VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 24.10.2007 - 5 K 3110/07.A - asyl.net: M13142
https://www.asyl.net/rsdb/M13142
Leitsatz:
Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Stoffwechselerkrankung, Infektionsgefahr, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Klage ist begründet.

Es kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1969 ff) beansprucht werden. Im Falle der Abschiebung in den Kongo bestünde für den Kläger die individuelle, d.h. sich aus persönlichen Gründen ergebende Gefahr, dass sich sein Gesundheitszustand im Heimatland wesentlich verschlechtern würde (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 29. Juli 1999 - 9 C 2.99 -, und vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 -; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A - und vom 10. Januar 2007 - 13 A 1138104.A -).

In den im Verlaufe des Antrags bzw. Klageverfahrens vorgelegten kinderärztlichen Attestes des Dr. ... ist der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenasernangel im einzelnen beschrieben. Im Falle der Nichtbeachtung der ärztlichen Empfehlungen betreffend Einnahme bzw. Vermeidung bestimmter Medikamente und Nahrungsmittel drohen durchaus erhebliche Gesundheitsschäden, zumal stets die Gefahr besteht, dass der Kläger bestimmte Infekte, etwa fiebriger Art, erleidet. Die damit gegebene Gefahr kann keineswegs als lediglich abstrakt bezeichnet werden. Denn die Situation der Einschränkung der Infektabwehr durch bestimmte Krankheiten ist in einem Land wie der Demokratischen Republik Kongo mit seinen schwierigen wirtschaftlichen und hygienischen Verhältnissen - es gibt kaum Trinkwasser, welches diese Bezeichnung verdient - durchaus naheliegend. Der beschriebene Enzymmangel des Klägers ist geeignet, bei bestimmten Infektionen, Medikamenten und Nahrungsmitteln eine Hämolyse - Auflösung der roten Blutkörperchen - zu bewirken. Unter den in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Normalbedingungen führt er nicht zu ernsthaften Krankheitserscheinungen, vielmehr kann ihm regelmäßig bereits wirksam durch eine entsprechende Ernährung (insbesondere durch Vermeidung bestimmter Hülsenfrüchte) und frühzeitige Behandlung von Infektionen mit den verträglichen Medikamenten begegnet werden. Es mag sein, dass es in Kinshasa mehrere Apotheken mit Malariamedikamenten gibt, welche die unverträglichen Substanzen nicht enthalten (S. 5 des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 17. Oktober 2007). Dennoch ist angesichts des weiterhin katastrophalen Zustandes der Gesundheitsversorgung im Kongo (vgl. jüngster Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2006, S. 17 ff) nicht hinreichend gesichert, dass die betreffenden Apotheken ständig und in ausreichender Menge entsprechende Präparate vorhalten. Zu den Infektionen, die besonderes geeignet sind, eine Hämolyse zu verursachen, zählen bestimmte Hepathiden, Atemwegserkrankungen, septische Erkrankungen. Die schlechte Gesundheitsversorgung im Kongo mit Medikamenten und dergleichen läßt es nicht als gesichert erscheinen, dass bei auftretenden Komplikationen eine schnelle und wirksame Hilfe stattfinden kann (vgl. zur Gesundheitsproblematik beim Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 28. April 2003 -3A3217101-).

Da das Abschiebungshindernis bereits in unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob wegen der allgemeinen schwierigen Versorgungslage im Kongo eine "extreme Gefahrenlage" besteht, welche die an sich gegebene Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n.F. durchbrechen würde.