VG Augsburg

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Zitieren als:
VG Augsburg, Urteil vom 19.02.2008 - Au 1 K 07.1280 - asyl.net: M13080
https://www.asyl.net/rsdb/M13080
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Studium, Studenten, Studienfachwechsel, Auflage, atypischer Ausnahmefall
Normen: AufenthG § 16 Abs. 1 S. 5; AufenthG § 16 Abs. 2
Auszüge:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat nach Überzeugung des Gerichts weder einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für das Studium "Informatik und Informationswirtschaft" noch für den Studiengang "Informationsorientierte Volkswirtschaftslehre". Nach § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.

a) Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für das Studium der "Informatik und Informationswirtschaft" nach § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG kommt nicht mehr in Betracht.

Die Verlängerung ist nach dieser Vorschrift nur möglich, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Nach einer Mitteilung der Universität ... vom 24. Mai 2007 hat die Klägerin den Studiengang "Informatik und Informationswirtschaft" endgültig nicht bestanden.

b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für das nunmehr von ihr angestrebte Studium der "Informationsorientierten Volkswirtschaftslehre".

(1) Der Verlängerung steht bereits die bestandskräftig gewordene Nebenbestimmung in der Aufenthaltserlaubnis vom 9. November 2005 entgegen, wonach "ein weiterer Fachwechsel ausgeschlossen ist".

Vorliegend ist die Kammer der Auffassung, dass die Klägerin einen Fachwechsel im Sinne der Nebenbestimmung und nicht nur eine reine Schwerpunktverlagerung vornehmen möchte.

Dies ergibt sich zum einen aus den Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministerium des Innern (VAH), die zu § 16 AufenthG ergangen sind.

Danach liegt eine Schwerpunktverlagerung nur vor, wenn die betroffenen Studiengänge identisch sind (Nr. 16.2.6.1 VAH) oder die bereits in den vorangehenden Studiengängen erbrachten Semester überwiegend angerechnet werden (Nr. 16.2.6.2 VAH). Die Klägerin hat im vorangegangenen Studium der "Informatik und Informationswirtschaft" 76 Leistungspunkte von 174, die mindestens erreicht werden müssen, erworben. Hiervon können nach Auskunft der Universität ... vom 24. Mai 2007 40 Leistungspunkte für den Studiengang "Informationsorientierte Volkswirtschaftslehre" anerkannt werden. Sie könnte damit in das dritte Fachsemester des Studiengangs "Informationsorientierte Volkswirtschaftslehre" einsteigen (s. Bestätigung der Universität ... vom 31. Mai 2007). Dieser Studiengang sieht eine Regelstudienzeit von vier Semestern für das Vordiplom sowie eine Regelstudienzeit von sechs Semestern für den Bachelor vor. Der Klägerin wird somit lediglich ein Drittel der Studienzeit, die zum Erwerb des Bachelor-Abschlusses mindestens erforderlich ist, erlassen. Von einer überwiegenden Anrechnung der bislang erbrachten Semester kann deshalb nicht gesprochen werden. Die Voraussetzungen von Nr. 16.2.6.3 VAH liegen ebenfalls falls nicht vor, da das von der Klägerin bislang absolvierte Studium nicht mehr der Überbrückung diente. Dies kann allenfalls für das erste Semester im Fach "Volkswirtschaftslehre" anerkannt werden.

Auch die Universität ... geht offensichtlich davon aus, dass es sich um einen Wechsel des Studienfachs und nicht nur um eine Schwerpunktverlagerung handelt.

Darüber hinaus ist das Gericht der Auffassung, dass von einer bloßen Schwerpunktverlagerung jedenfalls dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn ein Studiengang wie im Falle der Klägerin endgültig nicht bestanden wurde und der Studierende deshalb exmatrikuliert wurde.

