VG Mainz

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Zitieren als:
VG Mainz, Beschluss vom 22.10.2007 - 4 L 638/07.MZ - asyl.net: M13134
https://www.asyl.net/rsdb/M13134
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Verlängerung, Aufenthaltserlaubnis, Erlaubnisfiktion, Verlängerungsantrag, Schengenvisum, Kindernachzug, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Visumsverfahren, Zumutbarkeit, Glaubwürdigkeit
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 4; SDÜ Art. 19 Abs. 1; AufenthV § 39 Nr. 3; AufenthV § 39 Nr. 6; AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. September 2007 gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung in der Verfügung vom 27. September 2007 anzuordnen, ist statthaft.

Es liegt hier ein Fall nach § 81 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – vor. Der Antragsteller beantragt nämlich im Besitz eines Aufenthaltstitels die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels (bisher kurzfristiger Aufenthalt, jetzt Familienzusammenführung). Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis im Besitz eines von Spanien ausgestellten Schengen-Visums Typ C (für Aufenthalte bis zu drei Monaten). Dies berechtigte ihn nicht nur zur Durchreise (der von der Antragsgegnerin angeführte Artikel 18 SDÜ ist hier nicht einschlägig, weil kein nationales Visum für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten vorliegt), sondern auch zum Aufenthalt in Deutschland während der Geltungsdauer (vgl. Art. 19 Abs. 1 SDÜ). Dass der Antragsteller das Visum durch Täuschung über den Aufenthaltszweck erlangt hat, ist für § 81 Abs. 4 AufenthG unerheblich (vgl. zu allem: Renner, AuslR, 8. Auflage, § 6 AufenthG Rdn. 13, 16; GK-AufenthG, § 81 Rdn. 39, 40; Benassi, Rechtsfolgen der Beantragung eines Aufenthaltstitels, InfAuslR 2006, 178, 181 f.; Hess. VGH, InfAuslR 2005, 304).

Die Antragsgegnerin hat die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in rechtmäßiger Weise unter Hinweis auf den Visumszwang abgelehnt. Deshalb kommt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht in Frage (zur unstreitig fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit des Antragstellers vergl. GKAufenthG § 28 Rdn. 49).

Der Antragsteller war nicht vom Visumszwang (vgl. §§ 4, 5 Abs. 2 AufenthG) befreit.

§ 39 Nr. 3 2. Alt. AufenthV ist nicht einschlägig, da mit dem dort erwähnten Schengen-Visum offenbar nur ein von einer deutschen Auslandsvertretung erteiltes gemeint ist (vgl. den Hinweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sowie § 39 Nr. 6 AufenthV). Selbst wenn es anders wäre, wäre der Antragsteller nicht von § 39 Nr. 3 2. Alt. AufenthV begünstigt, da nach der hier bereits anzuwendenden Fassung dieser Regelung ab dem 28. August 2007 (vgl. das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 – BGBl. I S. 1970) die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sein müssten. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Voraussetzungen von § 39 Nr. 6 AufenthV lagen ebenfalls nicht vor. Der Antragsteller besaß im Zeitpunkt der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung zwar ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte und damit einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel (vgl. GK-AufenthG, § 81 Rd. 13), jedoch sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllt. Nach Lage der Dinge ist hier nur auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG einzugehen. Danach ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts) dem minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Weiter müssen für einen Anspruch im Sinne von § 39 Nr. 6 AufenthV auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG (hier mit Ausnahme von Nr. 1) vorliegen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Juli 2006, Az.: 7 B 10585/06.OVG und Beschluss vom 16. August 2006, Az.: 7 E 10845/06.OVG).

Ein Anspruch scheitert nicht daran, dass ein Ausweisungsgrund vorliegt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Über die nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG erforderliche Belehrung über die Folgen falscher Angaben bei der Beantragung eines Schengenvisums ist derzeit nichts bekannt.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt auch nicht voraus, dass der Deutsche zur Ausübung der Personensorge berechtigt ist. Allerdings verlangt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, dass die Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft (vgl. dazu § 27 Abs. 1 AufenthG) beabsichtigt und rechtlich sowie tatsächlich möglich und zu erwarten ist (vgl. GK-AufenthG § 28 Rdn. 51; Renner a.a.O § 28 AufenthG Rdn. 7; Hailbronner, AufenthG, § 28 Rdn. 6; VAH 28.1.4). Vorliegend steht die rechtliche Möglichkeit zur Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft nicht hinreichend fest.

Die Antragsgegnerin hat auch rechtmäßig nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht auf die Einhaltung der Visumspflicht verzichtet. Es fehlt bereits an den Voraussetzungen, unter denen ein ermessensweiser Verzicht möglich wäre.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von der Einhaltung der Visumspflicht abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen.

Wie bereits dargelegt, sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt.

Dem Antragsteller ist es aber auch nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles unzumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen.