VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.2008 - 13 S 1169/07 - asyl.net: M13073
https://www.asyl.net/rsdb/M13073
Leitsatz:

Die Abgabe einer Loyalitätserklärung gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber zumindest einfache Grundkenntnisse der freiheitlich demokratischen Grundordnung besitzt und den Inhalt der Loyalitätserklärung verstanden hat.

 

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Loyalitätserklärung, Ermessenseinbürgerung
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; StAG § 8
Auszüge:

Die Abgabe einer Loyalitätserklärung gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber zumindest einfache Grundkenntnisse der freiheitlich demokratischen Grundordnung besitzt und den Inhalt der Loyalitätserklärung verstanden hat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgelehnt, denn der Kläger hat keinen Anspruch darauf, eingebürgert zu werden (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Denn es fehlt jedenfalls an dem erforderlichen Bekenntnis des Klägers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und an einer wirksamen sog. Loyalitätserklärung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG).

Der Zweck des Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist darin zu sehen, die Einbürgerung von Verfassungsfeinden und die daraus herrührende Gefahr für die staatliche Ordnung zu verhindern. Die persönlich abzugebende Erklärung soll dem Einbürgerungsbewerber die Notwendigkeit einer glaubhaften Hinwendung zu den Grundprinzipien der deutschen Verfassungsordnung unmittelbar vor seiner Aufnahme in den deutschen Staatsverband vor Augen führen. Deshalb werden ihm über die Erfüllung sonstiger Integrationszeichen hinaus sowohl ein aktives persönliches Bekenntnis als auch die Bestätigung eines nicht verfassungsgefährdenden Verhaltens in Vergangenheit und Gegenwart abverlangt. Hieraus soll zugleich darauf geschlossen werden, dass von ihm auch nach der Einbürgerung keine Gefahr für Bestand und Sicherheit des Staates sowie dessen Grundordnung ausgeht. Insoweit reicht ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur Erfüllung der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG nicht aus; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung muss auch inhaltlich zutreffen, stellt mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Ein Eingebürgerter wird selbst Teil der staatlichen Gemeinschaft, die er nach dem Grundsatz der Rechts- und Wahlgleichheit mitbildet und mitträgt. Daher ist es nicht nur sachgerecht, sondern geradezu geboten, die Verleihung staatsbürgerlicher Rechte von einem glaubhaften Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abhängig zu machen (vgl. Dollinger/Heusch, VBlBW 2006, 216, 220). Gleiches gilt für die zusätzlich zum Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegebene Loyalitätserklärung (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 12.12.2005 - 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484).

Daraus folgt zwingend, dass der Einbürgerungsbewerber zumindest einfache Grundkenntnisse der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besitzen und den Inhalt der von ihm abgegebenen sog. Loyalitätserklärung verstanden haben muss. Denn wenn es sich hierbei nicht nur um formale Einbürgerungsvoraussetzungen in Form eines bloßen Lippenbekenntnisses handelt, müssen das Bekenntnis und die Erklärung von einem entsprechenden Bewusstsein des Einbürgerungsbewerbers getragen sein.

Hieran fehlt es im Falle des Klägers. Auch wenn die Anforderungen an einen Einbürgerungsbewerber nicht überspannt werden dürfen, sind diese zumindest dann nicht erfüllt, wenn wie im Falle des Klägers noch nicht einmal rudimentäre Grundkenntnisse über die freiheitliche demokratische Grundordnung vorhanden sind und auch der Inhalt der sog. Loyalitätserklärung offenkundig nicht verstanden worden ist. Vor dem Verwaltungsgericht hatte der Kläger auf Frage nach dem am 24.9.2003 abgegebenen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung geantwortet, hierüber wisse er nichts; weitere Fragen des Gerichts zu beantworten hat er sich geweigert. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger eingeräumt, den Inhalt und die Bedeutung der von ihm abgegebenen sog. Loyalitätserklärung nicht verstanden zu haben. Er habe (lediglich) gewusst, dass er sich dem Land gegenüber respektvoll verhalten müsse, also loyal sein müsse gegenüber den Gesetzen, der Polizei und den Gerichten des Landes. Bei Abgabe der sog. Loyalitätserklärung habe die zuständige Beamtin ihn nicht nach deutschen Gesetzen und solchen Dingen gefragt; es habe keinen "Politiktest" gegeben. Auch derzeit besitzt der Kläger keine entsprechenden Kenntnisse. Die Frage des Vorsitzenden, was in politischer Hinsicht der Unterschied zwischen Deutschland und Sri Lanka sei, konnte er nicht beantworten. Auf die weitere Frage, ob er Grundrechte oder Menschenrechte kenne, hat er darauf verwiesen, dass man machen müsse, was einem die Gerichte, das Gesetz oder die Polizei sagten. Damit hat er indes die Bedeutung der Grundrechte grundlegend missverstanden und sogar eher in ihr Gegenteil verkehrt. Lediglich soweit er weiter angegeben hat, Mann und Frau seien gleich, hat er ansatzweise den Inhalt eines Grundrechts wiedergegeben. Eine für eine Einbürgerung ausreichende Kenntnis der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stellt dies aber offenkundig nicht dar.

Auch eine Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 StAG kommt nicht in Betracht. Nach Nr. 8.1.2.5 VwV-StAR – die über Art. 3 Abs. 1 GG das Ermessen der Behörde bindet – setzt die Ermessenseinbürgerung ebenfalls ein wirksames Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine entsprechende Erklärung voraus.