VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Beschluss vom 10.04.2008 - 3 B 225/07 MD - asyl.net: M13014
https://www.asyl.net/rsdb/M13014
Leitsatz:

Gilt ein Aufenthaltstitel gem. § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG für Zwecke der Erwerbstätigkeit fort, muss die Ausländerbehörde die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit bescheinigen.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Fortgeltungsfiktion, Erwerbstätigkeit, Bescheinigung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Rechtsmittelfristen, einstweilige Anordnung, Suspensiveffekt, Eilbedürftigkeit
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 84 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Gilt ein Aufenthaltstitel gem. § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG für Zwecke der Erwerbstätigkeit fort, muss die Ausländerbehörde die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit bescheinigen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Nachteile zu verhindern.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit - glaubhaft gemacht, weil sie nach ihrem eigenen nachvollziehbaren Vortrag die begehrte Bescheinigung benötigt, um weiterhin ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Zudem hat die Antragstellerin auch den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin ist berechtigt, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt der Aufenthaltstitel eingeschränkt als fortbestehend. Dies gilt für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Dadurch, dass für die jeweils genannten Zeiträume das Fortbestehen des Aufenthaltstitels (lediglich) zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit fingiert wird, wird der nach § 2 Abs. 2 und 3 AufenthG notwendige Zusammenhang zwischen Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis gewahrt.

Die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer - eingeschränkten - Fortbestehensfiktion liegen vor. Zwar hat das beschließende Gericht mit Beschluss vom 13.02.2008 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 13.05.2007 gegen den ausländerrechtlichen Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.05.2007 anzuordnen, abgelehnt (Az: 3 B 172/07 MD). Indessen hat die Antragstellerin hiergegen Beschwerde erhoben. Das Verfahren wird beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt unter dem Aktenzeichen 2 M 71108 geführt und ist nicht rechtskräftig abgeschlossen. Damit liegt die 3. Variante des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vor. Darauf, dass die Antragstellerin ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen ist, worauf die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28.08.2007 hinweist, kommt es demgegenüber aus Rechtsgründen aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Bestimmung in diesem Zusammenhang nicht an.

Die Berechtigung der Antragstellerin, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist ihr zu bescheinigen. Zwar enthält das Gesetz hierzu keine ausdrückliche Regelung. Doch ergibt sich der Anspruch mittelbar aus § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AufenthG (vgl. OVG Hamburg, Beschluss v. 21.10.2005 - 4 Bs 222/05). Danach muss sich die Erlaubnis, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, aus dem Aufenthaltstitel ergeben; ein Arbeitgeber darf den Ausländer nur unter dieser Voraussetzung beschäftigen. Dies setzt voraus, dass der Ausländer dem Arbeitgeber diese Berechtigung nachweisen kann. In den Fällen des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, in denen einerseits zwar aufgrund einer Ausweisung oder eines sonstigen, die Rechtmäßigkeit des aufenthaltsbeendenden Verwaltungsaktes der Aufenthaltstitel erloschen ist oder in denen nach Ablehnung eines Verlängerungsantrages die Fortbestehensfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht (nicht mehr) gilt, in denen aber andererseits der Aufenthaltstitel nach der erstgenannten Vorschrift für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit als fortbestehend gilt, liegt deshalb ein anzuerkennendes Bedürfnis des Ausländers daran vor, dass ihm die Ausländerbehörde die Berechtigung zur Ausübung der Erwerbstätigkeit in geeigneter Form bescheinigt. Dementsprechend sehen auch die Vorläufigen Anwendungshinweise zur Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes des Bundesministeriums des Innern vom 22.12.2004 vor, dass die Ausländerbehörde auf Antrag des Ausländers das Vorliegen der Wirkungen des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bescheinigt, sofern einer der dort genannten Sachverhalte vorliegt (vgl. Ziff. 84.2.2.4 i.V.m. Nr. 4.3.1) (vgl. OVG Hamburg, a.a.O. VGH Bad.-Württemberg, Beschl. v. 23.10.2006 - 13 5 1943106 und Bay. VGH, Beschl. v. 7.8.2007 - 19 CS 07.1167).