VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 06.02.2008 - 19 CE 07.3454 - asyl.net: M13102
https://www.asyl.net/rsdb/M13102
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Ermessensduldung, vorübergehender Aufenthalt, dringende humanitäre Gründe, dringende persönliche Gründe, Eheschließung, beabsichtigte Eheschließung, Schwangerschaft
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3; BGB § 1592 Nr. 1
Auszüge:

2. Das Verwaltungsgericht hat auch den (weiteren) Hilfsantrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Form einer Abänderung des rechtskräftigen Beschlusses vom 13. April 2007 (§ 80 Abs. 7 VwGO) zu Recht abgelehnt.

Der seit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU (BGBl. I S. 1970) am 28. August 2007 geltende § 60 a Abs. 2 S. 3 AufenthG sieht vor, dass einem Ausländer Duldung erteilt werden kann, wenn u.a. dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Mit der Neuregelung soll vollziehbar ausreisepflichtigen Personen im Ermessenswege ein vorübergehender Aufenthalt ermöglicht werden, auch wenn sich der Aufenthaltszweck noch nicht zu einem rechtlichen Abschiebungshindernis nach § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG verdichtet hat und tatsächliche Abschiebungshindernisse nicht vorliegen (vgl. BT-Drucksache Nr. 16/5065, S. 187 zu Nr. 49 a = § 60 a AufenthG).

Zweifel an der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall bestehen bereits deshalb, weil der Ast. ausweislich seines Vorbringens nicht nur eine vorübergehende Anwesenheit, sondern letztlich einen Daueraufenthalt anstrebt. Jedenfalls aber ist kein Sachverhalt vorgetragen worden, auf Grund dessen dem Ast. eine vorläufige Duldung zu erteilen wäre:

Soweit sich der Ast. auf eine beabsichtigte Eheschließung beruft, ist kein dringendes Erfordernis im Sinne § 60 a Abs. 2 S. 3 AufenthG für einen vorübergehenden Aufenthalt erkennbar. Der Ast. hat keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Eheschließung zwischen ihm und Frau H. in einem absehbaren Zeitraum erfüllt wären. Tatsächlich ist Frau H. selbst noch verheiratet und der Stand eines Ehescheidungsverfahrens oder ein Scheidungstermin wurden nicht mitgeteilt, desgleichen nicht, inwieweit beim Ast. die Ehefähigkeitsvoraussetzungen erfüllt wären. Unter diesen Umständen ist dem Ast. ein Zuwarten im Ausland bis zu einer etwaigen Eheschließung ohne weiteres zuzumuten.

Soweit sich der Ast. auf eine Schutzbedürftigkeit von Frau H. beruft, ist zweifelhaft, inwieweit eine solche durch § 60 a Abs. 2 S. 3 AufenthG geschützt ist. Diese Norm knüpft primär an in der Person des Ausländers liegende Gründe wie z.B. eine vorübergehende Behandlungsbedürftigkeit oder den Abschluss einer begonnenen und bereits fortgeschrittenen Ausbildung und ähnlicher Lebenssachverhalte an. Ob sich der Tatbestand dringender humanitärer oder persönlicher Gründe auch auf die Fürsorge eines ausländischen Kindesvaters für seine schwangere deutsche Lebensgefährtin erstreckt, erscheint deshalb zumindest fraglich. Kommentierung und Rechtsprechung hierzu existieren (noch) nicht, lediglich der VGH Baden-Württemberg ist in einem Beschluss vom 13. September 2007 - Az. 11 S 1964/07 - davon ausgegangen, ohne allerdings die vorgenannte Frage zu problematisieren. Dem ausdrücklich als solchen bezeichneten Einzelfall lag jedoch ein vom vorliegenden Fall wesentlich abweichender Sachverhalt zu Grunde. Während dort ein nichtehelicher Kindesvater die Vaterschaft bereits anerkannt und mit seiner (unverheirateten) Verlobten eine Erklärung über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge nach § 1626 a BGB gegenüber dem Jugendamt abgegeben hatte, sehen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse beim Ast. gänzlich anders aus. Er ist gesetzlich weder Vater des Kindes noch wäre eine Erklärung zur Vaterschaft wirksam. Vielmehr ist gemäß § 1592 Nr. 1 BGB der derzeitige Ehemann von Frau H. Vater des Kindes; dass dieser oder sie selbst die Ehelichkeit angefochten hätten (§§ 1599 Abs. 1, 1600 BGB), trägt der Ast. selbst nicht vor. Dementsprechend könnten jegliche Rechtswirkungen einer etwaigen Vaterschaftsanerkennung des Ast. erst danach wirksam geltend gemacht werden (§ 1594 Abs. 1, 2 BGB).

Zudem ist vorliegend das Tatbestandsmerkmal einer dringlichen Erforderlichkeit für eine vorübergehende weitere Anwesenheit des Ast. nicht hinreichend dargetan: Soweit Frau H. aufgrund der ärztlich bestätigten Komplikationen ihrer Schwangerschaft Hilfe benötigt, besitzt sie einen Anspruch gemäß §§ 1360, 1361, 1610 a BGB gegenüber ihrem getrennt lebenden, gleichwohl noch unterhaltspflichtigen Ehemann bzw. gegebenenfalls vorhandenen leistungspflichtigen Versicherungsträgern oder öffentlichen Einrichtungen.