Allein die Weigerung, freiwillig auszureisen, stellt keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG dar; erforderlich ist vielmehr ein über das Verbleiben in Deutschland hinausgehendes sozialwidriges Verhalten.
Allein die Weigerung, freiwillig auszureisen, stellt keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG dar; erforderlich ist vielmehr ein über das Verbleiben in Deutschland hinausgehendes sozialwidriges Verhalten.
(Leitsatz der Redaktion)
Die nach Erledigung der Beschwerde des Antragstellers zu 5 in der Hauptsache noch anhängige Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 4 ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch auf einstweilen erbrachte Leistungen nach § 2 AsylbLG anstelle der erbrachten Leistungen nach § 3 AsylbLG glaubhaft gemacht.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist bei summarischer Prüfung auch nicht davon auszugehen, dass sie die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben:
Zwar hatte das BSG mit Urteilen vom 08.02.2007 (B 9b AY 1/06 R und 2/06 R) eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer angenommen, wenn eine Rechtsposition, die ein Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erlangt hat, in von der Rechtsordnung missbilligter, subjektiv vorwerfbarer und zur Aufenthaltsverlängerung führenden Weise genutzt wird; hierunter falle auch der Verbleib eines Ausländers in Deutschland, dem es möglich und zumutbar wäre, aus Deutschland auszureisen. Die Rechtsordnung verlange von Ausländern für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland einen Aufenthaltstitel in Form eines Visums, einer Aufenthalts- oder einer Niederlassungserlaubnis (§ 4 Abs. 1 AufenthG); anderenfalls sei der Ausländer unverzüglich oder bis zum Ablauf einer ihm gesetzten Frist zur Ausreise verpflichtet (§ 50 Abs. 1 und 2 AufenthG): Komme er dem nicht nach, sei die Ausreise zwangsweise durchzusetzen. Sei insoweit eine Abschiebung (§ 58 Abs. 1 AufenthG) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich, werde die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt (§ 60a Abs. 2 AufenthG); durch diese Duldung bleibe jedoch die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Nach dieser aufenthaltsrechtlichen Konzeption widerspreche der weitere Aufenthalt des ausreisepflichtigen, aber geduldeten Ausländers der Rechtsordnung. Zwar werde, wenn sich seine Ausreisepflicht nicht zwangsweise durchsetzen lasse, ihm auch ohne entsprechenden Titel ein vorübergehender Aufenthalt ohne Verstoß gegen Strafvorschriften (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) möglich gemacht. Gleichwohl bleibe die Forderung an ihn, selbständig auszureisen und damit seinen nicht rechtmäßigen Aufenthalt zu beenden, bestehen.
Denn im Anschluss an die Entscheidungen des BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R und B 8 AY 8/07 R (bisher nur als Terminbericht des BSG Nr. 30/08 zu Nr. 2 und Nr. 5 vorliegend) hält das BSG an seiner Rechtsprechung vom 08.02.2007 nicht fest; vielmehr geht das Gericht nunmehr (wie auch der erkennende Senat in Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor Aufkommen der Rechtsprechung des BSG vom 08.02.2007; so etwa Beschlüsse vom 23.01.2006 - L 20 B 15/05 AY ER, vom 10.03.2006 - L 20 B 7/06 AY ER und vom 29.03.2006 - L 20 B 6/06 AY ER) davon aus, dass es für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht genügt, dass die betroffenen Ausländer nicht freiwillig aus Deutschland ausreisen. Insbesondere liegt eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer nach der Entscheidung des BSG vom 17.06.2008 B 8/9b AY 1/07 R dann nicht vor, wenn ein Ausländer auch ohne eine (im vom BSG entschiedenen Fall geschehene) Vernichtung seiner Passpapiere in der gesamten Zeit seines Aufenthalts in Deutschland nicht hätte abgeschoben werden können. Vielmehr bedarf es für eine Rechtsmissbräuchlichkeit einer Selbstbeeinflussung der Dauer des Aufenthalts durch ein über das Verbleiben in Deutschland hinausgehendes sozialwidriges Verhalten (BSG vom 17.06.2008 - B 8 AY 8/07 R).
Bei summarischer Prüfung kann für die Antragsteller ein solches, über das bloße Verbleiben in Deutschland hinausgehendes sozialwidriges Verhalten - für das die Antragsgegnerin, da es sich materiell um eine anspruchsausschließende Einwendung handelt, die Beweislast trägt (insoweit unverändert zutreffend BSG, Urteile vom 08.20.2007 - B 9b AY 1/06 R und 2/06 R) - nicht festgestellt werden. Maßgebender Grund für das mangels freiwilliger Ausreise bestehende Verbleiben der Antragsteller in Deutschland ist die ausweislich der aktuellen Berichtslage des Auswärtigen Amtes nach wie vor nur sehr eingeschränkte Rückführungsmöglichkeit für Roma in das Kosovo, die UNHCR und UNMIK allein auf strikt freiwilliger Basis bzw. bei erheblicher Straffälligkeit in Deutschland anerkennen.