VGH Hessen

Merkliste
Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 14.11.2007 - 11 UE 1162/07 - asyl.net: M13438
https://www.asyl.net/rsdb/M13438
Leitsatz:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist in entsprechender Anwendung von § 73 Abs. 3 AsylVfG auch zuständig für die Abänderung von Entscheidungen, in denen das Verwaltungsgericht aufgrund inzidenter Feststellungen von Abschiebungshindernissen eine Abschiebungsandrohung aufgehoben hat (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.11.1999 - 9 C 16/99 und VGH Mannheim, Beschluss vom 27.04.2006 - 11 S 283/05).

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Widerruf, Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit, Prüfungskompetenz, Anfechtungsklage, Abschiebungsandrohung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 73 Abs. 3
Auszüge:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist in entsprechender Anwendung von § 73 Abs. 3 AsylVfG auch zuständig für die Abänderung von Entscheidungen, in denen das Verwaltungsgericht aufgrund inzidenter Feststellungen von Abschiebungshindernissen eine Abschiebungsandrohung aufgehoben hat (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.11.1999 - 9 C 16/99 und VGH Mannheim, Beschluss vom 27.04.2006 - 11 S 283/05).

(Amtlicher Leitsatz)

 

Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage auch insoweit abzuweisen, als das Verwaltungsgericht die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen hat für den Kläger zu 1. Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen. Denn für diese Feststellung ist die Beklagte - worauf die Beteiligten in der gerichtlichen Verfügung vom 31. Oktober 2007 hingewiesen worden sind - nicht zuständig. Vielmehr obliegt die Prüfung des hier geltend gemachten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dies ergibt sich aus § 73 Abs. 3 AsylVfG. Hiernach ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig für Entscheidungen über Zurücknahme oder Widerruf von Feststellungen zu § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG. Vorliegend hat zwar das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. Oktober 1999 lediglich inzident die Feststellung getroffen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG (heute: § 60 Abs. 7 AufenthG) vorliegen. Für eine Abänderung dieser Entscheidung ist jedoch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in entsprechender Anwendung von § 73 Abs. 3 AsylVfG zuständig (vgl. zu einer parallelen Konstellation wie hier auch VGH Mannheim, Beschluss vom 27.04.2006 - 11 S 283/05 - juris Rdnr. 21; siehe auch BVerwG, Urteil vom 29.11.1999 - 9 C 16.99 - juris; Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 4.01 - juris).

Der Umstand, dass in unmittelbarer Anwendung des § 73 Abs. 3 AsylVfG ein "Widerruf" deshalb nicht möglich ist, weil das Bundesamt keine positive Feststellung zu § 53 AuslG bzw. § 60 AufenthG getroffen hat, sondern vielmehr das Verwaltungsgericht (lediglich) nach inzidenter Feststellung eines Abschiebungshindernisses eine Abschiebungsandrohung aufgehoben hat, verlagert die zu treffende Prüfung und Entscheidung nicht vom Bundesamt weg (VGH Mannheim, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18.09.2001, a.a.O.). Hierfür spricht vor allem die dem Asylverfahrensgesetz zugrundeliegende Konzeption der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einerseits und den Ausländerbehörden der Länder andererseits. Diese Konzeption beruht auf dem Gedanken der besseren Sachkunde des Bundesamts für die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse.

Das Bundesamt ist auch nicht durch die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gehindert zu überprüfen, ob die getroffene Entscheidung bei Änderung der Sachlage noch Bestand haben kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.09.2001, a.a.O.). Denn die inzidente Feststellung des Verwaltungsgerichts zu Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG war nicht Gegenstand des prozessualen Anspruchs, über den rechtskräftig entschieden worden ist, sondern lediglich Begründungselement und Vorfrage der Entscheidung über die Aufhebung der Abschiebungsandrohung (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001, a.a.O., juris Rdnr. 14).