AG Northeim

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Zitieren als:
AG Northeim, Beschluss vom 01.04.2008 - 13 UR IIa 21/2008 - asyl.net: M13013
https://www.asyl.net/rsdb/M13013
Leitsatz:
Schlagwörter: Kostenrecht, Rechtsanwaltsgebühren, Verfahrensgebühr, Bedarfsgemeinschaft
Normen: VVF RVG Nr. 2603; SGB II § 7 Abs. 3
Auszüge:

Die zulässige Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg. Die Verfahrensgebühr war für jeden Antragsteller aus der Bedarfsgemeinschaft um 0,3 zu erhöhen. Nach Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses erhöht sich die Verfahrensgebühr für jede weitere Person um diesen Wert, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Zwar handelt sich bei den Antragstellern um Mitglieder einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II. Denn gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1, 4 SGB II gehören zu dieser die erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen und die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder dieser Personen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können.

Bereits aus § 38 Satz 1 SGB II ergibt sich aber, dass die Bedarfsgemeinschaft nicht als Einzelperson zu behandeln ist. Denn soweit Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, wird danach vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfsbedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Damit geht das Gesetz gerade von eigenen Ansprüchen der einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft aus. Diese Ausfassung wird auch durch die Rechtsprechung u.a. des Bundessozialgerichts gestützt, das mit Urteil vom 07.11.2006 entschieden hat, dass das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher kenne, die keine juristische Person darstelle, sondern dass Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien. Das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft könne deshalb nicht mit einer eigenen Klage die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfolgen (So auch Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 30.08.2007, S 23 AS 42/06 in BECKRS 2007, 4; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.11.2007, L 8 AS 39/06, zitiert nach Juris; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.11.2007, L 11 AY 70/07 ER).

Nach alledem ist eine Bedarfsgemeinschaft an sich kein Einzelauftraggeber. Eine Personmehrheit kann nur dann als Einzelauftraggeber angesehen werden, wenn sich die Person kraft eigener Disposition zu einer Gesellschaft zusammenschließt. Nur wer sich selbst eine Rechtseinheit nach außen verschafft, muss sich auch als Einheit behandeln lassen. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Bedarfsgemeinschaft im Gegensatz z.B. zu einer BGB-Gesellschaft nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben. Von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wird erwartet, dass unabhängig von etwaigen Unterhaltsansprüchen nach dem BGB und davon, ob die Person selbst anspruchsberechtigt nach dem SGB ist, sein Einkommen und Vermögen zur Deckung des gesamten Bedarf aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingesetzt wird. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass mit dem Bestehen der Bedarfsgemeinschaft ein neues Rechtssubjekt geschaffen wurde. Inhaber des Sozialleistungsanspruches bleibt immer das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft; ein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert nicht. Aus der Bedarfsgemeinschaft kann auch ansonsten keine Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) oder eine gesetzliche Verfahrens- und Prozessstandschaft jedes Mitgliedes für die Ansprüche der anderen Mitglieder abgeleitet werden. Auch dies würde dem Einzelanspruchscharakter widersprechen; insbesondere wäre die Regelung über die Vertretensvermutung in § 38 SGB II dann überflüssig, wenn es sich um Ansprüche einer Bedarfsgemeinschaft als solcher und nicht um Einzelansprüche handeln würde. Die Einzelansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind somit nicht unteilbar. Wenn somit Einzelansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vorliegen, so sind diese nach Ansicht des Gerichts auch als Einzelauftraggeber des Rechtsanwaltes anzusehen. Dem entgegenstehende Anhaltspunkte für ein ausnahmsweises Abgehen von dieser Rechtsprechung im vorliegenden Fall sind nicht hinreichend ersichtlich.