VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 26.02.2008 - 2 K 369/07 - asyl.net: M13063
https://www.asyl.net/rsdb/M13063
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Straftat, Übergangsregelung, Ermessen, Strafurteil, Ermessenseinbürgerung, Ausweisungsgründe
Normen: StAG § 40c; StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 a.F.; StAG § 12a Abs. 1 S. 2 a.F.; § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

Die Klage ist unbegründet.

Das Einbürgerungsbegehren des Klägers beurteilt sich – nachdem das Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz Änderungen erfahren hat – nach der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG n.F. Danach sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40 c StAG weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 (BGBl. I Seite 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Der Günstigkeitsvergleich ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist, vorzunehmen; es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden. Ein Einbürgerungsbegehren kann sich so teils nach bisherigem Recht, teils nach neuem Recht beurteilen (vgl. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 466).

Für den Einbürgerungsanspruch des Klägers gilt, dass das Unbescholtenheitserfordernis – § 12 a StAG – durch das Richtlinienumsetzungsgesetz erhebliche Verschärfungen erfahren hat. Im Fall des Klägers von Bedeutung ist die Verschärfung bei dem Nichtberücksichtigungsermessen (Verurteilung zu einer höheren Strafe, § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F.). War bislang im Einzelfall zu entscheiden, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Ausländer zu einer höheren Strafe verurteilt worden ist, so ist diese Entscheidung künftig nur noch dann möglich, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den genannten Rahmen – geringfügig – überschreitet (§ 12 a Abs. 1 Satz 3 StAG n.F.). Im Ergebnis ist durch das Tatbestandsmerkmal "geringfügig" das Nichtberücksichtigungsermessen künftig deutlich eingeschränkt (vgl. dazu auch Berlit, a.a.O., Seite 464).

Auf das Einbürgerungsbegehren des Klägers ist damit insoweit das für ihn günstigere alte Recht anzuwenden.

Dem Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG steht entgegen, dass er wegen einer Straftat verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG) und er damit das Unbescholtenheitserfordernis nicht erfüllt. Nach der Ausnahmeregelung des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. wird im Einzelfall entschieden, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Ausländer zu einer höheren Strafe verurteilt worden ist (sogenanntes Nichtberücksichtigungsermessen).

Nach gefestigter Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteile vom 24.10.2006 - 2 K 88/06 -, vom 20.06.2006 - 2 K 52/06 -, bestätigt durch Beschluss des OVG Saarlouis vom 25.10.2006 - 1 Q 29/06 -, Urteile vom 18.01.2005 - 12 K 33/04 - und 26.10.2004 - 12 K 96/03) liegt der Ausnahmevorschrift des § 12 a StAG der Gedanke zugrunde, dass als integrationsschädlich betrachtete strafrechtliche Verfehlungen von geringerem Gewicht bei demjenigen Personenkreis, der gezielt zur Stellung eines Einbürgerungsantrags ermutigt werden soll, außer Betracht bleiben müssen, wenn das Einbürgerungsangebot wirksam werden soll. Die Vorschrift des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. erlaube es zusätzlich, schwerere Straftaten außer Betracht zu lassen. Hierfür bedarf es einer umfassenden Ermessensentscheidung, bei der sowohl die Interessen des Einbürgerungsbewerbers als auch die öffentlichen Interessen, die gegen die Einbürgerung sprechen, angemessen zu berücksichtigen sind. Gegenstand der Ausübung des Nichtberücksichtigungsermessens ist allein die Frage, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann. Dabei sind einerseits alle mit der Straftat zusammenhängenden Umstände (z.B. der Grad der Überschreitung des Strafrahmens, die Frage, ob es sich um eine einmalige Verfehlung handelt, die für oder gegen eine Wiederholungsgefahr sprechenden Umstände, die baldige Tilgung der Verurteilung im Bundeszentralregister) und andererseits der Grad der Integration des Ausländers (z.B. besondere Integrationsleistungen) zu berücksichtigen. Grundsätzlich darf sich die Einbürgerungsbehörde davon leiten lassen, dass bei gravierenden strafrechtlichen Verurteilungen nach der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers die Einbürgerung nicht im öffentlichen Interesse liegt, ohne Rücksicht darauf, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr anzunehmen ist oder nicht. Die Verurteilung zu einer höheren Strafe kann daher nur in begründeten Ausnahmefällen außer Betracht bleiben.

Vorliegend verfängt zunächst der Einwand des Klägers nicht, der Beklagte habe in Wahrheit das ihm eröffnete Nichtberücksichtigungsermessen gar nicht ausgeübt. Angesichts der insoweit unmissverständlichen Formulierung in dem angefochtenen Bescheid kann davon nicht ausgegangen werden.

Der Beklagte hat ersichtlich auch die gesetzlich vorgegebenen Maßstäbe der Ermessensausübung gewahrt. Insbesondere hat er nicht allein auf die erst in ferner Zukunft liegende Tilgungsreife der Verurteilung abgestellt, sondern in fallbezogener Bewertung zudem den Charakter der begangenen Straftat unter dem Aspekt der Integration bewertet und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren "sehr stark die integrationshemmende Schwere der begangenen Straftat" unterstreiche. Aus Sicht der Kammer ist hiergegen nichts Durchgreifendes zu erinnern.

Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang Art und Gewicht der begangenen Straftaten (Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung) im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung als schwerwiegend angesehen hat und von daher eine für die Einbürgerung hinreichende Integration verneint hat, kann auch diese Wertung aus Sicht der Kammer nicht beanstandet werden. Zu Recht hat der Beklagte dabei darauf abgestellt, dass die verhängte Freiheitsstrafe das außer Betracht zu bleibende Strafmaß bei Weitem (nämlich um das 4-fache) überschreitet (vgl. auch Urteil der Kammer vom 18.01.2005 - 12 K 33/04 -: Dort hat die Kammer die gleichlautende Erwägung bei den Straftatbeständen Körperverletzung in sieben Fällen und Nötigung in zwei Fällen und einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten für tragfähig erachtet).

Aus den Strafzumessungserwägungen des Landgerichts A-Stadt – die Kammer hat ebenso wie der Beklagte die Strafakte 14 Js 64/98 beigezogen – ergibt sich keine andere Einschätzung. Eine besondere und atypische Konstellation bei der vorliegenden Straftat, die im Rahmen des Nichtberücksichtigungsermessens zugunsten des Klägers entscheidend zu berücksichtigen wäre, ist für die Kammer nicht erkennbar (vgl. auch VG Gießen, Urteil vom 10.09.2001, InfAuslR 2002, 41).

Insbesondere ist der Beklagte als Einbürgerungsbehörde entgegen der Auffassung des Klägers nicht gehalten, eine "Relation" zwischen der im Strafgesetz vorgesehenen Höchststrafe der jeweiligen Delikte und der tatsächlich verhängten Strafe vorzunehmen.

Was die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG angeht, hat der Beklagte auf § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a. F. abgestellt. Die Einbürgerung scheitert danach schon daran, dass der Kläger aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Zu Recht hat der Beklagte damit das Fehlen einer tatbestandlichen Mindestvoraussetzung für eine positive Ermessensentscheidung betont (vgl. nur Urteil der Kammer vom 18.01.2005 - 12 K 33/04 -).

In § 8 StAG n.F. ist die Einbürgerung zwar nicht mehr wegen des Vorliegens von Ausweisungsgründen ausgeschlossen; die Einbürgerung ist nunmehr aber – insoweit redaktionell angepasst an die Anspruchsvoraussetzungen des § 10 StAG n.F. – ausgeschlossen, wenn eine Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat vorliegt. Die entsprechende Altregelung ist damit für den Kläger nicht günstiger; der Kläger erfüllt sowohl den alten als auch den neuen Ausschlusstatbestand.