VG Berlin

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VG Berlin, Urteil vom 19.12.2007 - 5 V 22.07 - asyl.net: M13606
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Leitsatz:

Die Voraussetzung von Sprachkenntnissen vor der Einreise zum Zwecke des Ehegattennachzugs ist mit höherrangigem Recht vereinbar; die Einführung des § 27 Abs. 1 a AufenthG hat nicht zu einer Änderung der Beweislast für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft geführt.

 

Schlagwörter: D (A), Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Sprachkenntnisse, Familienzusammenführungsrichtlinie, Verfassungsmäßigkeit, Schutz von Ehe und Familie, Gleichheitsgrundsatz, Inländerdiskriminierung, Scheinehe, Beweislast
Normen: AufenthG § 30 Abs. 1; AufenthG § 28 Abs. 1; RL 2003/86/EG Art. 7 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; AufenthG § 27 Abs. 1; AufenthG § 27 Abs. 1a; RL 2003/86/EG Art. 16 Abs. 1
Auszüge:

Die Voraussetzung von Sprachkenntnissen vor der Einreise zum Zwecke des Ehegattennachzugs ist mit höherrangigem Recht vereinbar; die Einführung des § 27 Abs. 1 a AufenthG hat nicht zu einer Änderung der Beweislast für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft geführt.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte ist nicht gemäß § 113 Absatz 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, der Klägerin ein nationales Visum zum Nachzug zu ihrem Ehemann in das Bundesgebiet zu erteilen.

A. Die Klägerin erfüllt derzeit nicht das Nachzugserfordernis des § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AufenthG. Nach dieser Bestimmung für die Ehegatten von Ausländern, die gemäß § 28 Absatz 1 Satz 5 AufenthG entsprechend auf die Ehegatten von Deutschen anzuwenden ist, darf dem nachzugswilligen Ehegatten das Visum nur erteilt werden, wenn er sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann.

2.) Die Kammer braucht nicht zu entscheiden, ob ein Ausländer das vom Aufenthaltsgesetz verlangte Niveau einer Verständigung "zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache" erst dann erreicht, wenn er sich mündlich und schriftlich auszudrücken vermag. Das dementsprechende Ziel eines Integrationskurses gemäß § 3 Abs. 2 der Integrationskursverordnung (IntV) vom 13. Dezember 2004 (BGBl. I 3370) gibt für die nicht weiter definierte Anforderung aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AufenthG nichts her. Offen kann auch bleiben, ob die Beklagte mit ihrem genannten Runderlass zu Recht grundsätzlich die Vorlage eines Sprachzertifikats über das erfolgreiche Bestehen des vom Goethe-Institut und dessen Lizenznehmern beziehungsweise Partnerorganisationen durchgeführten Sprachtests „Start Deutsch 1“ fordert. Denn die Deutschkenntnisse der Klägerin erreichen gegenwärtig nicht den selbst bei entgegenkommender Auslegung des Gesetzes zu fordernden Mindeststandard. Eine Verständigung auf einfache Art in deutscher Sprache setzt wenigstens voraus, dass der Ausländer Sätze mit Subjekt, Prädikat und Objekt bilden und entsprechende Sätze Anderer mit geläufigen Alltagsbegriffen mehr als nur selten verstehen kann. Daran gebricht es der Klägerin noch, wie die Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung zur Überzeugung der Kammer ergeben hat.

4.) Das Spracherfordernis aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 (in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Satz 5) AufenthG steht im Einklang mit höherem Recht. Auch sind keine Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls erkennbar, die von Verfassungs wegen eine restriktive Auslegung oder die analoge Anwendung einer der Ausnahmeregelungen in § 30 Absatz 1 Satz 3 AufenthG geböten; insoweit trägt die Klägerin lediglich vor, dass sie gegenwärtig einen Deutschkurs besuche.

Die Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung vom 22. September 2003 (RL; abgedruckt in: Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, Nr. 3.22) steht dem Erfordernis eines Spracherwerbs und dessen Nachweis vor der Einreise nicht entgegen. Nach Artikel 7 Absatz 2 Satz 1 RL können die Mitgliedsstaaten gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen. Wie sich aus dem anschließenden Satz 2 der Vorschrift ergibt, dürfen nur bei näher bestimmten Flüchtlingen und deren Angehörigen die Integrationsmaßnahmen erst Anwendung finden, wenn die Familienzusammenführung gewährt wurde; handelt es sich nicht um diese Personengruppe – wie im vorliegenden Fall –, darf eine Integrationsmaßnahme auch vor der Einreise verlangt werden. Die in der Literatur gemachten Unterschiede zwischen Integrationsmaßnahmen und Integrationskriterien bzw. Integrationsbedingungen (Marx, InfAuslR 2007, 413 [416]) messen der Richtlinie eine Begriffsschärfe bei, die ihr nicht zukommt (vgl. Hailbronner, S. 5 f. des Sachverständigengutachtens für die öffentliche Anhörung des Bundestags-Innenausschusses zum EU-Richtlinienumsetzungsgesetz vom 21. und 23. Mai 2007; dokumentiert unter: www.bundestag.de). Die Maßnahme des Spracherwerbs und das Kriterium der Sprachkenntnisse gehören angesichts des Umstands, dass Deutsch keine auf der gesamten Welt geläufige Sprache ist, in den Nachzugsfällen typischerweise zusammen.

