VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Beschluss vom 11.06.2008 - 5 V 3291/07.A - asyl.net: M13522
https://www.asyl.net/rsdb/M13522
Leitsatz:

Verzichten die Eltern gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverferfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG ein Monat.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Antragsfiktion, Verzicht, Asylverfahren, Ausreisefrist
Normen: AsylVfG § 38 Abs. 1; AsylVfG § 14a Abs. 3; AsylVfG § 38 Abs. 2
Auszüge:

Verzichten die Eltern gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverferfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG ein Monat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag des Antragstellers, die gem. § 75 AsylVfG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage (5 K 3290.A) gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2007 verfügte Abschiebungsandrohung gem. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig und begründet.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, soweit das Bundesamt mit diesem die Ausreisefrist auf eine Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung bestimmt hat. Es spricht Erhebliches dafür, dass die einem Kind zu setzende Ausreisefrist nach der allgemeinen Regelung des § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat nach Unanfechtbarkeit des Bescheides beträgt, wenn – wie hier – der Vertreter des Kindes gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG den Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens erklärt (vgl. die ganz überwiegende Rechtsprechung: OVG Münster, Urteil vom 11. August 2006, Az. 1 A 1437/06.A; VG Düsseldorf, Entscheidungen vom 19.03.2008, Az. 21 K 1328/08.A und vom 03.03.2008, Az. 25 K 4958/07.A m.w.N.; VG Oldenburg, Beschluss vom 03.03.2008, Az. 5 B 378/08; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21.01.2008, Az. 14a K 3587/07.A m.w. N.; VG Münster, Urteil vom 02. November 2007, Az. 8 K 98/07.A; VG Ansbach, Urteil vom 25. Juli 2006, Az. AN 4 K 06.30388; VG Osnabrück, Urteil vom 13. März 2006, Az. 5 A 21/06; Beschluss vom 28. Juni 2007, Az. 5 B 69/07; VG Schwerin, Urteil vom 8. Januar 2007, Az. 7 A 1113/06 As). Die Heranziehung der Sonderregelung des § 38 Abs. 2 AsylVfG scheidet aus, weil dort der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG nicht erwähnt ist, obwohl der Gesetzgeber an anderen Stellen hierfür Regelungen getroffen hat (§§ 32 Satz 1, 71 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Eine unmittelbare Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf Fälle des Verzichts nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG scheitert am Wortlaut der Regelung, denn sie spricht nur von dem Fall der Rücknahme des Asylantrages und erwähnt den des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG nicht. Da das Asylverfahrensgesetz in seinen Regelungen im Übrigen die Fälle der Beendigung des Asylverfahrens durch Verzicht ausdrücklich neben denen der Antragsrücknahme benennt (vgl. §§ 32, 71 Abs. 1 AsylVfG), scheidet eine Subsumtion der Verfahrenskonstellation des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG unter den Begriff "Rücknahme des Asylantrages" in § 38 Abs. 2 AsylVfG aus.

Der eher vereinzelten gegenteiligen Auffassung, wonach im Fall des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens die Ausreisefrist in entsprechender Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf eine Woche gesetzt wird (vgl. u.a. VG Wiesbaden, Urteil vom 30. Juni 2005, Az. 1 E 714/05.A; VG Stade, Beschluss vom 8. Oktober 2007, Az. 6 B 1261/07; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: Februar 2006, Rn. 8 zu § 38), vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Denn eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf die Fälle des Verzichts nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht möglich. Gegen eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG spricht zum einen der Ausnahmecharakter der Vorschrift. Nach § 38 Abs. 1 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist für Ausländer, die nicht als Asylberechtigte anerkannt werden, einen Monat; etwas anderes gilt nur für die Fälle, für die das Gesetz eine abweichende Regelung trifft. Nach § 75 AsylVfG löst eine von § 38 Abs. 1 AsylVfG abweichende Regelung der Ausreisefrist zugleich den Ausnahmefall des Entfallens der aufschiebenden Wirkung der Klage aus. Als Ausnahmeregelung ist § 38 Abs. 2 AsylVfG einer analogen und damit erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich. Für eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf die Fälle des Verzichts nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG fehlt es zudem an der erforderlichen unbeabsichtigten Regelungslücke. Hiergegen spricht bereits das Vorhandensein einer Auffangvorschrift in § 38 Abs. 1 AsylVfG ("in sonstigen Fällen"). Gegen ein Redaktionsversehen spricht zum anderen, dass der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Problematik auch im Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) keine Änderung des § 38 AsylVfG vornahm. Durch eine einmonatige Ausreisefrist wird die Zielsetzung des § 14 a AsylVfG, der sukzessiven Asylantragstellung von einzelnen Familienmitgliedern zur Verhinderung einer Aufenthaltsbeendigung vorzubeugen, nicht beeinträchtigt.