FG Baden-Württemberg

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Zitieren als:
FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.04.2008 - 4 K 2784/07 - asyl.net: M13255
https://www.asyl.net/rsdb/M13255
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Duldung, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, Mazedonier, deutsch-jugoslawisches Sozialabkommen, deutsch-mazedonisches Sozialabkommen
Normen: EStG § 62 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Bewilligung von PKH war abzulehnen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Ast bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung). Der Ast hat einen Anspruch auf Kindergeld weder nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) noch nach zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Mazedonien geltenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Auch auf einen zu seinen Gunsten wirkenden Vertrauenstatbestand kann er sich nicht berufen.

1. Als lediglich geduldeter Ausländer kann der Ast die Zahlung von Kindergeld – ungeachtet dessen, ob er eine ihm gestattete Erwerbstätigkeit ausübt oder nicht – nicht beanspruchen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz selbst und aus der dazu ergangenen, mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).

b) Wie der BFH in seinem Grundsatzurteil vom 15. März 2007 III R 93/03 (BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234) sowie in der Parallelentscheidung vom gleichen Tage III R 54/05 (BFH/NV 2007, 1298) entschieden hat, haben Ausländer, die sich – wie der Ast – im Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung im Inland aufhalten, auch nach der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 – AuslAnsprG – (BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) keinen Anspruch auf Kindergeld. Mit den beiden zur Veröffentlichung in BFHE bestimmten Urteilen vom 22. November 2007 III R 54/02 (BFH/NV 2008, 457) und III R 60/99 (juris) hat der BFH zudem bekräftigt, dass er an dieser Auffassung auch nach erneuter Prüfung unter Einbeziehung der hiervon abweichenden Entscheidungen des FG Köln vom 9. Mai 2007 10 K 983/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1254, Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 43/07) und 10 K 1690/07 (EFG 2007, 1247, konkretes Normenkontrollverfahren anhängig beim Bundesverfassungsgericht – BVerfG – unter dem Az. 2 BvL 4/07) festhält, weil diese Entscheidungen insoweit keine neuen Gesichtspunkte enthalten (gleicher Ansicht z. B.: Urteil des FG München vom 5. Dezember 2007 9 K 3691/07, juris). Aus diesem Grunde hat der BFH mit Beschlüssen vom 25. Juli 2007 III S 10/07 (PKH) (BFH/NV 2007, 2266) und vom 15. November 2007 III S 15/07 (PKH) (juris) die Anträge von – wie der Ast – hinsichtlich ihres Aufenthalts in Deutschland lediglich geduldeten (Revisions-) Klägern auf Bewilligung von PKH für Verfahren wegen Kindergeld abgelehnt.

c) Der beschließende Senat folgt dieser Rechtsprechung des BFH. Danach kommt der Klage des Ast nicht schon im Hinblick auf die beim BVerfG anhängigen Verfahren der konkreten Normenkontrolle 2 BvL 3/07 und 2 BvL 4/07 (ersteres aufgrund des Vorlagebeschlusses des FG Köln vom 9. Mai 2007 10 K 1689/07, juris) hinreichende Aussicht auf Erfolg zu. Denn die dem BVerfG vorgelegte Frage, ob § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des AuslAnsprG insoweit mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist, als die Gewährung von Kindergeld im Falle eines gestatteten oder geduldeten Aufenthalts aus humanitären Gründen von über drei Jahren noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c und Nr. 3 EStG), ist höchstrichterlich durch die Urteile des BFH in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234, in BFH/NV 2007, 1298 (jeweils unter II.4.b) und in BFH/NV 2008, 457 (unter II.3.a) bereits entschieden. Dort hat der BFH im Einzelnen auch ausgeführt, aus welchen Gründen die Nichtgewährung von Kindergeld für geduldete Ausländer, auch wenn sie sich wie der Ast über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und erwerbstätig sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Daneben steht auch der Beschluss des BVerfG vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) zur Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2353) dem Ausschluss der nur geduldeten Ausländer vom Kindergeld in § 62 Abs. 2 EStG nicht entgegen.

Zwar sind die Rechtsgrundsätze dieser Entscheidung auch als Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 62 Abs. 2 EStG heranzuziehen. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber ausschließlich die Nichtgewährung von Kindergeld für Ausländer, die nicht über eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung, sondern nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügten. Das BVerfG hat insoweit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, als die Gewährung des Kindergeldes allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing. Mit der dem Streitfall zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob ein nur geduldeter Ausländer ohne jeden Aufenthaltstitel vom Kindergeld ausgeschlossen werden darf, hat sich das BVerfG hingegen nicht befasst (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234, und in BFH/NV 2007, 1298, jeweils unter II.4.a).

2. Der Klage kommt auch nicht im Hinblick darauf eine hinreichende Erfolgsaussicht zu, als der Ast als mazedonischer Staatsangehöriger aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen einen Anspruch auf Kindergeld geltend machen könnte.

a) Zwar bestand für Staatsangehörige der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ein Anspruch auf Kindergeld nach Art. 28 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (SozSichAbk Jugoslawien) vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, 1438), geändert durch Art. 2 des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975, 390), wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt waren. Dies galt – ungeachtet des insoweit anderslautenden Abkommenstextes – auch dann, wenn sich die Kinder nicht in dem anderen Vertragsstaat Jugoslawien aufhielten, sondern in Deutschland als dem Vertragsstaat, in dem der Anspruchsteller beschäftigt war (Urteil des Niedersächsischen FG vom 31. Januar 2008 16 K 343/07, juris; inzident auch BFH-Entscheidungen vom 4. November 2002 VIII B 131/02, BFH/NV 2003, 168, vom 9. Juli 2003 VIII B 98/03, BFH/NV 2003, 1423, und vom 22. November 2007 III R 63/04, juris, unter II.5.).

Auch fanden die Bestimmungen des Abkommens auf mazedonische Staatsangehörige auch nach der Abspaltung der Republik Mazedonien von der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien im Jahre 1991 zunächst weiter Anwendung (Urteile des Bundessozialgerichts – BSG – vom 16. Dezember 1999 B 14 KG 1/99 R, BSGE 85, 240, und des FG Münster vom 24. April 2007 15 K 3830/04 Kg, EFG 2007, 1700, unter I.; für Bosnien und Herzegowina nunmehr zweifelnd BSG-Beschluss vom 23. Mai 2006 B 13 RJ 17/05 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2007, 227, Az. des BVerfG: 2 BvR 3/06; offengelassen im BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 457, unter II.5.). Durch Notenwechsel vom 16. Dezember 1993 war zwischen der Bundesregierung und der mazedonischen Regierung zudem vereinbart worden, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geschlossenen bilateralen Verträge im Verhältnis zwischen Deutschland und Mazedonien solange weiter anzuwenden, bis beide Seiten etwas Abweichendes vereinbaren (vgl. die Bekanntmachung des Auswärtigen Amts vom 26. Januar 1994, BGBl II 1994, 326). Von der Fortgeltung des SozSichAbk Jugoslawien im Verhältnis zur Republik Mazedonien und von der sich daraus ergebenden Kindergeldberechtigung mazedonischer Staatsangehöriger ging zunächst auch die Verwaltung aus (vgl. zuletzt Bundesamt für Finanzen – BfF –, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA FamEStG –, BStBl I 2004, 743, zu DA 62.4.3 Satz 5).

b) Indessen ist das SozSichAbk Jugoslawien einschließlich des Änderungsabkommens hierzu vom 30. September 1974 gemäß Art. 42 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der mazedonischen Regierung über Soziale Sicherheit (SozSichAbk Mazedonien) vom 8. Juli 2003 (BGBl II 2004, 1068) im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsparteien mit Wirkung zum 1. Januar 2005 außer Kraft getreten (vgl. die Bekanntmachung des Auswärtigen Amts vom 30. Dezember 2004, BGBl II 2005, 95). Dem SozSichAbk Jugoslawien vergleichbare Ansprüche auf Kindergeld enthält das SozSichAbk Mazedonien, das sich nach dessen Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 ausschließlich auf die deutschen Rechtsvorschriften über Kranken-, Unfall-, Renten- und hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung sowie die Alterssicherung der Landwirte bezieht, nicht mehr. Zugleich erhellt aus Ziff. 14 des Schlussprotokolls zum SozSichAbk Mazedonien, das nach dessen Art. 43 Bestandteil des Abkommens ist, dass sich die beiden Vertragsparteien des Umstandes, dass durch Art. 42 SozSichAbk Mazedonien bisher bestehende Ansprüche auf Kindergeld beseitigt werden, durchaus bewusst gewesen sind.