SG Berlin

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Zitieren als:
SG Berlin, Beschluss vom 03.06.2008 - S 51 AY 50/08 ER - asyl.net: M13488
https://www.asyl.net/rsdb/M13488
Leitsatz:

Die notwendige medizinische Versorgung (hier: Behandlung einer HIV-Infektion) kann nicht mit Hinweis auf unklare örtliche Zuständigkeit nach § 10 a AsylbLG verweigert werden.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Krankheit, medizinische Versorgung, HIV/Aids, Darlehen
Normen: SGG § 86b Abs. 2; AsylbLG § 10a; AsylbLG § 4, AsylbLG § 3
Auszüge:

Die notwendige medizinische Versorgung (hier: Behandlung einer HIV-Infektion) kann nicht mit Hinweis auf unklare örtliche Zuständigkeit nach § 10 a AsylbLG verweigert werden.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Als offen anzusehen ist gegenwärtig, welcher Träger für die Leistungserbringung, die wohl einzig auf der Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG - erfolgen kann, zuständig ist (§ 10a AsylbLG).

Die Zuständigkeitsfrage kann in diesem Eilrechtsschutzverfahren nicht abschließend beantwortet werden. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil augenscheinlich noch nicht entschieden ist, ob ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wird, und zudem die Klärung aufenthalts- und asylverfahrensrechtlicher Fragen und hieran anknüpfend die Zuständigkeitsfrage angesichts der im Ausländerzentralregister vermerkten Vielzahl von Aliasidentitäten des Antragstellers weiter erschwert wird.

Es ist aber mit der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit zumindest gegenwärtig davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund seiner in der Stellungnahme Dr. ...vom 11. Januar 2008 beschriebenen gesundheitlichen Verfassung nicht darauf verwiesen werden kann, die Zuständigkeitsklärung zu betreiben, ohne bis dahin die laut der Stellungnahme Dr.... notwendige medizinische Versorgung und auch Leistungen zum Lebensunterhalt zu erhalten. Dr. ..., der zufolge ist aufgrund des Immunstatus des Antragstellers jederzeit mit lebensbedrohlichen Komplikationen der HIV-Infektion zu rechnen. Dass ein leistungsfreies Zuwarten, ohne zumindest eine Akutversorgung zu gewährleisten, nicht zumutbar ist, ist vor diesem Hintergrund glaubhaft gemacht. Die Nachteile, die dem Antragsteller bei einer weiteren Verzögerung der Hilfegewährung in seiner gesundheitlichen Verfassung drohen, erscheinen ungleich schwerwiegender als die etwaigen finanziellen Risiken des Antragsgegners, die zudem durch die Verpflichtung zur Leistungserbringung im Darlehenswege gemindert werden können. Gleiches gilt für die Hilfe zu Lebensunterhalt.

Die tenorierte Verpflichtung zur Gewährung gesundheitlichen Hilfen richtet sich nach § 4 AsylbLG.

Den Leistungsbeginn auf den Tag der gerichtlichen Eilentscheidung zu datieren begründet sich damit, dass es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Behebung einer gegenwärtigen Notlage geht und der Bedarf an gesundheitlicher Akutversorgung und mit Lebensmitteln grundsätzlich nicht rückwirkend gedeckt werden kann.

Zeitlich zu begrenzen ist die Verpflichtung zur Hilfegewährung bis zur Klärung der Zuständigkeitsfrage, weil nur bis dahin von der Notwendigkeit zur Überbrückung des regelungslosen Zustands ausgegangen werden kann. Dass drei Monate hierfür zu kurz bemessen sind, ist nicht ersichtlich.

Den Antragsgegner zur Leistungserbringung lediglich im Darlehenswege zu verpflichten begründet sich bei Sozialleistungen mit der Vorläufigkeit einer einstweiligen Anordnung, um eine etwaige spätere Rückgängigmachung nicht weiter zu erschweren (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - juris, m.w.N.). Dies wird dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung am ehesten gerecht. Gründe, hiervon im vorliegenden Fall abzuweichen, sind weder dargetan, noch sind sie sonst wie ersichtlich.