VG Saarland

Merkliste
Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 26.02.2008 - 2 K 366/07 - asyl.net: M13064
https://www.asyl.net/rsdb/M13064
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Unterstützung, PKK, KADEK, KONGRA-GEL, Unterzeichner, exilpolitische Betätigung, Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen
Normen: StAG § 40c; StAG § 11 S. 1 Nr. 2 a.F.; StAG § 11 S. 1 Nr. 1
Auszüge:

Die Klage ist unbegründet.

Das Einbürgerungsbegehren des Klägers beurteilt sich – nachdem das Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz Änderungen erfahren hat – nach der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG n.F. Danach sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40 c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Der Günstigkeitsvergleich ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist, vorzunehmen; es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden. Ein Einbürgerungsbegehren kann sich so teils nach bisherigem Recht, teils nach neuem Recht beurteilen (vgl. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 466).

Für das Einbürgerungsbegehren des Klägers gilt, dass sich der maßgebliche Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. wortgleich in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG n.F. wiederfindet. Allerdings lautete § 11 Satz 1 StAG a.F. wie folgt: "Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 besteht nicht, wenn ..."; § 11 Satz 1 StAG n.F. beginnt dagegen mit der Formulierung: "Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn ...". Soweit mit der Neuformulierung auch die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG ausgeschlossen ist (vgl. Berlit, a.a.O., S. 461), ist die Neuregelung für den Kläger ungünstiger, so dass auf sein Einbürgerungsbegehren § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. anzuwenden ist.

Dass es sich bei der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA GEL um "Bestrebungen" in dem vorgenannten Sinne handelt, ist in der Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte geklärt (vgl. Urteil der Kammer vom 30.09.2005 - 12 K 129/04 -, bestätigt durch Beschluss des OVG Saarlouis vom 09.03.2006 - 1 Q 4/06 -; ausführlich zur PKK und ihren Nachfolgeorganisationen, OVG Saarlouis, Urteil vom 08.03.2006 - 1 R 1/06 -; Urteil der Kammer vom 22.06.2006 - 2 K 62/06 -, bestätigt durch Beschluss des OVG Saarlouis vom 18.10.2006 - 1 Q 28/06 -; Urteile der Kammer vom 27.03.2007 - 2 K 179/06 - und vom 28.08.2007 - 2 K 240/06 -).

Geklärt ist auch, was als "Unterstützung" im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG anzusehen ist. Als solche gilt bereits jede Handlung, die in für den Ausländer erkennbarer und ihm deshalb zurechenbarer Weise für verfassungsfeindliche Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt. Dazu zählen neben der Gewährung finanzieller Unterstützung oder der Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele auch die öffentliche oder nicht öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verdeckt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können. Der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht wird insoweit vorverlagert in Bereiche, die für sich betrachtet noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstellen vgl. zu dem Begriff des Unterstützens auch BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 20/05 - juris).

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.02.2007 ist zunächst festzuhalten, dass die Unterzeichnung der "PKK-Selbsterklärung" nicht mehr ohne weiteres als tatbestandsmäßige Unterstützungshandlung angesehen werden kann (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 28.08.2007 - 2 K 240/06 -).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Handlungen oder Erklärungen des Einbürgerungsbewerbers in der Vergangenheit vorliegen, die bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts, welcher der Auslegung und Bewertung der Unterzeichnung der Erklärung beizumessen ist, heranzuziehen wären. Wie die Unterzeichnung der Selbsterklärung fallbezogen mit Blick auf die früheren Aktivitäten des Klägers zu bewerten ist, bedarf hier keiner Vertiefung.

