VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Beschluss vom 19.05.2008 - 11 B 1235/08 - asyl.net: M13393
https://www.asyl.net/rsdb/M13393
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Altfallregelung, Aufenthaltserlaubnis, atypischer Ausnahmefall, Lebensunterhalt, Zukunftsprognose, Verlängerung, Aufenthaltsdauer, Krankheit, psychische Erkrankung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 104a Abs. 1; AufenthG § 104a Abs. 6; AufenthG § 104a Abs. 5
Auszüge:

Das bei verständiger Würdigung (§§ 88, 122 VwGO) nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beurteilende Begehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über ihre Klage (11 A 1233/08) gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis im Bescheid des Antragsgegners vom 20. März 2008, zu dulden, ist zulässig und begründet.

Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (auf Probe) nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG haben.

Liegen diese tatbestandlichen Voraussetzungen - wie hier zu Recht unstreitig ist - vor, "soll" die Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Dies bedeutet, dass im Regelfall ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht und eine Versagung nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar.

Grundsätzlich und im Regelfall wird der Aufenthaltstitel dem Personenkreis nach § 104 a Abs. 1 AufenthG erteilt, auch wenn der Lebensunterhalt nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert ist (Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz - GK-AufenthG -, Stand: Februar 2008, § 104 a, Rn. 61). Da aber auch der Titel nach § 104 a Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 AufenthG darauf angelegt ist, in eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts zu münden (vgl. § 104 a Abs. 5 AufenthG), kann ein Ausnahmefall bejaht und bereits die erstmalige Erteilung abgelehnt werden, wenn schon zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass der Ausländer eine eigenständige Sicherung auf Dauer nicht erreichen wird und im Verlängerungsfall auch die Voraussetzungen eines Härtefalls im Sinne des Absatzes 6 nicht vorliegen werden (VGH Mannheim, Beschluss vom 16. April 2008 - 11 S 100/08 - <juris>). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5065, Seite 203) heißt es hierzu dementsprechend: ...

Bloße Zweifel genügen folglich nicht, denn das System der Legalisierung nach § 104 a AufenthG ist gerade auf Probe angelegt (Funke-Kaiser, aaO, Rn. 64), so dass eine negative Prognose nur in extremen Ausnahmefällen gerechtfertigt ist (VGH Mannheim, aaO). Ein solcher Ausnahmefall, der trotz Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis rechtfertigt, kann insoweit nur angenommen werden, wenn mit hinreichender Sicherheit absehbar ist, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis weder nach § 104 a Abs. 5 AufenthG noch nach den Härtefallvorschriften des § 104 a Abs. 6 AufenthG in Betracht kommen wird (VGH Mannheim, aaO). Nach der Gesetzesbegründung (aaO) muss "feststehen", dass eine Verlängerung nicht erfolgen kann. Demgegenüber genügen bereits begründete Anhaltspunkte, dass zukünftig keine öffentlichen Mittel mehr in Anspruch genommen werden, um einen Ausnahmefall auszuschließen.

Daran gemessen liegt hier kein solcher extremer Ausnahmefall vor, der trotz Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Versagung der Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen könnte.

Die Arbeitslosigkeit der Antragstellerin beruht im Wesentlichen auf einer psychischen Erkrankung.

Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Ungewissheit über den weiteren Verbleib in Deutschland und eine mögliche zwangsweise Aufenthaltsbeendigung eine psychische Belastung für die Antragstellerin darstellt und diese Belastung eine Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes bewirkt.

Dieser Ursachenzusammenhang bedeutet aber auch, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin einträte, wenn der Aufenthaltsstatus in der Weise geklärt wäre, dass die Antragsteller entsprechend ihrem Begehren im Klageverfahren bis zum 31. Dezember 2009, d.h. für einen relativ großen Zeitraum, eine Aufenthaltserlaubnis erhielten. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin würde wiederum einen geringeren Betreuungsbedarf und damit eine Entlastung des Antragstellers bedeuten.

Unter Berücksichtung dieser Umstände ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass der Antragsteller zukünftig - spätestens bis zum 31. Dezember 2009 - eine Beschäftigung wird aufnehmen und so ihren Lebensunterhalt überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit wird sichern können.