BVerfG

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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 04.12.2007 - 2 BvR 2341/06 - asyl.net: M13449
https://www.asyl.net/rsdb/M13449
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Schutz von Ehe und Familie, Eheschließung im Ausland, Visumsverfahren, Zumutbarkeit, Visum nach Einreise, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
Normen: GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2; AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2; BVerfGG § 93a
Auszüge:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>).

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. In der Versagung einer Duldung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Gerichte einen Anordnungsanspruch verneint und den ohne das erforderliche Visum in die Bundesrepublik eingereisten Beschwerdeführer auf die Durchführung des Visumsverfahrens verwiesen haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Das Grundgesetz überantwortet die Entscheidung, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll, weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt (vgl. BVerfGE 76, 1 47 f., 51 f.>; 80, 81 92>; BVerfGK 7, 49 54 f.>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Ehe zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden ehelichen Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl.BVerfGE 76, 1 49 ff.>; 80, 81 93>; BVerfGK 2, 190 193 f.>). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, DVBl 2003, S. 1260). Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es aber grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 7. November 1984 - 2 BvR 1299/84 -, NVwZ 1985, S. 260). Das Aufenthaltsgesetz trägt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG) abzusehen.

Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen sind danach nicht zu beanstanden. Das vorliegende Aufenthaltsbegehren bot der Ausländerbehörde hinreichend Anlass, auf der Einhaltung der Einreisevorschriften zu bestehen. Unter anderem gibt es im Fall des Beschwerdeführers Gründe, das Bestehen einer wirksamen Ehe und damit der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Zweifel zu ziehen. Da die Ehe in Schweden unter Verzicht auf die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses geschlossen worden ist, ist den konkreten Zweifeln der Ausländerbehörde an einer rechtswirksamen Scheidung des Beschwerdeführers von seiner indischen Ehefrau in dem dafür vorgesehenen Visumsverfahren nachzugehen. Dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Heimatland zur Nachholung des Visumsverfahrens nicht zuzumuten wäre (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative AufenthG), hat er nicht dargelegt. Insbesondere spricht nichts für eine unverhältnismäßig lange, die übliche und vom Beschwerdeführer bei der Eheschließung vorauszusetzende Dauer eines Visumsverfahrens übersteigende Trennung der Eheleute.