Denn der Kläger hat mit den in seinem Asylklageverfahren 6 K 228/92.A geltend gemachten Exilaktivitäten in mehrfacher Weise Unterstützungshandlungen in dem vorgenannten Sinne vorgenommen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.12.1996 in diesem Asylverfahren hat sich der Kläger wie folgt eingelassen

– er berufe sich maßgeblich auf seine Exilaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland;

– von 1991 bis zum 03.11.1993 sei er im Vorstand des kurdischen Kultur- und Unterstützungsvereins in B-Stadt gewesen; mehrfach sei er in verschiedenen deutschen Zeitungen abgebildet gewesen;

– auf einem zu den Akten gereichten Video sei er als Zuschauer bei einer Sendung des Med-TV in Brüssel zu erkennen, ebenso als Teilnehmer einer Demonstration vor dem saarländischen Landtag anlässlich des Verbots der PKK und der Schließung des kurdischen Kultur- und Unterstützungsvereins in B-Stadt sowie als Teilnehmer eine Demonstration in B-Stadt gegen das Verbot der PKK/ERNK, bei der er eine rote Fahne trage;

– bei der Sendung des Med-TV anlässlich des Gründungstages der PKK sei auch Abdullah Öcallan zugeschaltet gewesen; der Kläger habe auch Fragen an Abdullah Öcallan gerichtet.

Die von dem Kläger seinerzeit geltend gemachten zahlreichen Exilaktivitäten, an denen er sich festhalten lassen muss, sieht auch die erkennende Kammer als gewichtig an; sie belegen in ihrer Gesamtheit, dass der Kläger jedenfalls damals eine innere Nähe zur PKK empfunden hat. Sein Einwand, er habe sich subjektiv nicht für die inkriminierten Ziele der PKK einsetzen wollen, es sei ihm vielmehr nur darum gegangen, den Kurden in der Türkei mehr Rechte zukommen zu lassen, kann mit Blick auf den vorstehend dargelegten objektiven Unterstützungsbegriff nicht überzeugen. Da nicht zweifelhaft sein kann, dass sich die Exilaktivitäten des Klägers in für ihn erkennbarer und ihm deshalb zurechenbarer Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen ausgewirkt haben, ist unerheblich, ob der Kläger seine Exilaktivitäten letztlich mit dem inneren (subjektiven) Vorbehalt ausgeübt hat, damit nur sein Asylfolgeverfahren erfolgreich zu gestalten.

Zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt hat der Kläger letztlich nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen abgewandt hat.

Eine Abwendung von sicherheitsrelevanten Bestrebungen erfordert mehr als ein bloßes äußeres – zeitweiliges oder situationsbedingtes – Unterlassen, was allerdings hierfür Indiz sein kann. Eine Abwendung setzt zusätzlich einen inneren Vorgang voraus, der sich auf die inneren Gründe für die Handlungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass sie so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen – auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherten Rechtsposition – auszuschließen ist. Zur Glaubhaftmachung reicht die Vermittlung überwiegender Wahrscheinlichkeit aus, dass sich der Einbürgerungsbewerber von früheren Aktivitäten abgewendet hat. Die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind auszurichten an Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen, die zur Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher oder extremistischer Aktivitäten entfaltet worden sind, und an dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt sind.

Je geringer das Gewicht der Aktivitäten ist und je länger sie zurückliegen, desto eher wird es dem Einbürgerungsbewerber gelingen, glaubhaft zu machen, dass er sich von den in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG genannten Bestrebungen dauerhaft abgewandt hat.

Erforderlich ist eine würdigende Gesamtschau der für bzw. gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren.

Die Glaubhaftmachung einer Abwendung setzt in der Regel voraus, dass der Einbürgerungsbewerber einräumt oder zumindest nicht bestreitet, früher durch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierte Bestrebungen unterstützt zu haben (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 09.03.2006 - 1 Q 4/06 -).

Davon, dass sich der Kläger von der früheren Unterstützung verfassungsfeindlicher Aktivitäten tatsächlich abgewandt hat, hat sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugen können.

Der Kläger hat zunächst nicht eingeräumt, mit den im Asylverfahren entfalteten Exilaktivitäten durch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierte Bestrebungen unterstützt zu haben, sondern dies vielmehr der Sache nach bestritten.