VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 26.03.2008 - 7 D 575/08 - asyl.net: M13303
https://www.asyl.net/rsdb/M13303
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Prozesskostenhilfe, Beurteilungszeitpunkt, Rückwirkung, Erledigung
Normen: ZPO § 114; VwGO § 166
Auszüge:

Prozesskostenhilfe ist dem Kläger gemäß § 114 ZPO i. V. m. § 166 VwGO zu gewähren, da der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, und im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs vom Kläger eine Rechtsverfolgung beabsichtigt gewesen ist, die hinreichende Erfolgsaussicht geboten und sich nicht als mutwillig dargestellt hat.

a. Der aus dem Tenor ersichtlichen rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass die Beteiligten den Rechtsstreit, für dessen Durchführung der Kläger Prozesskostenhilfe begehrt, bereits übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

In Übereinstimmung mit dem Charakter der Prozesskostenhilfe als spezialgesetzliche Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1973 1 BvR 153/69 - BVerfGE 35, 348, 355) verlangt § 114 ZPO allerdings grundsätzlich noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch einen prozessualen Bedarf in Gestalt einer beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung. Prinzipiell scheidet mithin eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Instanz von vornherein aus, was uneingeschränkt für erst nach Abschluss der Instanz gestellte Prozesskostenhilfeanträge gilt.

Vom grundsätzlichen Erfordernis der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Zeitpunkt der gerichtlichen Prozesskostenhilfeentscheidung ist indes eine Ausnahme zu machen, wenn – wie hier – das Gericht vor Abschluss der Instanz eine Entscheidung über ein entscheidungsreifes Prozesskostenhilfegesuch objektiv pflichtwidrig unterlassen hat. In einem solchen Fall kommt auch nach Abschluss der Instanz eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife – ggf. auf einen nach diesem, aber vor Instanzende liegenden Zeitpunkt der Bewilligungsreife, der eingetreten ist, weil sich die Erfolgsaussichten zwischenzeitlich zu Gunsten des Antragstellers verändert haben – in Betracht (vgl. zu Vorstehendem: BGH, Beschluss vom 30. September 1981 - IVb ZR 694/80 - NJW 1982, 446; BVerwG, Beschluss vom 3. März 1998 - BVerwG 1 PKH 3.98 - juris; Senatsbeschluss vom 26. April 1995 - 7 TP 3419/94 -; Hess. VGH, Beschlüsse vom 28. Juni 1991 - 6 TP 1065/91 - NVwZ-RR 1992, 220, und vom 21. August 2007 - 11 TP 1305/07 - ; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 166 Rdnr. 33; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 166 Rdnr. 43 ff.; jeweils m.w.N.).