt es allein auf den äußeren Erfolg des Widerspruchs an. Dies hat zur Folge, dass ein Widerspruch grundsätzlich nicht als erfolgreich betrachtet werden kann, wenn die Behörde einen Rücknahmebescheid auf der Grundlage der §§ 50, 48 VwVfG erlässt und demgemäß dem Widerspruch nicht abhilft bzw. stattgibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 – 4 C 6/95, NVwZ 1997, 272 ff.; Urt. v. 26.03.2003 – 6 C 24/02, NVwZ-RR 2003, 871 ff.; VG Hamburg, Urt. v. 09.09.2004 – 8 K 3462/03, unveröffentlicht). In einem solchen Fall erledigt sich das Widerspruchsverfahren. Es wird eingestellt, ohne dass eine Kostenentscheidung ergeht. § 161 Abs. 2 VwGO ist weder direkt noch – mangels einer planwidrigen Regelungslücke – analog anwendbar (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 19.01.1999 – 3 Bf 438/98, NVwZ-RR 1999, 706 <707>).

Auf der Grundlage dieser streng verfahrensbezogenen Betrachtungsweise war der Widerspruch des Klägers nicht erfolgreich, weil eine stattgebende Entscheidung nicht ergangen ist. Die Beklagte hat vielmehr die Ausweisungsverfügung zurückgenommen und das Widerspruchsverfahren eingestellt. Aus dem Tenor und auch aus den Gründen des Widerspruchsbescheids ergibt sich, dass die Beklagte eine Sachentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens treffen wollte und von der damit verbundenen Erledigung des Widerspruchs ausging.

Der Kläger ist indes so zu stellen, als ob sein Widerspruch erfolgreich gewesen wäre. Die Entscheidung, ob dem Widerspruch abgeholfen bzw. stattgegeben wird oder ob eine Rücknahme gemäß §§ 50, 48 VwVfG erfolgt, steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Sie muss sich bei ihrer Entscheidung an sachgerechten Kriterien und an dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben orientieren. Wählt die Behörde den Weg der Rücknahme ausschließlich deshalb, weil sie bei erkannter Erfolgsaussicht des Widerspruchs den Widerspruchsführer um den zu erwartenden Kostenanspruch bringen will, fällt ihr ein Formenmissbrauch zur Last. Das hat zur Folge, dass die behördliche Formenwahl nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unbeachtlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 – 4 C 6/95, NVwZ 1997, 272 ff.; Urt. v. 26.03.2003 – 6 C 24/02, NVwZ-RR 2003, 871 ff.). So liegt es im Fall des Klägers.