LSG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.03.2008 - L 8 7/08 AY - asyl.net: M13010
https://www.asyl.net/rsdb/M13010
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Prozesskostenhilfe, Leistungskürzung, Dauerverwaltungsakt, Erfolgsaussichten, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit, Rechtsschutzinteresse
Normen: SGG § 73a Abs. 1; ZPO § 114; AsylbLG § 3; SGG § 86b Abs. 2; AsylbLG § 1a
Auszüge:

Den Antragstellern ist die begehrte Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Waldmann-Stocker zu gewähren.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Vorliegend bestehen konkrete Aussichten auf ein zumindest teilweises Obsiegen der Antragsteller. Dem Rechtsschutzziel der Antragsteller, vorläufig ungekürzte Leistungen zumindest nach § 3 AsylbLG zu erhalten, kann nur durch eine Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG Rechnung getragen werden. Unabhängig davon, ob man in den Bescheiden vom 16. Juni 2006, 3. und 14. September 2007 über Leistungen gemäß § 1 a AsylbLG aufgrund ihrer Formulierung Dauerverwaltungsakte verkörpert sieht (so Beschluss des Senats vom 18.12.2006 - L 8 B 24/06 AY ER; vgl. auch BSG, Urteil v. 8.2.2007, B 9b AY 1/06 R - SozR 4-3520 § 2 Nr. 1), oder ob, aufgrund des Umstandes, dass Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich nur für einen Monat gewährt werden, eine nachfolgende Auszahlung eine konkludente Weiterbewilligung für den jeweiligen Monat darstellt (sog. „Bewilligung bis auf weiteres“, vgl. zum BSHG, BVerwG, Urteil v. 24_8.1972 - V C 49.72 - FEVS 19. 451), mit der der Leistungsträger lediglich die weitere Leistung bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen in Aussicht stellt, so dass die Bewilligung auch nur für den behördlichen Bescheiden nächstliegenden Zeitraum gilt, stellt das Begehren nach ungekürzten Leistungen i.S.v. § 3 AsylbLG eine Erweiterung der Rechte dar, so dass einstweiliger Rechtsschutz nur über die vorläufige Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erbringung höherer Leistungen erreicht werden kann.

Denn bereits seinem Wortlaut nach ist § 1 a AsylbLG nicht als Kürzungstatbestand ausgestaltet. Vielmehr gibt § 1a AsylbLG die Leistungshöhe für einen bestimmten Personenkreis vor. Dementsprechend hat der Verwaltungsakt der zuständigen Behörde nur die Zuordnung des jeweiligen Hilfesuchenden zum Personenkreis des § 1 a AsylbLG und die nähere Kronkretisierung der danach zu gewährenden, nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbaren Leistungen im Bewilligungszeitraum zum Gegenstand. Daher ist Gegenstand des mit Schreiben vom 29. November 2007 auch eingeleiteten zukunftsgerichteten Antragsverfahrens nicht die Anfechtung einer vorgenommenen Kürzung sondern die Verpflichtung des Leistungsträgers zur Gewährung höherer Leistungen.

Zumindest die Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu verpflichtet, hat hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Dass die Antragsteller einen Anspruch auf höhere Leistungen zumindest ab dem 29. November 2007 haben könnten, räumt jetzt auch der Antragsgegner ein.

Auch ein Anordnungsgrund ist mit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben. Insoweit bedarf es keiner weitergehenden individualisierten Darlegung wesentlicher Nachteile für die Antragsteller. Denn im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 1a AsylbLG wird vorliegend der zusätzliche Barbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens nur noch anteilig erbracht. Sein Leistungszweck ist grundsätzlich die Gewährleistung der nach Artikel 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit auf niedrigsten Niveau (vgl. Hohm in GK-AsylbLG § 3 RN 52 ff.). Mit der Streichung dieses Betrags entfällt die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Leistungsberechtigten fast vollständig, die durch den Barbetrag ohnehin nur im Hinblick auf die notwendigen Ausgaben für Verkehrsmittel, Telefon/Porto, Schreibmittel, Lesestoffe/Werkmaterial oder kleine Mengen an Genussmitteln eingeräumt werden sollte. Hierin liegt ein schwerer Nachteil, der es regelmäßig im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes insbesondere im Hinblick auf die drohende Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland nicht als geboten erscheinen lässt, die Hilfesuchenden auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zu verweisen.

Dabei müssen sich die Antragsteller auch nicht bis zu einer ersten Verwaltungsentscheidung gedulden. Zweck des Verfahrens zu Erlass einer einstweiligen Anordnung ist es gerade, schnell eine vorläufige Regelung bezüglich des streitigen Rechtsverhältnisses herbeizuführen. Dabei kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen sogar dann zulässig sein, wenn noch kein förmlicher Antrag bei der Verwaltungsbehörde gestellt wurde (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 26b m.w.N.). Vorliegend hatten die Antragsteller bereits am 29. November 2007 einen schriftlichen Antrag beim Antragsgegner gestellt und diesen am 3. Januar 2008 ergänzend begründet. Dabei haben sie auf das aus ihrer Sicht bestehende Eilbedürfnis hingewiesen und den Antragsgegner um eine Reaktion bis zum 10. Januar 2008 gebeten. Gleichzeitig haben sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für den Fall angekündigt, dass bis zu diesem Zeitpunkt nicht wenigstens die Leistungseinschränkungen beendet worden sind. Eine Antwort hierauf - und sei es nur in Form einer Zwischennachricht - haben die Antragsteller bis zum Eingang ihres Antrags beim Sozialgericht am 22. Januar 2008 nicht erhalten. Zudem hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 30. Januar 2008 hinreichend deutlich gemacht, dass eine positive Verwaltungsentscheidung nicht zu erwarten sei. Dadurch kann den Antragsteller jedenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht abgesprochen werden. Es war ihnen nicht mehr zumutbar, eine in unbestimmter Zukunft ergehende förmliche Verwaltungsentscheidung abzuwarten.