A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung seines Asylverfahrens zur Flüchtlingsanerkennung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, weil Wiederaufgreifensgründe (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) nicht vorliegen.
Die Möglichkeit des Bundesamtes, unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m, §§ 48, 49 VwVfG zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird, besteht nur hinsichtlich erneuter Anträge zu § 53 AuslG, nunmehr § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, nicht jedoch hinsichtlich § 60 Abs. 1 AufenthG.
Im Übrigen hat der Kläger nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch der Sache nach keinen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. zu dem Inhalt der Vorschrift und den relevanten Prüfungsmaßstäben Urteil der Kammer vom 12. März 2008 - VG 38 X 7.08 -).
Auch wenn der Kläger an beiden Tschetschenien-Kriegen als Kämpfer beteiligt gewesen sein sollte, konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass dem Kläger deswegen bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat die Gefahr einer politischen Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG droht.
Dagegen, dass der Kläger (wegen einer Beteiligung an den beiden Tschetschenien-Kriegen) bei seiner Ausreise einer individuellen politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder heute eine solche zu befürchten hätte, sprechen zahlreiche Umstände. Zum einen ist der Kläger nach der vom Bundesamt eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom Juli 2005 nicht auf der (landesweiten) föderalen Fahndungsliste der russischen Behörden aufgeführt.
Der Kläger zählt nach den ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen nicht zu der "Risikogruppe", die nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Januar 2008 (S. 26 unten) bei einer Rückführung "besondere Aufmerksamkeit" durch die russischen Behörden erfährt und die möglicherweise mit asylrelevanten Maßnahmen zu rechnen hat. Er ist weder bekannter oder prominenter Funktionär oder Parteigänger Maschadows und der "Tschetschenischen Republik Itschkeria" (vgl. hierzu Luchterhandt an den VGH Kassel vom 8. August 2007, S. 14; so auch UNHCR an den VGH Kassel vom 8. Oktober 2007, S. 5, der allerdings auch solche Personen als besonders gefährdet ansieht, die "sehr niedrige" offizielle Positionen im Regime Maschadow innehatten; hierfür werden jedoch keinerlei Belege angeführt) noch ein den russischen Sicherheitskräften bekannter Freischärler/Rebell/Widerstandskämpfer bzw. der von ihnen als solcher verdächtigt und deshalb konkret gesucht wird (vgl. hierzu Luchterhandt an den VGH Kassel vom 8. August 2007, S. 21; Reinke/Hetzer von der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 14. Juni 2007, zu Frage 4; amnesty international an den VGH Kassel vom 27. April 2007, S. 9, mit Fallbeispielen S. 11-15; siehe hierzu auch VGH München, Urteil vom 31. August 2007 - 11 B 02.31724 - Juris Rn. 68; Siegert an den VGH Kassel vom 20. April 2007, zu Frage 6; UNHCR an den VGH Kassel vom B. Oktober 2007, S. 5, spricht von "Mitgliedern illegaler, bewaffneter Formationen"; Heinrich/Lobova, Ausarbeitung vom 7. März 2006, S. 11 u. S. 17, sprechen von Angehörigen von "Terrorismusverdächtigen"). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die russischen Sicherheitskräfte den Kläger namentlich als Kämpfer identifiziert haben bzw. suchen, sind weder ersichtlich noch substanziiert vorgetragen.
Im Übrigen war der Kläger auch nur in untergeordneter Funktion am Widerstandskampf beteiligt. Es ist nicht plausibel, dass die russischen Sicherheitskräfte solche Personen in untergeordneter Funktion heute noch besonders im Blick haben sollten. Den russischen Sicherheitskräften ist (heute) daran gelegen, solcher (aktiver) Widerstandskämpfer/Rebellen habhaft zu werden, die mit neuen Aktivitäten die mühsam erreichte Stabilisierung in Tschetschenien gefährden könnten. Dies ist jedenfalls bei Teilnehmern der Tschetschenien-Kriege nicht mehr der Fall, die - wie der Kläger - nur untergeordnete Funktionen hatten und sich darüber hinaus bereits seit langer Zeit (hier mehr als sieben Jahre) im Ausland aufhalten und keine separatistischen "Aktivitäten" mehr ausüben.
Der Kläger müsste darüber hinaus bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht mehr nach Tschetschenien zurückkehren, wo möglicherweise noch eine Gefahr bestehen könnte, von ehemaligen Mitkämpfern oder Ortsansässigen als Kämpfer wieder erkannt zu werden, sondern könnte sich in der gesamten (übrigen) Russischen Föderation niederlassen. Seit Inkrafttreten der Verordnung der Regierung der Russischen Föderation Nr. 779 vom 20. Dezember 2006 kann die Ausstellung eines (Inlands-) Passes, der Voraussetzung für eine Registrierung ist, "am Wohnort, Aufenthaltsort oder dem Ort der Antragstellung" erfolgen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 13. Januar 2008, S. 28; Auskunft an das VG Köln vom 4. Dezember 2007, S. 1). Dafür, dass es für tschetschenische Volkszugehörige trotz dieser neuen Rechtslage schwierig oder gar unmöglich ist, am Ort der Antragstellung einen neuen Pass zu erhalten, gibt es keine Anhaltspunkte.
Der Kläger würde auch nicht im Hinblick auf seinen Auslandsaufenthalt und seine Asylantragstellung in das Visier der russischen Sicherheitskräfte geraten.
Der Kläger wäre schließlich auch nicht einer Verfolgung wegen seiner tschetschenischen Volkszugehörigkeit ausgesetzt. Eine (regionale) Gruppenverfolgung tschetschenischer Volkszugehöriger in Tschetschenien findet nach der Erkenntnislage gegenwärtig nicht statt (vgl. hierzu das Urteil der Kammer vom 12. März 2008, a.a.O.; ebenso VGH München, Urteil vom 31. August 2007, a.a.O., Rn. 48-73). Im Übrigen besteht für tschetschenische Volkszugehörige, die wie der Kläger nicht konkret gesucht werden, (gegenwärtig) in anderen Teilen der Russischen Föderation - jedenfalls außerhalb von Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Dagestan, Nord-Ossetien, Krasnodar und Stawropol - eine inländische Fluchtalternative, in denen sie vor Verfolgung sicher sind und ihr Existenzminimum gesichert ist (vgl. Urteil der Kammer vom 12. März 2008, a.a.O., sowie die ganz überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung: VGH München, nicht rechtskräftiges Urteil vom 31. August 2007, a.a.O., und rechtskräftiges Urteil vom 19. Juni 2006 - 11 B 02.31598 - Juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 13 LA 67/06 - Juris; VGH Mannheim, Urteil vom 25. Oktober 2006 - A 3 S 46106 - Juris, rechtskräftig mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2007 - 10 B 82.07 - Juris; OVG Saarlouis, Beschlüsse vom 12. Juli 2006 - 3 Q 101/06 - und vom 29. Juni 2006 - 3 Q 2/06 - sowie Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 R 11/03 - Juris, rechtskräftig mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2006 - 1 B 101.05 - Juris; OVG Schleswig, Urteile vom 11. August 2006 - 1 LB 125/05 - Juris, rechtskräftig mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 2006 - 1 B 204.06 - Juris, und vom 3. November 2005 - 1 LB 211/01 - Juris, rechtskräftig mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2007 - 1 B 87.06 - Juris; OVG Münster, Urteil vom 12. Juli 2005 - 11 A 2307/03.A - Juris, rechtskräftig mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2006 - 1 B 102.05 - Juris; OVG Weimar, rechtskräftiges Urteil vom 16. Dezember 2004 - 3 KO 1003/04 - Juris; VGH Kassel, Urteil vom 21. Februar 2008, a.a.O., der sogar eine "hinreichende Sicherheit" in Tschetschenien bejaht; die anderslautende obergerichtliche Rechtsprechung hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Bestand: VGH Kassel, Urteil vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A -, aufgehoben unter Zurückverweisung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Januar 2007 - 1 B 47/06 -; das Parallelurteil des VGH Kassel vom 4. Juli 2006 - 3 UE 2075/03.A - Juris ist wegen nicht hinreichender Darlegung der Divergenzrüge rechtskräftig geworden, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 B 121.06 - Juris; OVG Bremen vom 16. März 2005 - 2 A 114/03.A - Juris, aufgehoben unter Zurückverweisung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 2006 - 1 B 85.05 - Juris; OVG Magdeburg, Urteil vom 31. März 2006 - 2 L 40/06 - Juris, aufgehoben unter Zurückverweisung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Juris).
B. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Fortführung seines Asylverfahrens zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (i.V.m. Artikel 4 Abs. 4, Artikel 5 Abs. 1 und 2 und Artikel 6 bis 8 der Qualifikationsrichtlinie, die nach § 60 Abs. 11 AufenthG für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 gelten).
Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Da § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Norm der Qualifikationsrichtlinie umsetzt (vgl. BT-Drs. 16/5065 S. 187: nur Satz 2), in § 60 Abs. 11 AufenthG nicht erwähnt wird und tatbestandlich dem früheren § 53 Abs. 6 AuslG entspricht, kann weiterhin auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgestellt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2006 - 1 B 60.06 - juris). Danach sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, vorrangig bei Anordnungen der obersten Landesbehörde nach § 60 a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Solche allgemeinen Gefahren können auch dann keine Abschiebungshindernisse nach Satz 1 begründen, wenn sie den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Die Anwendbarkeit des Satz 1 im Verfahren eines einzelnen Ausländers ist vielmehr "gesperrt", wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 - BVerwGE 114, 379, 382 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dies gilt selbst dann, wenn die Gefahren durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber letztlich gleichwohl nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77, 82 zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG).
Ausländer, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die ein Abschiebestopp nicht besteht, können jedoch ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) erhalten, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 60 AufenthG (§ 53 AuslG) gegeben sind, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzen würde. Dies ist dann der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, weil er im Falle seiner Abschiebung dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde", und ein anderweitiger Schutz, der dem aufgrund eines Erlasses nach § 60 a Abs. 1 AufenthG gewährten Schutz entspricht, nicht besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001, a.a.O., S. 382 ff.). Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer individuellen Abschiebungsschutz zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998, a.a.O.).
An diesen Maßstäben hat sich weder mit dem Zuwanderungsgesetz etwas geändert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2006, a.a.O.) noch mit der Qualifikationsrichtlinie (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 8. August 2007 - A 2 S 229107 - Juris; OVG Schleswig, Beschluss vom 22. Dezember 2006 - 1 LA 125106 - Juris).
Nach diesen Maßstäben bestünde für den Kläger mit Blick auf die allgemeinen Lebensbedingungen für in der Russischen Föderation lebende Tschetschenen im Falle einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von § 60 Abs. 7 Satz 1 Auf-enthG erfasste Gefahrenlage.
Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt auch nicht wegen einer etwaigen Verschlimmerung einer bereits im Bundesgebiet bestehenden Erkrankung in Betracht. Zum einen ist das Gericht bereits nicht davon überzeugt, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankt ist. Zum anderen kann die - unterstellte - PTBS-Erkrankung des Klägers in der Russischen Föderation hinreichend behandelt werden, und die Gefahr einer Retraumatisierung ist nicht beachtlich wahrscheinlich.
Nach der Auskunft von Dr. ... an die Deutsche Botschaft Moskau vom 25. August 2004 ist ein depressives Syndrom (bei PTSD) in der Russischen Föderation zumindest in den großen Städten und in einigen psychiatrischen therapeutischen Einrichtungen behandelbar. In der Auskunft vom 20. August 2004 an das VG Minden teilt das Auswärtige Amt mit, dass eine PTBS in der Russischen Föderation in jeder großen Stadt prinzipiell behandelbar ist. Nach Registrierung an einem Ort und Aushändigung der damit verbundenen Versicherungskarte besteht ein Anspruch auf kostenfreie Behandlung. Die regionalen ambulanten Psychiater spezieller Polikliniken leiten die Behandlung ein und weisen Betroffene bei Bedarf in spezielle Krankenhäuser ein. Zuständig ist demnach die entsprechende medizinische Einrichtung des Ortes, in dem der Betroffene zuletzt registriert war. Zwar sei nicht davon auszugehen, dass eine PTBS mit der gleichen Fachkenntnis und den gleichen Methoden behandelt werde wie in Deutschland; auch sei die Qualität einer kostenlosen Behandlung abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Bei schweren Erkrankungen werde sich aber meist sofort oder zeitnah um den Patienten gekümmert; wenn die Erkrankung nicht besonders stark ausgeprägt sei, müsse zum Teil länger auf Behandlungstermine gewartet werden. Die Zeit bis zur Registrierung und damit bis zu einem Zugang zur Gesundheitsversorgung kann durch die Mitgabe entsprechender Medikamentenvorräte überbrückt werden (vgl. VGH München, Urteil vom 24. Oktober 2007 - W 8 K 02.30430 - juris Rn. 50). Immerhin ist nach dem zitierten Lagebericht vom 13. Januar 2008 die Versorgung mit Medikamenten zumindest in den Großstädten gut. Es ist auch weder ersichtlich noch substanziiert dargetan, dass der Kläger die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht erlangen könnte.