VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 25.02.2008 - 19 ZB 07.1249 - asyl.net: M12929
https://www.asyl.net/rsdb/M12929
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Integrationskurs, Gemeinde, kommunale Selbstverwaltung, Finanzhoheit, Gebühren, Organisationshoheit, Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel
Normen: GG Art. 28 Abs. 2; AufenthG § 43 Abs. 3; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. März 2007 bleibt ohne Erfolg.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach begegnet unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Garantie der Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) keinen ernsthaften Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Zum Recht auf Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gehört auch die Finanzhoheit der Gemeinden (vgl. BVerfGE 26, 172 [180–184]; 71, 25 [36] jeweils m.w.N.). Ob hierzu über eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft hinaus (vgl. hierzu BVerfGE 26, 228 [244]) auch eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen oder jedenfalls eine finanzielle Mindestausstattung gehört, hat das Bundesverfassungsgericht bislang nicht entschieden (vgl. BVerfGE 26, 172 [181]; 71, 25 [36 f.]; 83, 363 [386]). Gegen die Auferlegung einzelner Ausgabepflichten bietet Art. 28 Abs. 2 GG, auch wenn man in ihm eine insgesamt zureichende Finanzausstattung stillschweigend als mitgarantiert ansieht, was das Bundesverfassungsgericht bislang offen gelassen hat, jedenfalls solange keinen Schutz, wie die Finanzausstattung insgesamt nicht in Frage gestellt wird (vgl. BVerfGE 23, 353 [369, 373 f.]; 26, 228 [244]; 83, 363 [386]).

b) Hiervon ausgehend oblag es der Klägerin, substantiiert darzulegen (vgl. § 124 a Abs. 4 S. 4 VwGO), dass sie durch die ihr infolge der Verpflichtung zur Erhebung einer Mindestgebühr entstehenden Folgekosten in Höhe von (angeblich) ca. 134.000,– EUR jährlich ihre sonstigen Aufgaben – gegebenenfalls nach einem Überdenken der Prioritäten – nicht mehr angemessen oder im erforderlichen Mindestmaß zu erfüllen vermag (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der I. Kammer des 2. Senats vom 23.9.1994 - 2 BVR 1547/85 -, NVwZ 1995, 370 [371 a.E.]).

Daran fehlt es. Die Klägerin hat insoweit nahezu ausschließlich auf ihre prekäre finanzielle Lage verwiesen. Dies allein genügt nicht. Sie hätte vielmehr konkret aufzeigen müssen, welche Pflichtaufgaben sie infolge den ihr von der Beklagten (angeblich) auferlegten Lasten nicht mehr zu erfüllen vermag und weshalb Umschichtungen aus anderen Bereichen nicht in Frage kommen. Ebenso wenig sind etwaige Streichungen im VHS-Angebot geeignet, eine finanzielle Überforderung zu belegen. Insoweit wird bereits nicht deutlich, ob Pflichtaufgaben der Grundversorgung oder lediglich freiwillige Leistungen gestrichen werden müssen.

Dessen ungeachtet lassen sich die von der Klägerin ins Feld geführten Folgekosten auch nicht ursächlich auf die ihr auferlegte Verpflichtung zur Erhebung einer Mindestgebühr zurückführen. Das Entstehen dieser Folgekosten beruht vielmehr auf der autonomen Entscheidung der Klägerin, auch dem vom Bundesamt nicht geförderten Personenkreis ein Integrationsangebot unterbreiten zu wollen. Soweit die Klägerin dadurch zugleich ihrer Verpflichtung zur Grundversorgung nach §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 und 2 des Weiterbildungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (WbG) genügen will, ist sie auf das für ihre Finanzausstattung verantwortliche Land zu verweisen. Das Bundesamt kann hierfür nicht in Haftung genommen werden.

c) Ebenso wenig kann in der Verpflichtung zur Erhebung einer Mindestgebühr ein Eingriff in die ebenfalls durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Organisationshoheit der Klägerin gesehen werden. Eine Rechtspflicht zur Durchführung von Integrationskursen ist der Klägerin durch Bundesrecht nicht auferlegt. Vielmehr werden diese Kurse gemäß § 43 Abs. 3 S. 2 AufenthG vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Etwas anderes wäre – jedenfalls nach neuer Verfassungsrechtslage – auf Grund von Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG i.d.F. vom 28. August 2006 (BGBl I, S. 2034) auch gar nicht denkbar. Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden keine Aufgaben (mehr) übertragen werden. Die Klägerin selbst hat sich um Zulassung als Kursträgerin bemüht. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu bestand nicht. Infolgedessen liegt ein Eingriff in ihre Organisationshoheit von vornherein fern.

Die Klägerin kann die sog. "Selbstzahler" in eigenen Kursen, die keine Integrationskurse sind, unterrichten, wenn sie diesen eine Gebührenermäßigung entsprechend ihrer Honorar- und Entgeltordnung gewähren will. Ein Anspruch der Klägerin gegenüber dem Bundesamt, auch sog. "Selbstzahler" an dessen Kurssystem teilnehmen zu lassen, besteht nicht (vgl. § 5 Abs. 1 IntV). Vielmehr handelt es sich insoweit um ein freiwilliges Zugeständnis der Beklagten. Möchte die Klägerin – aus welchen Gründen auch immer – eigene Kurse nicht anbieten und etwaigen Verpflichtungen aus dem Weiterbildungsgesetz des Landes unter dem Dach des Kurssystems der Beklagten genügen, so muss sie sich deren Regime beugen.

Die Regelung in Ziff. 3.5 der Nebenbestimmungen entbehrt – ohne dass es im vorliegenden Zusammenhang darauf ankommen würde – auch nicht jeder sachlichen Rechtfertigung. Vielmehr wird dadurch vermieden, dass von verschiedenen Personenkreisen für dieselbe Leistung innerhalb eines einheitlichen Kurssystems unterschiedliche Gebühren entrichtet werden müssen und es insoweit zu Unzuträglichkeiten kommt. Dieses legitime Interesse des Bundesamtes hat die Klägerin zu respektieren.

d) Auch soweit die Klägerin eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) damit zu begründen versucht, dass der vom Bundesamt zur Verfügung gestellte Kostenrahmen (angeblich) nicht ausreicht (Unterdeckung von rd. 38 %), kann sie nicht durchdringen. Zum einen bietet Art. 28 Abs. 2 GG gegen die Auferlegung einzelner Ausgabepflichten nur dann Schutz, wenn die Finanzausstattung insgesamt in Frage gestellt ist (vgl. BVerfGE 83, 363 [386] m.w.N.), was die Klägerin auch insoweit nicht dargelegt hat. Zum anderen fehlt es bereits an der Auferlegung einer Ausgabepflicht, da § 43 Abs. 3 S. 2 AufenthG eine solche gerade nicht vorsieht. Die Koordinierung und Durchführung der Integrationskurse obliegt gemäß § 43 Abs. 3 S. 2 AufenthG ausschließlich dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Die Beteiligung dieser Träger erfolgt auf freiwilliger Basis. Ist ein kostendeckendes Arbeiten nicht möglich, bleibt es der Klägerin unbenommen, sich von der Durchführung der Integrationskurse des Bundesamtes zurückzuziehen. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts begegnet daher auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).