Damit kommt die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis schon im Hinblick auf die in der Aufenthaltserlaubnis vom 9. November 2005 enthaltene Auflage nicht mehr in Betracht (vgl. auch BayVGH vom 15.01.2008 - Az. 10 CS 07.3104). Auf die Frage, ob ein Wechsel des Studiums stets auch eine Änderung des Aufenthaltszwecks i.S.v. § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darstellt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

(2) Nach Auffassung des Gerichts steht darüber hinaus § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entgegen. Danach soll in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht.

Ein Wechsel der Studienfachrichtung stellt stets auch einen Wechsel des Aufenthaltszwecks im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG dar (BayVGH vom 21.06.2007 - Az. 24 CS 06.3454; Hamb. OVG vom 30.05.2007 - Az. 3 Bs 390/05; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005 RdNr. 17 zu § 16; Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand: Januar 2008, RdNr. 18 zu § 16).

Der Verweis des Bevollmächtigten der Klägerin auf die Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften (Stand: 30. Juni 2007), wonach ein Wechsel des Aufenthaltszwecks dann nicht vorliege, wenn weiterhin einer der Zwecke des § 16 Abs. 1 verfolgt wird, rechtfertigt nach Auffassung der Kammer keine andere Beurteilung. Das Bundesministerium des Innern hat sich den Vorschlägen des Landes Niedersachsen insoweit offensichtlich nicht angeschlossen und in Nr. 16.2.5 VAH ausdrücklich festgelegt, dass bei Änderung der Fachrichtung während des Studiums grundsätzlich ein Wechsel des Aufenthaltszwecks vorliege. Die Vorläufigen Hinweise des Bayerischen Staatsministerium des Innern (Stand: 19.12.2007) enthalten hierzu keine Aussagen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Aufenthaltszweck bei einem Wechsel des Studiengangs in den ersten 18 Monaten nach Beginn des Studiums nicht berührt (Nr. 16.2.5 Satz 2 VAH) wird. Nach diesem Zeitpunkt wird der Aufenthaltszweck nur dann nicht berührt, wenn sich durch den Studienfachwechsel die Gesamtstudiendauer um nicht mehr als 18 Monate verlängert (Nr. 6.2.5 Satz 4 VAH). Dies ist hier jedoch der Fall.

Aus der von der Klägerin vorgelegten Bestätigung der Universität ... vom 31. Mai 2007 ergibt sich, dass die Klägerin frühestens nach vier weiteren Semestern mit dem Bachelor abschließen könnte. Selbst bei Abschluss des angestrebten Studiums innerhalb der Regelstudienzeit würde deshalb die Gesamtstudiendauer um mehr als 18 Monate überschritten. Dass die Klägerin das Studium vor Ablauf der Regelstudienzeit abschließen könnte, ist weder im Hinblick auf den Verlauf ihres bisherigen Studiums noch im Hinblick darauf, dass pro Semester jeweils nur ein Teil der erforderlichen Leistungspunkte erworben werden kann, zu erwarten.

Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich exmatrikuliert ist, könnte sie erst zum Sommersemester 2008 wieder in das Studium einsteigen und – vorausgesetzt, die Regelstudienzeit wird eingehalten – dieses im Wintersemester 2009/2010 abschließen.

Vor diesem Hintergrund liegt nach Auffassung des Gerichts auch kein atypischer Regelfall vor, der eine Ausnahme von der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfordern würde. Vielmehr strebt die Klägerin nach den Gesamtumständen nach dem Scheitern des Studiums der "Informatik und Informationswirtschaft" im Grunde die Neuaufnahme eines Studiums an. Dies mag nach den einschlägigen Prüfungsordnungen der Universität ... möglich sein, ist jedoch ausländerrechtlich als die Aufnahme eines neuen Studiums zu werten. Der ursprüngliche Aufenthaltszweck ist mit der Exmatrikulation entfallen und die Klägerin begehrt nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck. In einem solchen Fall ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedoch erst dann möglich, wenn der betroffene Ausländer zunächst ausreist und anschließend mit einem Visum wieder einreist (Nr. 16.2.3 VAH).