VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 30.01.2008 - 7 V 35.07 - asyl.net: M12956
https://www.asyl.net/rsdb/M12956
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Visum, Ehegattennachzug, eheliche Lebensgemeinschaft, Scheinehe, Beweislast
Normen: AufenthG § 27 Abs. 1; AufenthG § 27 Abs. 1a Nr. 1; GG Art. 6
Auszüge:

Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet mit der Beigeladenen zu 2) (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Nach gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. grundlegend Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042.02; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. November 2005 - OVG 7 B 6.05 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) ist für den Anspruch nicht allein die formal wirksame Ehe ausreichend. Erforderlich ist auch der Wille beider Ehegatten, eine eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet herstellen oder wahren zu wollen, die unter den Schutz des Art. 6 GG fällt.

Der Begriff der Ehe im Sinne von Art. 6 GG ist im Grundgesetz selbst nicht definiert, sondern wird als besondere Form des menschlichen Zusammenlebens vorausgesetzt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17.7.2002 - 1 BvF 1.01 BVerfGE 105, S. 313).

Demgegenüber ist eine Ehe, die lediglich formal besteht, aber ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden ist, dem Ausländer ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen (Scheinehe) nicht von Art. 6 des Grundgesetzes erfasst und kann damit auch nicht Grundlage für die Erteilung eines Visums sein.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. Mai 1987 BVerfGE 76 S. 1) ist eine behördliche Prüfung auf das Vorliegen einer Scheinehe nur bei begründetem Verdacht möglich. Es ist schlechterdings verfassungswidrig, wenn jeder Ehe vorbehaltlos die Last auferlegt werden würde, darzutun, dass es sich nicht um eine Scheinehe handelt. Liegen allerdings aufgrund der ausländerrechtlichen Vorgeschichte oder sonstige Umstände, insbesondere auch aufgrund der Angaben der Ehegatten im Verwaltungsverfahren selbst berechtigte objektive Zweifel vor, die den Verdacht einer Scheinehe begründen, sind entsprechende Ermittlungen durch die Auslandsvertretungen und die Ausländerbehörden im öffentlichen Interesse zulässig, um festzustellen, ob es sich im Einzelfall um eine Scheinehe handelt. Im Bereich der individuellen Willensentscheidungen – wie der mit der Eheschließung verfolgte Zweck – obliegt es dann dem ein Visum begehrenden Ausländer, die Zweifel auszuräumen und durch entsprechende Hilfstatsachen, aus denen sich ein entsprechender Wille beider Ehegatten schließen lässt, darzutun, dass die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet beabsichtigt ist.

Dass eine Ehe in der Regel auch geschlossen worden wird, um eine Aufenthaltsrecht zu erhalten, ist unschädlich, solange dieser Zweck nicht ausschließlich der Eheschließung zugrunde liegt.

Dem geltend gemachten Anspruch steht hier allerdings die Vorschrift des § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG entgegen. Danach wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dies ist hier der Fall.

Die Regelung ist lex specialis zu § 27 Abs.1 AufenthG und begründet nach Auffassung des erkennenden Gerichts für die den Anspruch ausschließende Tatsache nicht nur einen Überzeugungsmaßstab, sondern nach allgemeinen Prozessgrundsätzen auch eine Beweislast für die Beklagte (so auch VG Berlin, Urteil vom 12. Dezember 2007 - VG 1 V 66.06; a. A. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2007 - VG 5 V 22.07 und Urteil vom 09. Oktober 2007 - 9 V 1.07).

Auf die Frage, wer bei einem nonliquet die materielle Beweislast trägt, kam es hier jedoch nicht an. Zur Überzeugung des Gerichts steht nämlich fest, dass die Ehe des Klägers mit der Beigeladenen zu 2 ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, um dem Kläger die Einreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen.