VG Gelsenkirchen

Merkliste
Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 09.01.2008 - 10a K 2487/02.A - asyl.net: M12972
https://www.asyl.net/rsdb/M12972
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Journalisten, Oppositionelle, Regimegegner, Pressefreiheit, Situation bei Rückkehr, Antragstellung als Asylgrund, Auslandsaufenthalt, exilpolitische Betätigung
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

I.

Der Kläger ist nicht asylberechtigt.

Auch wenn die Richtigkeit der bisherigen Angaben des Klägers unterstellt wird, bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die nunmehrigen Machthaber in Togo kein irgendwie geartetes Interesse daran besitzen, ihn gegenwärtig oder in absehbarer Zukunft in asylrelevanter Weise allein deshalb zu behelligen, weil in seinem Heimatland im Februar 2002 im togoischen Fernsehen ein einminütiges Video des Klägers, der als freier Kameramann tätig war, über den Marsch der Opposition am 16. Februar 2002 ausgestrahlt wurde. Nach dem Tod Eyademas haben sich die politischen Verhältnisse in Togo in grundlegender Weise verändert, so dass für Journalisten, zumal für solche, die - wie der Kläger - politisch in keiner Weise an eine Partei gebunden und auch sonst politisch nicht aktiv waren, keine Gefahr von Verfolgung oder Bedrohung wegen regierungskritischer Artikel - was beim Kläger noch nicht einmal vorgelegen hat - mehr besteht, Presse- und Meinungsfreiheit vielmehr umfassend gewährleistet sind (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 12. März 2007 an das Bundesamt, vom 12. April 2007 an das Verwaltungsgericht Schwerin, vom 6. November 2007 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen, Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 21. September 2006 - Togo: Rückkehrgefährdung bei exiloppositionellen Tätigkeiten - S. 7.

II.

Gilt der Kläger nach alledem nicht als politisch Verfolgter ausgereist, wird er nach dem für sein Asylverfahren somit geltenden Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit asylrelevante Beeinträchtigungen seitens des dortigen Regimes auch nicht wegen der bei ihm in Betracht zu ziehenden subjektiven Nachfluchtgründe, d.h. aufgrund seiner Asylantragstellung und des damit verbundenen Aufenthalts in Deutschland sowie seiner Exilaktivitäten zu erwarten haben; und ebenso wenig ist die Beklagte unter diesen Gesichtspunkten verpflichtet, zugunsten des Klägers das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen bzw. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in der maßgeblichen Fassung vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 1995) auszusprechen.

Bei einer Würdigung der innenpolitischen Verhältnisse in Togo noch zu Lebzeiten Eyademas bzw. kurz nach seinem Tod ließ sich die Annahme, dass dorthin zurückkehrende abgelehnte Asylbewerber lediglich wegen ihrer Asylantragstellung - und eines daran eventuell anschließenden längeren Auslandsaufenthalts - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit befürchten müssten, Opfer abschiebungsrelevanter Beeinträchtigungen zu werden, nicht rechtfertigen.

Hinsichtlich exilpolitischer Betätigung ging die im Ergebnis übereinstimmende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. April 1999 - 23 A 4894/98.A - und vom 17. Dezember 2002 - 11 A 1150/00.A -; ShOVG, Urteil vom 23. März 1999 - 41-159/98 -; BayVGH, Urteil vom 30. März 1999 - 25 BA 95.34283 -; VG Saarlouis, Urteil vom 26. August 1999 - 1 R 5/99 -; OVG RhPfalz, Urteil vom 10. August 2000 - 1 A 11211/99.OVG -; VGH BaWü, Urteile vom 22. November 2000 - A 13 S 1205/97 -, vom 25. März 2003 - A 9 S 1089/01 -, VBlBW 2003, 362, und vom 20. April 2004 - A 9 S 848/03 -; ThOVG, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 2 KO 802/98 -; OVG LSA, Urteil vom 16. Januar 2003 - A 2 S 412/98 -; OVG HH, Urteil vom 25. April 2003 - 1 Bf 362102.A -) bislang davon aus, dass bei einem ausgereisten Bürger Togos die Mitgliedschaft in einer zwar regimekritischen, aber gewaltfrei eingestellten Exilorganisation seines Landes nebst den damit verbundenen gewöhnlichen Aktivitäten (z.B. Teilnahme an Veranstaltungen und interne Weitergabe von Informationen) keine überwiegend wahrscheinliche Rückkehrergefährdung bewirkt, solange dieses Engagement in der individuellen Situation nicht in der unten umschriebenen Weise besonders herausragt.

An dieser Einschätzung der Lage hatte sich auch nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Faure Gnassingbe nichts Entscheidendes geändert. Das Auswärtige Amt berichtete in seinem Lagebericht vom 15. Juli 2005 über keine Verschärfung der Situation für rückkehrende Asylbewerber, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren. Vielmehr war und ist die Regierung unter Faure Gnassingbe mittlerweile sehr um die Herstellung einer Atmosphäre der Versöhnung bemüht; sie rief togolesische Flüchtlinge zur Rückkehr auf; mit Präsidentenerlass vom 25. Mai 2005 ist die Gründung einer unabhängigen nationalen Untersuchungskommission verfügt worden, um "die Akte der Gewalt und des Vandalismus" im Zusammenhang mit den Wahlen zu untersuchen; es wurde ein Hochkommissariat für Repatriierung und Wiedereingliederung errichtet, dem sowohl die Aufgabe der Vorbereitung der Rückführung der togolesischen Flüchtlinge als auch deren Wiedereingliederung sowie aller damit im Zusammenhang stehenden humanitären Belange übertragen wurden; am 21. Juli 2005 fand ein Treffen zwischen Faure Gnassingbe und dem führenden Mitglied der Opposition Gilchrist Olympio statt (vgl. Stellungnahme des UNHCR vom 30. August 2005, a.a.O.).

Diese Situation für sowohl im Lande selbst tätige Oppositionelle, als auch für zurückkehrende Asylbewerber, die in Deutschland exilpolitisch aktiv waren, hat sich bis heute weiter zum Positiven entwickelt.