VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 19.03.2008 - AN 14 K 05.31454 - asyl.net: M13307
https://www.asyl.net/rsdb/M13307
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen Verfolgungsgefahr in China aufgrund von Engagement für die Unabhängigkeit Tibets.

 

Schlagwörter: China, Tibeter, Separatisten, Oppositionelle, Glaubwürdigkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung wegen Verfolgungsgefahr in China aufgrund von Engagement für die Unabhängigkeit Tibets.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, im vorliegenden Falle gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG anzuwenden in der durch das Gesetz vom 19. August 2007 – Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1970 – gefundenen Fassung. Die Klägerin hat – insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2006 auf die Fragen des Gerichts hin – in glaubwürdiger Weise dargelegt, dass sie sich vor ihrer Ausreise aus China im Sinne ihrer gefestigten politischen Überzeugung für die Unabhängigkeit der Tibeter gegenüber dem chinesischen Staat eingesetzt hat.

Soweit in der Stellungnahme des Prof. ... vom 11. Februar 2007 Einzelheiten der klägerischen Schilderung aufgegriffen und als ungewöhnlich eingestuft werden, misst das Gericht dem weniger Beachtung bei. Gewisse Unschärfen in der Schilderung geographischer Einzelheiten können der Klägerin nicht entgegengehalten werden; insbesondere auf Grund der Schwierigkeit der Transkription chinesischer Ortsnamen in die lateinische Schrift erscheint es nahezu unmöglich, insoweit genaue und exakte Aussagen von chinesischen Asylbewerbern zu verlangen. Soweit Prof. ... hinsichtlich der von der Klägerin geschilderten Verhängung von Sanktionen leise Zweifel äußert, geht das Gericht davon aus, dass entweder die Klägerin als Laiin auf verwaltungstechnischem und strafprozessualem Gebiet die Verfahrensabläufe der ihr gegenüber ergriffenen Sanktionen nicht in vollem Umfange begreifen konnte oder aber – wie es in diktatorischen Staaten wie China nicht ausgeschlossen werden kann – in der Provinz von den dortigen Behörden Verfahrensweisen durchgeführt werden, bei denen man sich nicht immer an die schriftlich niedergelegten Verfahrensvorschriften hält.

Als Person, welche sich in China aktiv für eine stärkere Beachtung der Rechte der Tibeter eingesetzt hat und die dies zu ihrer politischen, nach außen hin geäußerten Überzeugung gemacht hat, ist die Klägerin bei derzeitiger Rückkehr nach Tibet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gefährdet, Maßnahmen hinnehmen zu müssen, welche sich gegen ihre Freiheit, ihre Gesundheit oder ihr Leben richten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts sowohl aus den Aussagen in der Stellungnahme des Prof. ... vom 11. Februar 2007 als auch aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Oktober 2007, wonach tibetische Volkszugehörige in China mit Maßnahmen gegen Leib, Leben oder Freiheit rechnen müssen, wenn sie politisch aktiv werden und für die Unabhängigkeit Tibets von China eintreten z.B. in Form von Teilnahme an Demonstrationen, Verteilung von Flugblättern und ähnlichem Material. Sowohl aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Oktober 2007 als auch aus der Stellungnahme des Prof. ... vom 11. Februar 2007 ergeben sich hierfür Anzeichen, denn in beiden Erkenntnisquellen werden Beispielsfälle dafür genannt. Nicht zuletzt hat sich diese Gefährdung auch in der näheren Vergangenheit ergeben; so ist beispielsweise dem mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Dezember 2007 zum Gegenstand des Verfahrens erklärten Zeitungsausschnitt aus der ... vom 21. November 2007 zu entnehmen, dass in China bereits für ganz geringfügige Äußerungen politischer Art, welche eine Parteiergreifung für die Unabhängigkeit Tibets nach außen erkennbar werden lassen, erhebliche – das völkerrechtliche Übermaßverbot erheblich verletzende – Freiheitsstrafen verhängt werden. Dem in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2008 zum Gegenstand erklärten Internetauszug der Deutschen Welle vom 12. März 2008 ist zu entnehmen, dass die chinesische Polizei mit äußerster Härte gegen für die Unabhängigkeit Tibets demonstrierende Personen vorgeht und dass seitens der chinesischen Regierung derartigen Personen ein Vorgehen gegen Chinas Souveränität und territoriale Integrität unterstellt wird. Dem ist zu entnehmen, dass die Klägerin – der geglaubt werden kann, dass sie bereits als für die Unabhängigkeit Tibets eintretende Person den chinesischen Behörden bekannt ist – bei derzeitiger Rückkehr nach China Maßnahmen unterworfen werden wird, die von Inhaftierung bis zur Verletzung ihrer körperlichen Integrität reichen können und die sich gegen ihre politische Überzeugung – welche sich auf eine Unabhängigkeit Tibets von China richtet – gezielt sind. Dies wird um so mehr der Fall sein, als die Klägerin auch in Deutschland an Demonstrationen gegen die Beherrschung Tibets durch China teilnimmt, wie durch die Vorlage von Photographien insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2008 nachgewiesen wurde; dass aus den chinesischen Konsulaten heraus die Teilnehmer dieser Demonstrationen fotografiert werden, liegt auf der Hand, da dies der Vorgehensweise diktatorischer Staaten, wie es sich bei China um einen handelt, entspricht.