VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 18.03.2008 - 19 ZB 08.603 - asyl.net: M13030
https://www.asyl.net/rsdb/M13030
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit, Prüfungskompetenz, Ausländerbehörde, abgelehnte Asylbewerber, Ablehnungsbescheid, Bindungswirkung, Abschiebungsstopp, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Erlasslage, Änderung der Rechtslage, Folgeantrag, Anerkennungsrichtlinie
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 42 S. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Mit seinem Vorbringen innerhalb offener Begründungsfrist (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO) legt der Kläger keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.

Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG (als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG) nur im asylrechtlichen Folgeantragsverfahren erfolgen kann, weil die Ausländerbehörde an die hierzu ergangene und unanfechtbar gewordene Ablehnungsentscheidung des Bundesamtes gebunden ist (§ 42 Satz 1 AsylVfG; vgl. BVerwG vom 22.11.2005 NVwZ 2006, 711).

Eine Ausnahmesituation, in der das Bundesverwaltungsgericht trotz eines vorangegangenen Asylverfahrens eine eigene Prüfung durch die Ausländerbehörde in Betracht zieht, weil das Bundesamt die Feststellung eines auf erheblichen existentiellen Gefahren im Zielstaat beruhenden Abschiebungshindernisses im Hinblick auf das Bestehen eines vergleichbaren Schutzes durch einen Abschiebestopp-Erlass, eine sonstige Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung nicht treffen kann und darf (BVerwG vom 27.6.2006 BVerwGE 126, 192), liegt nicht vor.

Die für den Kläger geltende Abschiebestoppregelung bietet nicht den Schutz, den eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG oder eine Anordnung nach § 60 a AufenthG zur Folge hätte. Die Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG durch das Bundesamt ist daher vorliegend nicht ausgeschlossen, sondern bleibt geboten. Die derzeit geltende Regelung über einen Abschiebestopp (Beschluss der Innenminister und -senatoren der Länder vom 16./17.11.2006 sowie Erlass des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 17.4.2007 Az. IA22082.4072/Ri) beruht nämlich darauf, dass nur mit der Regionalregierung der autonomen Gebiete im Irak, nicht aber mit der irakischen Regierung selbst eine Verständigung über begrenzte Rückführungen erreicht werden konnte und auch die Fluggesellschaften zu Abschiebungen in den Zentralirak nicht bereit sind (BayVGH vom 26.2.2008 Az. 10 ZB 07.1455). Die im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerregelungen aufgrund der IMK-Beschlüsse vom 19.11.2004 und vom 5.5.2006 beruhen auf keinen anderen Gründen (BVerwG vom 27.6.2006 a.a.O. RdNr. 19).

Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht Regensburg im rechtskräftigen Asylurteil vom 21. Dezember 2005 (Az. RO 3 K 05.30327; auf die Motive des Erlasses gehen die Entscheidungsgründe nicht ein) die Auffassung vertreten hat, aufgrund der Erlasslage bestehe für den Kläger ein mit § 60 a AufenthG vergleichbarer Schutz (ähnlich die Fallgestaltung, zu der die Entscheidung des VG Stuttgart vom 21.5.2007 InfAuslR 2007, 321 ergangen ist), steht einer materiellen Prüfung durch das Bundesamt anhand der Lage im Irak nicht im Weg. Der in Gestalt der Richtlinie 2004/83/EG (sowie ihrer Umsetzung) vorliegende Wiederaufgreifensgrund führt somit zu einer neuen Sachentscheidung, die durch eine in der Erstentscheidung geäußerte Rechtsauffassung nicht gebunden ist. Maßgeblich ist lediglich, dass das Verwaltungsgericht die Klage auch hinsichtlich der begehrten Feststellung von Abschiebungshindernissen abgewiesen hat. Damit bestehen an der Bindung der Ausländerbehörde nach § 42 Satz 1 AsylVfG und dem Erfordernis eines Folgeantrags keine Zweifel. Es ist nicht ersichtlich, dass hierdurch die in § 25 AufenthG getroffene Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Falle des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG unterlaufen würde (so jedoch – ohne nähere Begründung – VG Stuttgart vom 21.5.2007, a.a.O. RdNr. 19).