OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 24.04.2008 - 2 B 199/08 - asyl.net: M13226
https://www.asyl.net/rsdb/M13226
Leitsatz:

Allein die Tatsache, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer Vater eines ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen ist, führt nicht zwingend zu einem Abschiebungshindernis wegen des Schutzes der Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Schutz von Ehe und Familie, deutsche Kinder, Eltern-Kind-Verhältnis, nichteheliche Kinder, Vater, beabsichtigte Eheschließung, Schwangerschaft, Zumutbarkeit, Visumsverfahren, Kosovo, Kosovaren, Ermessensduldung, dringende persönliche Gründe, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 2; GG Art. 1 Abs. 1; EMRK Art. 8
Auszüge:

Allein die Tatsache, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer Vater eines ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen ist, führt nicht zwingend zu einem Abschiebungshindernis wegen des Schutzes der Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.4.2008 - 10 L 402/08 - muss erfolglos bleiben. Auch nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens kann nicht vom Bestehen eines auf die vorläufige Untersagung von Abschiebungsmaßnahmen gerichteten Anordnungsanspruchs (§ 123 Abs. 1 VwGO) ausgegangen werden. Ein rechtliches Abschiebungshindernis (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ergibt sich – wie in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend ausgeführt – auch mit Blick auf den grundrechtlich verankerten Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) nicht aus dem nunmehr allein noch geltend gemachten Umstand, dass der Antragsteller nach seinen Angaben Erzeuger des ungeborenen Kindes seiner derzeitigen Lebensgefährtin ... ist, die im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats entfaltet eine nichteheliche Vaterschaft des Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen für sich genommen ebenfalls noch keine aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen in Ansehung des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG oder der Pflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 1 Abs. 1 GG, sich schützend vor das ungeborene Leben (nasciturus) zu stellen (vgl. grundlegend OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 25.3.1993 - 3 W 9/93 - und vom 25.2.1991 - 3 W 20/91 -, beide in juris). Sie schließt daher die Beendigung des Aufenthalts des werdenden Vaters – heute über § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG – nicht per se aus. Daran ist auch angesichts der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des OVG Bautzen (vgl. OVG Bautzen, Beschlüsse vom 15.9.2006 - 3 BS 189/06 -, InfAuslR 2006, 446 ff., dort unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 25.1.2006 - 3 BS 274/05 -, NVwZ 2006, 613, dort allerdings auch zum Fall einer Risikoschwangerschaft) und auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur aufenthaltsrechtlichen Bedeutung der durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Beziehung von Vätern zu ihren (geborenen) Kindern, insbesondere Kleinkindern (vgl. hierzu aus der jüngeren Rechtsprechung etwa BVerfG, Beschlüsse vom 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682, und vom 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122 ff.) estzuhalten. Auch nach der genannten obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings nicht von einem generellen Aufenthaltsrecht des werdenden Vaters während der Schwangerschaft auszugehen, sondern lediglich von der Verpflichtung der Ausländerbehörde, bei aufenthaltsbeendenden Entscheidungen ihm gegenüber im Einzelfall zu bewertende vorfamiliäre Bindungen dem jeweiligen Fall angemessen zu berücksichtigen.

Die aus den Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitende Schutzpflicht gebietet die Anerkennung von die Ausländerbehörde bindenden "Vorwirkungen" bei der aufenthaltsrechtlichen Behandlung werdender Väter nicht generell, sondern nur in den Einzelfällen, in denen sich aus besonderen Umständen ergibt, dass die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des Betroffenen eine Verletzung von Rechtspositionen der zurückbleibenden Mutter und insbesondere des ungeborenen Kindes konkret befürchten lässt.

Davon kann hier nach Aktenlage nicht ausgegangen werden, so dass auch für den Antragsgegner gegenwärtig auch keine durch Tatsachen begründete Veranlassung besteht, die Lebensgefährtin des Antragstellers einer amtsärztlichen Untersuchung zuzuführen. Insbesondere lässt sich entgegen der Behauptung des Antragstellers nach den vorgelegten Unterlagen nicht feststellen, dass bei Frau ..., die sich sicher psychisch in einer durch die Ereignisse angespannten Situation befindet, eine "Risikoschwangerschaft" besteht.

Auch eine dauerhafte Entziehung grundrechllich geschützter Positionen des Antragstellers infolge der für den morgigen Tag vorgesehenen Abschiebung, etwa in Form einer endgültigen Vereitelung der Möglichkeit zum Aufbau emotionaler Bindungen mit dem noch nicht geborenen Kind, lässt sich nicht feststellen. Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass der werdenden Mutter als deutscher Staatsangehöriger ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zugemutet werden kann. Der errechnete Geburtstermin liegt im Oktober 2008, also erst fast in einem halben Jahr. Von daher ist dem Antragsteller auch vor dem Hintergrund der Gewährleistungen des Art. 6 GG derzeit ohne weiteres zuzumuten, die beabsichtigte Eheschließung mit Frau ... und die spätere Herstellung der Lebensgemeinschaft mit dem noch ungeborenen Kind vom Heimatland aus zu betreiben, ohne dass nach gegenwärtigem Erkenntnisstand insoweit bleibende rechtliche Nachteile oder gar Schäden zu besorgen wären (ebenso etwa VGH München, Beschluss vom 1.2.2006 - 24 CE 06.265 -, bei juris). Ihm insoweit zustehende Ansprüche hätte der Antragsteller – wie bereits vom Verwaltungsgericht ausgeführt – gegebenenfalls gegenüber den zuständigen Behörden seines Heimatlandes beziehungsweise der Bundesrepublik geltend zu machen. Schlechterdings nicht ausräumbare Hindernisse sind nicht glaubhaft gemacht. Vorgetragene Schwierigkeiten in dem erst seit kurzem selbständigen Heimatland Kosovo sind zwar nachvollziehbar, rechtfertigen aber noch keine abweichende Beurteilung, das heißt die Bejahung eines Bleiberechts des Antragstellers zum gegenwärtigen Zeitpunkt.