VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 30.05.2008 - 5 K 1633/06.A - asyl.net: M13527
https://www.asyl.net/rsdb/M13527
Leitsatz:

Asylanerkennung wegen Unterstützung der NLD in Myanmar.

 

Schlagwörter: Myanmar, Oppositionelle, Verdacht der Unterstützung, NLD, Inhaftierung, Misshandlungen, Folter, Flugblätter, interne Fluchtalternative, Drittstaatenregelung, Luftweg, Glaubwürdigkeit
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; GG Art. 16a Abs. 2; AsylVfG § 26a Abs. 1
Auszüge:

Asylanerkennung wegen Unterstützung der NLD in Myanmar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.

Gemessen hieran ist es dem Kläger gelungen, glaubhaft zu machen, Myanmar wegen dort erlittener politischer Verfolgung bzw. einer unmittelbar drohenden Verfolgungsgefahr verlassen zu haben. Insbesondere glaubt ihm die Kammer, dass er im Oktober 2005 (erneut) ins Blickfeld der myanmarischen Sicherheitskräfte geraten, festgenommen und während der mehrtägigen Inhaftierung körperlich misshandelt worden ist. Er hat imWesentlichen in Übereinstimmung mit seinen Angaben beim Bundesamt und bei der Bundespolizei dargelegt, dass er bereits im Jahr 1999 wegen politischer Aktivitäten inhaftiert und den myanmarischen Behörden seitdem bekannt war. Mindestens seit dieser Zeit bestand ein Kontakt des Klägers zu oppositionellen Kräften aus dem Umfeld der NLD. Nach einer Zeit der Ruhe wurde dieser Kontakt im Oktober 2005 wieder intensiviert und der Kläger in die oppositionelle Arbeit dadurch eingebunden, dass er als Inhaber eines zwischenzeitlich von ihm eröffneten Copyshops Flugblätter vervielfältigen sollte. Wegen dieser Tätigkeiten ist er schließlich aufgefallen und, nachdem die Sicherheitskräfte die Originalvorlage des Flugblattes in seinem Geschäft gefunden hatten, festgenommen und während der anschließenden mehrtägigen Inhaftierung körperlich misshandelt worden.

Die dem Kläger durch die myanmarischen Sicherheitskräfte gezielt zugefügten Rechtsverletzungen sind wegen eines Asylmerkmals, namentlich wegen seiner politischen Aktivitäten, erfolgt. Sie waren auch ihrer Intensität nach asylrechtsrelevant, denn insbesondere die dem Kläger zugefügten Misshandlungen stellen sich als ausgrenzende Verfolgung dar. Schließlich steht außer Frage, dass die Verfolgungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger dem myanmarischen Staat auch zuzurechnen sind. Da der myanmarische Staat bekanntermaßen ein entsprechendes Vorgehen gegen Personen, die oppositionell tätig sind oder in einem entsprechenden Verdacht stehen, fördert bzw. jedenfalls duldet, handelt es sich bei solchen Übergriffen erkennbar nicht bloß um einzelne Exzesstaten von Amtswaltern, die asylrechtlich irrelevant wären.

Dem Kläger war und ist auch nicht zuzumuten, Schutz vor erneuter Verfolgung in einem anderen Landesteil Myanmars zu suchen. Denn es ist nach der Erkenntnislage auszuschließen, dass er in einem anderen Landesteil Myanmars vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher ist. Myanmar zählt nach Ansicht aller neutralen Beobachter zu den repressivsten Staaten weltweit, die Menschenrechtslage ist seit Jahren unverändert prekär. Massive Restriktionen, Drangsalierungen und Einschüchterungen oppositioneller Kräfte stehen an der Tagesordnung. "Regierungsfeindliche" Aktivitäten, auch friedliche Proteste, werden, wie die blutige Niederschlagung der Proteste im Herbst 2007 erneut gezeigt hat, systematisch verfolgt und bestraft. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die Symbolfigur der Opposition, steht seit mehr als einem Jahrzehnt trotz intensiver Proteste der Weltöffentlichkeit unter Hausarrest. Grundlegende Bürgerrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf ein faires Verfahren werden versagt, zahlreiche schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen sind dokumentiert und belegt. Myanmar stellt sich angesichts der seit Jahrzehnten anhaltenden Diktatur der Militärjunta demnach ohne Zweifel als Unrechtsstaat dar, in dem oppositionspolitisch auffällig gewordene Menschen landesweit von Verfolgung bedroht sind (vgl. neben den auch in den Gründen des angefochtenen Bescheides aufgeführten Erkenntnisquellen zur Menschenrechtslage in Myanmar das ausführliche Gutachten von amnesty international vom 2. September 2005 an VG Wiesbaden; ebenso: u.a. VG Gießen, Urteile vom 20. September 2005 - 5 E 2239/04.A und vom 26. Februar 2007 - 5 E 2106/06.A -, beide <juris>; VG Wiesbaden, Urteil vom 23. November 2005 - 6 E 2046/03.A (V) -; VG Münster, Urteil vom 19. Mai 2006 - 1 K 1216/04.A -, <juris>; sowie zuletzt: VG Karlsruhe, Urteil vom 14. August 2007 -

11 K 586/07 -).

Schließlich ist eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter auch nicht nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG und § 26 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) ausgeschlossen. Denn es ist davon auszugehen, dass der Kläger auf dem Luftweg in die Bundesrepublik eingereist ist.