VG Kassel

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Zitieren als:
VG Kassel, Beschluss vom 24.04.2008 - 7 L 599/08.KS.A - asyl.net: M13155
https://www.asyl.net/rsdb/M13155
Leitsatz:

Keine getrennte Abschiebung von Familienangehörigen ins Kosovo und nach Serbien, auch wenn die Familie danach im Kosovo wieder zusammengeführt werden soll, wenn dadurch ein Abschiebungsstopp umgangen wird (hier: Roma aus Kosovo).

 

Schlagwörter: D (A), Serbien, Kosovo, Roma, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Abschiebungsstopp, Erlasslage, Schutz von Ehe und Familie, Abschiebung, abgelehnte Asylbewerber
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1; EMRK Art. 8; AsylVfG § 43 Abs. 3
Auszüge:

Keine getrennte Abschiebung von Familienangehörigen ins Kosovo und nach Serbien, auch wenn die Familie danach im Kosovo wieder zusammengeführt werden soll, wenn dadurch ein Abschiebungsstopp umgangen wird (hier: Roma aus Kosovo).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die heute für 14.50 Uhr vorgesehene Abschiebung des Antragstellers zu 1. nach Belgrad/Serbien zu unterlassen und eingeleitete Abschiebemaßnahmen einzustellen.

Zwar sind beide Antragsteller aufgrund einer bestandskräftigen asylrechtlichen Abschiebungsandrohung vollziehbar ausreisepflichtig, und sie dürften auch nicht ausschließlich nur - wie angedroht - in den Kosovo abgeschoben werden. Vielmehr kann ein Ausländer auch in jedes andere Land abgeschoben werden, das zu seiner Aufnahme - wie hier Serbien - bereit ist.

Allerdings verstößt die geplante Abschiebung des Antragstellers zu 1. gegen Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK. Denn er wird von seiner Ehefrau bis auf Weiteres getrennt, da diese weder nach Serbien abgeschoben werden noch freiwillig dahin ausreisen kann.

Soweit mit Hilfe der Deutschen Botschaft in Belgrad einerseits und einem in Deutschland verbleibenden Sohn der Ehefrau des Antragstellers zu 1. geplant ist, die Ehepartner in Pristina/Kosovo zusammen zu bringen, damit sie dort zusammen leben können, bedeutet dies eine Umgehung der immer noch gültigen Erlasslage, wonach in den Kosovo keine Roma abgeschoben werden sollen. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob das Vorhaben gelingt und ob der Antragsteller zu 1. und seine Ehefrau letztlich mit dieser Verfahrensweise "einverstanden" sind. Aufgrund der durch den Erlass eingetretene Selbstbindung der Verwaltung bzw. des Antragsgegners ist jedenfalls aus rechtlichen Gründen diese Vorgehensweise nicht zulässig.

Der Antragsgegner kann sich für eine zulässige (vorübergehende) Trennung der Ehepartner auch nicht auf die Vorschrift des § 43 Abs. 3 AsylVfG berufen, wonach es der Ausländerbehörde lediglich möglich sein soll; sie aber nicht dazu verpflichtet sei, eine gemeinsame Abschiebung von Eheleuten und ggf. gemeinsamen Kindern vorzunehmen. Im vorliegenden Fall jedenfalls, in dem eine Abschiebung der Eheleute zusammen nach Serbien rechtlich nicht möglich ist, würde ansonsten die erwähnte Erlasslage umgangen.