VG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 31.03.2008 - 5 L 118/08 - asyl.net: M13024
https://www.asyl.net/rsdb/M13024
Leitsatz:

§ 57 Abs. 1 AufenthG (Zurückschiebung) ist auch auf abgelehnte Asylbewerber anwendbar.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Zurückschiebung, abgelehnte Asylbewerber, Rückübernahmeabkommen, Bundespolizei, Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 57 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 71 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

§ 57 Abs. 1 AufenthG (Zurückschiebung) ist auch auf abgelehnte Asylbewerber anwendbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Voraussetzungen für die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sind gegeben. Denn die Antragsteller sind vor dem 24. September 2007 unerlaubt – nämlich ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 1 AufenthG) – in das Bundesgebiet eingereist. Wegen der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet sind die Antragsteller noch immer ausreisepflichtig.

Dass die Antragsteller während der Dauer ihrer – erfolglos gebliebenen – Asylverfahren über ein vorläufiges Bleiberecht in Form der Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz) verfügten, führt entgegen der Rechtsansicht der Antragsteller nicht dazu, dass § 57 AufenthG nicht mehr anwendbar wäre (a. A. GK AufenthG, Funke-Kaiser, § 57 Rdnr. 24). Denn es findet sich im Wortlaut des § 57 AufenthG zum einen kein Anhaltspunkt dafür, dass der Ausländer seit seiner unerlaubten Einreise durchgängig ausreisepflichtig gewesen sein muss. Auch aus der Systematik des Gesetzes ergibt sich nicht, warum eine zwischenzeitliche erfolglose Asylantragstellung das Instrument der Zurückschiebung ausschließen sollte, solange die in § 57 AufenthG ausdrücklich niedergelegten Voraussetzungen für eine Zurückschiebung vorliegen. Zum anderen ist es auch nicht zu einer behördlichen Legalisierung des Aufenthalts gekommen (vgl. GK-AufenthG a.a.O.). Vielmehr vermittelte § 55 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – lediglich ein gesetzliches Aufenthaltsrecht, das funktionell allein auf die Durchführung des Asylverfahrens ausgerichtet war (vgl. Hailbronner, AuslR, B 2 § 55 AsylVfG Rdnr. 2).

Zwar soll die Zurückschiebung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AufenthG innerhalb von sechs Monaten nach dem unerlaubten Grenzübertritt erfolgen. Diese Frist ist – geringfügig – überschritten. Jedoch ist die Zurückschiebung unabhängig von dieser Frist zulässig, solange ein anderer Staat auf Grund einer zwischenstaatlichen Übernahmevereinbarung zur Übernahme des Ausländers verpflichtet ist. Dies ist vorliegend der Fall. Denn am 1. Januar 2008 ist das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von ... über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rückübernahmeabkommen) in Kraft getreten, in dessen Artikel 1 sich die Vertragsparteien zur Übernahme eigener Staatsangehöriger verpflichten, wenn diese die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen.

Ferner liegt auch kein Ausnahmefall vor, der die Soll-Bestimmung des § 57 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in eine Ermessensentscheidung wandelt (vgl .OVG Hamburg, Beschluss vom 16. Juni 1993 Bs IV 122/93, veröffentlicht bei Juris). Solche einen Ausnahmefall begründende Umstände, die den Duldungsgründen des § 60 a AufenthG entsprechen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere steht der Zurückschiebung nach Ausstellung der Rückreisepapiere der Antragsteller und der Bereitstellung weiteren Begleitpersonals zur Verhinderung etwaiger Selbstverletzungen der Antragsteller auch in tatsächlicher Hinsicht nichts entgegen.

Schließlich ist die Antragsgegnerin gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG für die Zurückschiebung zuständig. Ihre Zuständigkeit endete auch nicht mit der Stellung der Asylanträge. Denn gemäß § 18 Abs. 3 ist ein Ausländer, der bei der Grenzbehörde um Asyl nachsucht, zurückzuschieben, wenn er von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Dies ist hier der Fall, denn die Antragsteller sind ausweislich der bestandskräftigen Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Oktober 2007 aus einem sicheren Drittstaat i.S. von § 26 a AsylVfG eingereist (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG).