VG Mainz

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Zitieren als:
VG Mainz, Beschluss vom 13.02.2008 - 4 L 24/08.MZ - asyl.net: M13136
https://www.asyl.net/rsdb/M13136
Leitsatz:
Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, HIV/Aids, Indonesien, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Gefahr für die Allgemeinheit, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 25 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Antragstellerin hat zutreffend einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Sie kann sich nämlich auf § 81 Abs. 4 AufenthG berufen.

Die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen.

Ob ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt ist zurzeit nicht abschließend zu beurteilen.

Bei einer allgemeinen Infektionsrate mit HIV/AIDS in Indonesien von 0,1 Prozent (vgl. die Internetseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; dort den Beitrag "Mit Social Marketing gegen HIV/AIDS") liegt kein Fall nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG vor (vgl. dazu BVerwG AuAS 1998, Seite 243). Es geht hier nicht um eine Gefahr, der eine Bevölkerungsgruppe, der die Antragstellerin angehört, allgemein ausgesetzt ist.

Aufgrund der seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge erteilten amtlichen Auskunft sowie der ebenfalls übermittelten Antwort der Deutschen Botschaft Jakarta an das Bundesamt ist davon auszugehen, dass AIDS-Erkrankungen in Indonesien grundsätzlich ausreichend behandelbar sind und zwar auch wie im vorliegenden Fall im Stadium C 3 (vgl. dazu auch die amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. Dezember 2006 an das Bundesamt, in der es heißt, dass zur Frage, ob AIDS in Indonesien behandelt werden könne, der Regionalarzt des Auswärtigen Amtes, der seinen Dienstsitz in Jakarta habe, folgende Stellungnahme abgegeben habe: Grundsätzlich gelte, dass eine HIV-Infektion mit einer antiviralen Kombinationstherapie in Indonesien ohne weiteres zu behandeln sei). Kliniken, die eine entsprechende Behandlung durchführen, gibt es danach auch in der Nähe der Heimatstadt der Antragstellerin Bandung, die in der Nähe von Jakarta liegt. Die Medikamente sind kostenfrei, ebenso die allgemeinen Laborkosten bezüglich Blutbild und Leberwerte. Nicht kostenfrei sind Untersuchungen bezüglich der Viruslast (ca. 80,00 Euro) und CD 4 (ca. 10,00 Euro). Bezüglich einer zerebralreaktiven Toxoplasmose sowie einer Hepatitisinfektion entsprächen die Behandlungsmöglichkeiten denen in Deutschland.

Allerdings kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass in Indonesien jedes erforderliche Medikament zur Verfügung steht. Das Bundesamt hat die Botschaft Jakarta entsprechend der im Arztbrief vom 21. Juli 2006 angegebenen Medikation nur gefragt, ob eine antiretrovirale Therapie mit Caletra und Combivir möglich sei. Dies wurde bejaht. Aus der mit dem vorliegenden Antrag vorgelegten Bescheinigung einer Klinik in Bandung ergibt sich, dass offenbar noch eine Reihe weiterer Präparate im Land zur Verfügung steht. Allerdings sind im Attest des behandelnden Arztes Dr. B. ... vom 24. August 2007 3 (von 4) Medikamente angegeben, die weder vom Bundesamt nachgefragt noch im Attest der Klinik in Bandung erwähnt wurden. Über die Medikamente, die die Antragstellerin nach der derzeit laufenden Umstellung der Therapie (vgl. das Attest vom 08. Januar 2008) in der Zukunft braucht, ist nichts bekannt. Da sie noch nicht feststehen, kann auch nicht gesagt werden, ob sie in Indonesien verfügbar sind. Es kommt noch hinzu, dass einzelne Präparate wegen Unverträglichkeit möglicherweise nicht verwendbar sind, wenn bei der Antragstellerin ein Leberschaden (vgl. dazu den Arztbrief vom 21. Juli 2006) vorliegt. Aus allem ergibt sich die in der Beschlussformel ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin, vor einer Abschiebung der Antragstellerin die Verfügbarkeit der für sie persönlich erforderlichen Medikamente zu erfragen.

Darüber hinaus setzt die Kammer eine Abschiebung der Antragstellerin vor dem 1. Juni 2008 uneingeschränkt aus. Grund dafür ist der im Attest des behandelnden Arztes Dr. B. ... vom 8. Januar 2008 geschilderte derzeitige Rückfall. Bis zu einer stabilen ausreichenden Erhöhung der Helferzellen ist das Infektionsrisiko eines Wechsels nach Indonesien nach jahrelangem Aufenthalt in Europa unzumutbar (vgl. zum Maßstab BVerwG, InfAuslR 2006, Seite 485).

Eine Abschiebung der Antragstellerin nach Indonesien ist nicht deshalb auszuschließen, weil sie die Kosten einer erforderlichen Behandlung nicht aufbringen könnte (vgl. dazu BVerwG, DVBl 2003, Seite 463; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2003, Az.: 10 A 10168/03.OVG; Bay. VGH, AuAS 2007, Seite 118; Hess. VGH, AuAS 2004, Seite 20). Selbst wenn aufgrund der mit Schriftsatz vom 31. Januar 2008 vorgelegten Aufstellung über das Familieneinkommen anzunehmen wäre, dass pro Jahr für die gesamte aus sechs Personen bestehende Familie nur ein Gegenwert von 513,00 Euro für den Lebensunterhalt und ärztliche Behandlung zur Verfügung steht, so wäre davon auszugehen, dass die anfallenden Laborkosten von 360,00 Euro pro Jahr für vier Bestimmungen der Viruslast und CD 4 (vgl. dazu die von der Botschaft Jakarta unter dem 19. März 2007 mitgeteilten Beträge) seitens der Tante Maria ... getragen würden, die sich verpflichtet hat, den Studienaufenthalt der Antragstellerin in Deutschland bis zum Abschluss zu bezahlen, dessen Kosten weit höher wären.

Obwohl es bei dieser Sachlage nicht mehr darauf ankommt, sei vorsorglich noch angemerkt, dass allein die Erkrankung der Antragstellerin keine Gefahr für die Allgemeinheit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. d AufenthG darstellt und ein Ausnahmefall von der Regelerteilung (soll) unter Umständen dann anzunehmen wäre, wenn es tragfähige Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die Erkrankung der Antragstellerin ihr schon in Indonesien bekannt war und sie insoweit bei der Visumsbeantragung falsche Angaben gemacht hat (auf die entsprechende Frage der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 an den Verfahrensbevollmächtigten liegt bis heute keine Antwort vor). Was die Sicherung des Lebensunterhalts angeht ist auf § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hinzuweisen.