LG Freiburg

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Zitieren als:
LG Freiburg, Urteil vom 23.01.2008 - 7 Ns 630 Js 23306/06 - asyl.net: M12966
https://www.asyl.net/rsdb/M12966
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Einschleusen von Ausländern, Beihilfe, Duldung, räumliche Beschränkung, Vorsatz, Vermögensvorteil
Normen: AufenthG § 96 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 4 Abs. 1; AufenthG § 60a
Auszüge:

Der Angeklagte hat sich dadurch der Beihilfe zur Einschleusung von Ausländern gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 1 Nr. 2, 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG strafbar gemacht.

Zunächst war die einmal bescheinigte Duldung von T. seitens der Stadt M. räumlich auf Nordrhein-Westfalen beschränkt. Gegen diese Beschränkung wurde von T, auch im Zusammenhang mit der vorliegenden Straftat, verstoßen. Allerdings macht sich derjenige, der einer räumlichen Beschränkung zuwiderhandelt, weder wegen Nichtbesitzes eines erforderlichen Aufenthaltstitels, noch wegen eines Aufenthaltsverbots strafbar. Zwar besitzt der Ausländer in diesen Fällen keine für das übrige Bundesgebiet gültige Duldung, strafbar soll dieses Verhalten aber nach dem Willen des Gesetzgebers dennoch nicht sein.

Innerhalb der für die Verwirklichung des Teilnahmetatbestandes (§ 96 Abs.1 Nr. 1) erheblichen Zeit war der Haupttäter (T.) jedoch auch gar nicht im Besitz einer Aufenthaltsduldung. Diese war bereits am 18.04.2002 abgelaufen. Allerdings war bis zum Ende der möglichen Tatzeit des Angeklagten am 22.06.2006 eine Ausschreibung des T. seitens der Ausländerbehörde M. noch nicht erfolgt. Die in diesem Zusammenhang aufkommenden Frage, ob in diesem Verhalten der Verwaltung wiederum konkludent eine Duldung des Aufenthalts des T. zu erblicken sei, lässt sich allerdings mit nein beantworten. So ist unter Duldung im Ausländerrecht mehr zu verstehen als nur die durch tatsächliches Verwaltungshandeln zum Ausdruck gelangte Billigung eines rechtswidrigen Zustands. Erforderlich ist vielmehr eine schriftlich zu bescheinigende Aussetzung der Ausreiseverpflichtung im Einzelfall. Hierbei setzt die Aussetzung der Ausreiseverpflichtung grundsätzlich die Vollziehbarkeit der Abschiebung voraus sowie die Nichtgewährleistung der freiwilligen Ausreise, wofür das Verhalten des T. selbst in jüngster Vergangenheit (er ist untergetaucht) Beleg genug war.

T. handelte bei alledem auch mit Vorsatz.

Im übrigen gilt, dass die Teilnahmehandlung des § 96 Abs.1 Nr.1 AufenthG verselbständigt ist und daher im Hinblick auf Wortwahl (vergleiche §§ 26, 27 StGB) und Entstehungsgeschichte zwar eine rechtswidrige und vorsätzliche Haupttat voraussetzt, welche – folgt man dem eben Dargestellten – vorliegt, nicht aber eine schuldhafte (limitierte Akzessorietät), so dass sich weitere Ausführungen diesbezüglich erübrigen.

Das Hilfeleisten im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist wie Beihilfe im Sinne des § 27 StGB zu verstehen, also als Fördern und Hilfe in jeder Form.

Umstritten ist, ob ein Hilfeleisten im Sinne dieser Vorschrift und nach Maßgabe der geltenden Regeln des § 27 StGB überhaupt noch möglich erscheint bei einem Haupttäter, der ohnehin bereits zur Tat entschlossen ist.

Nach der von der Verteidigung angeführten Rechtsprechung des Obersten Bayrischen Landesgerichts, unterstützt u.a. seitens des OLG Düsseldorf, soll in einem solchen Fall, unter den gegebenen Umständen, eine Beihilfe durch den Angeklagten nicht anzunehmen sein: ...

Die Kammer hält diese Auffassung dagegen für überholt und schließt sich den Ausführungen des OLG Frankfurt (NJW 2005, 2026) an. Danach neige der Senat dazu, an der bereits dargestellten Auffassung wohl nicht länger festzuhalten. Vielmehr sei darauf abzustellen, ob durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung oder die Entlohnung von Arbeitsleistungen die Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts des Ausländers in seiner konkreten Gestaltung gefördert oder erleichtert wurde. Dies liege bei der Beschäftigung illegal in Deutschland sich aufhaltender Ausländer nahe. Überlegungen, dass der Ausländer in diesem Zeitraum ansonsten durch eine Erwerbstätigkeit bei einem anderen Unternehmer oder durch die Finanzierung seines Lebensunterhalts auf andere Weise seinen Aufenthalt hätte sichern können, stellen demgegenüber Erwägungen zu hypothetischen Kausalverläufen dar, die für die Frage der Strafbarkeit des Gehilfen ohne Bedeutung sein müssen. (OLG Frankfurt NJW 2005, 2026).

Sinngemäß lässt sich in diesem Zusammenhang auch einer Entscheidung des BGH entnehmen, dass eine Beihilfe zwar dann abzulehnen sei, wenn dem Haupttäter eine Unterkunft schlicht aus humanitärenGründen gewährt würde, nicht aber dann, wenn durch die Beherbergung optimale Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Haupttäter der durch den Gehilfen angedachten Arbeit nachgehen kann (BGH NStZ 1990, 443). Angesichts der vielfältigen Formen der möglichen Hilfeleistung genüge zudem jede Hilfe, die irgendwie dazu beitrage, dass der Ausländer sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten könne.

Zunächst stimmt die Kammer dem BayObLG zwar insoweit zu, als unter solchen Umständen ein Bestärken des Tatentschlusses durch den Gehilfen sicherlich nicht mehr möglich sein wird. Allerdings stellt die Bestärkung des Tatentschlusses lediglich eine von zahlreichen Formen der Hilfeleistung dar. Auch nach der Auffassung des BayObLG ist Beihilfe objektiv dann zu bejahen, wenn "die Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv erleichtert wird". Nun mag das Gewähren von Unterkunft und Beschäftigung nicht ausschlaggebend für den Tatentschluss des Haupttäters sein, es erleichtert jedoch in jedem Fall dessen Umsetzung und trägt dazu bei, dass der Haupttäter sich für die Dauer der Gewährung von Unterkunft und Beschäftigung unerlaubt im Bundesgebiet aufhält. Schließlich ist das Fassen eines Tatentschlusses nicht mit dessen Verwirklichung gleichzusetzen und als ein Schritt zu behandeln. Daher vertritt die Kammer die Meinung, dass ein Gehilfe, indem er die Verwirklichung der Haupttat erleichtert, sei es auch nur für eine bestimmte Dauer, sich auch die mit dem Delikt verbundene Schuld und Strafbarkeit zu Eigen macht. Überdies kann auch auf diese Weise beim Haupttäter ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bei der ständigen Umsetzung seines Dauerdeliktes ausgelöst werden, da er sich bei der Verwirklichung unterstützt weiß.

Zudem muss beachtet werden, dass hier eine Abgrenzung zur Anstiftung (§ 96 Abs. 1 AufenthG, § 26 StGB) zu erfolgen hat.

Der Angeklagte hat durch seine Beihilfehandlung auch einen Vermögensvorteil gezogen. Unter Vermögensvorteil ist jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage zu verstehen. Der Vermögensvorteil braucht nicht von dem begünstigten Ausländer erbracht zu werden, er muss aber in einem finalen Zusammenhang mit der Förderung und Unterstützung des illegalen Verhaltens des Ausländers stehen. Ein Finalzusammenhang besteht, wenn die Unterstützungshandlung des Gehilfen gleichzeitig zu dessen Vermögensvorteil führt. T. arbeitete für den Angeklagten für einen geringen Lohn in dessen Gaststätte. Der Angeklagte führte für T. keinerlei Sozialbeiträge ab. Im Hinblick darauf, dass jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage einen Vermögensvorteil darstellt, erfüllen auch Einsparungen dieses Kriterium. So führte die Unterstützungshandlung des Angeklagten, T. Beschäftigung und Unterkunft zu gewähren, zugleich zu dessen finanziellem Vorteil.