VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 27.03.2008 - 2 B 61/08 - asyl.net: M13491
https://www.asyl.net/rsdb/M13491
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verlängerung, Aufenthaltserlaubnis, Bleiberechtsregelung 1990, Libanesen, Lebensunterhalt, Erlasslage, Beurteilungszeitpunkt, Altfälle, Zuwanderungsgesetz
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 8 Abs. 1; AufenthG § 23 Abs. 1
Auszüge:

Die Altfallregelung 1990 (Runderlass des MI vom 18.10.1990) gilt nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes uneingeschränkt weiter.

(Amtlicher Leitsatz)

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist gem. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 64 Abs. 4 Nds. SOG statthaft und auch sonst zulässig.

Der Antrag ist auch begründet, denn die von dem Gericht zu treffende Ermessensentscheidung, die unter Abwägung des Interesses der Antragsteller, einstweilen von dem Vollzug des angefochtenen Bescheides verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Durchsetzung zu erfolgen hat, trifft das Gericht zugunsten der Antragsteller. Der angefochtene Bescheid ist nämlich aller Voraussicht nach rechtswidrig, da die Antragsteller Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse haben.

Nach § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Den Antragstellern sind zuletzt Aufenthaltserlaubnisse auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG erteilt worden. Nach dieser Bestimmung kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Da diese Vorschrift in Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes steht, kann gem. § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG ferner in derartigen Fällen von der Anwendung der Absätze 1 und 2 (also auch von der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 normierten allgemeinen Erteilungsvoraussetzung, dass der Lebensunterhalt gesichert sein muss) abgesehen werden.

Den Antragstellern sind - worauf sie zu Recht hinweisen - in der Vergangenheit regelmäßig Aufenthaltserlaubnisse bzw. (nach dem zwischen 1991 und 2004 geltenden Ausländerrecht) Aufenthaltsbefugnisse erteilt worden, ohne dass von ihnen verlangt worden wäre, ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Sozialleistungen sicher zu stellen. Diese Handhabung beruhe zunächst auf dem Runderlass des Nds. Innenministeriums vom 18.10.1990 - 52.31-12231/1-1-1 -, in dem u.a. bestimmt ist, dass zur Vermeidung besonderer Härten u. a. bei Flüchtlingen aus dem Libanon, die libanesische Staatsangehörige sind, auf Dauer von der Durchsetzung der Ausreisepflicht abzusehen ist, und dass die diesen Personen erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse, die nach dem 01.01.1991 als Aufenthaltsbefugnisse fortgelten würden, gem. § 99 Abs. 1 AuslG abweichend von § 34 Abs. 2 AuslG (n.F.), ohne dass daran weitere Bedingungen geknüpft wurden, zu verlängern seien. Diese Anweisung der obersten Landesbehörde, die jetzt ihre Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 AufenthG findet, ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nach wie vor zu beachten, so dass sie auch jetzt und in Zukunft die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse an die Antragsteller nicht davon abhängig machen darf, dass diese ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen sicherstellen können. Dadurch wird auch das an sie in § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG eröffnete Ermessen auf Dauer gebunden.

Die Antragsgegnerin weist allerdings zutreffend darauf hin, dass der Runderlass des Nds. Innenministeriums vom 16.08.2001 (45.31-12230/1-1 (§ 32) - in dem bestimmt war, dass die Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen, die u. a. aufgrund des Runderlasses vom 18.10.1990 erteilt worden waren, nach Maßgabe der jeweils der Ersterteilung zugrunde gelegten Regelung (mit einer Ausnahme, die hier jedoch nicht einschlägig ist) zu erfolgen habe und § 34 Abs. 2 AuslG nicht anzuwenden sei, durch Runderlass vom 31.03.2005 - 45.2-12230/1-8 - aufgehoben wurde mit der Folge, dass nunmehr die vorläufige Nds. Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz anzuwenden ist. Sie wendet diese Verwaltungsvorschrift jedoch nicht zutreffend an, wenn sie lediglich auf die Ausführungsbestimmungen zu § 101 AufenthG verweist; einschlägig ist vielmehr die Nr. 8.1.1 der Verwaltungsvorschrift, wo bestimmt wird, dass besondere Regelungen über die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen aufgrund diverser Bleiberechtsregelungen auch nach Außerkrafttreten der jeweiligen Anordnungen weiterhin anzuwenden sind. Die Kammer ist der Auffassung, dass damit die bisherige Handhabung (u.a. gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Libanon, die vor 1990 in das Bundesgebiet eingereist sind) unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes zementiert wird.