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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 10.08.2001 - 2 BVR 569/01 - asyl.net: M1304
https://www.asyl.net/rsdb/M1304
Leitsatz:

Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Vertriebenenrecht, Vertriebenenverfahren, Rumänen, Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Prüfungsmaßstab, Gleichheitsgrundsatz, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsweggarantie, Vertriebene, Übernahmegenehmigung, Statusdeutsche
Normen: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; GG Art. 19 Abs. 4; ZPO § 114 Abs. 1
Auszüge:

Die angegriffenen Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).

Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfGE 81, 347 356> m.w.N.; stRspr). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet.

Im Institut der Prozesskostenhilfe sind die notwendigen Vorkehrungen getroffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz gebietet dabei keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Der Unbemittelte braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Es ist demnach verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 Satz 1 ZPO, in dem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss.

Die Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben. Das Bundesverfassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 56, 139 144> m.w.N.). Hierbei hat es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (BVerfGE 81, 347 358>).

Diesen Grundsätzen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Mit ihnen werden die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung überspannt. Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof hätte sich aufdrängen müssen, dass die Frage, ob die Beschwerdeführer im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG Aufnahme in Deutschland gefunden haben, vorliegend besondere rechtliche Schwierigkeiten aufwarf, die der Klärung im Hauptsacheverfahren bedurften. Die Verneinung der hinreichenden Erfolgsaussicht der erhobenen Klage ist mit der gegebenen Begründung nicht tragfähig.