Das Spracherfordernis beim Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu einem deutschen Staatsangehörigen ist auch mit den Grundrechten vereinbar. Es verstößt insbesondere weder gegen Artikel 6 Absatz 1 GG, wonach die Ehe unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung steht, noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 Absatz 1 GG.

Der Schutzbereich des Artikel 6 Absatz 1 GG in seiner Gestalt als Freiheitsrecht ist allerdings berührt. Denn die gesetzliche Forderung an den nachzugswilligen ausländischen Ehegatten, sich schon vor und bei der Einreise zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, verhindert die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem deutschen Staatsangehörigen im Bundesgebiet jedenfalls vorübergehend für die ungewisse Dauer des ausreichenden Spracherwerbs. Das Grundgesetz gewährt den Ehegatten die Freiheit, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen, indes nicht uneingeschränkt. Die Grundrechtsträger können Eingriffe in ihre Freiheitssphäre nicht abwehren, die zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich sind und die das Maß der Freiheitsbeschränkung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit durch die Regelung erwachsenden Vorteilen halten. Der Gesetzgeber hat gerade bei aufenthaltsrechtlichen Regelungen für ausländische Staatsangehörige einen politischen Gestaltungsspielraum, der insbesondere die Festlegung und die Gewichtung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange umfasst.

Nach diesem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 76, 1 [50 f.]) entfalteten Maßstab verstößt das sprachliche Nachzugserfordernis nicht gegen Artikel 6 Absatz 1 GG. Es liegt auf der Hand, dass rechtzeitig erworbene Kenntnisse der Sprache des neuen Gastlandes die wünschenswerte schnelle Integration des zuziehenden Ausländers erleichtern können. Der sich ohnehin auf einfache Kenntnisse beschränkende Spracherwerb stellt im Regelfall keine unzumutbare Anforderung an den nachzugswilligen ausländischen Ehegatten. Wer für sich die Entscheidung trifft, künftig in einem anderen Lande zu leben, muss sich darüber im Klaren sein, dass auf ihn gewisse Anpassungs- und Integrationsleistungen zukommen. Dazu gehört nicht zuletzt das Erlernen einer fremden Sprache. Die besondere Anforderung, dass in einem begrenzten Umfange Sprachkenntnisse bereits vor der Einreise erworben werden müssen, ist vertretbar und von dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfasst. Die erleichterte Integration eines zuziehenden Ausländers im Bundesgebiet, die ein Hauptzweck der gesetzlichen Neuregelung ist, erfordert wenigsten das Beherrschen einfacher Sätze, da eine schnelle Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände und eine baldige Teilnahme am Sozialleben ansonsten kaum möglich sein dürfte; gerade der ausdrückliche Zweck der Regelung, auch den neu zuziehenden Opfern von Zwangsverheiratungen im Bundesgebiet mehr Schutz vor ihren Schwiegerfamilien zu bieten, erfordert den Spracherwerb bereits vor und nicht erst nach der Einreise (siehe die Drucksache 16/5065 des Deutschen Bundestags vom 23. April 2007, S. 173 f.).

Das Spracherfordernis beim Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu einem deutschen Staatsangehörigen verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz, auch wenn es sich nicht an alle nachziehenden ausländischen Ehegatten gleichermaßen richtet. Artikel 3 Absatz 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz können sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber ergeben, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Artikel 3 Absatz 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (wie vorstehend: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 24. September 2007, 2 BvR 1673/03, ZBR 2007 S. 411 [416]).

Nach diesem Maßstab ist die Ungleichbehandlung der Klägerin und des Beigeladenen zu 2. nicht grundrechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Gleichheitsverstoß aufgezeigt, er steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.

Das gilt im Vergleich mit den Angehörigen bestimmter Staaten, die ohne Visum einreisen dürfen und die gemäß § 30 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 AufenthG bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen keine Sprachkenntnisse nachzuweisen brauchen. Das Grundgesetz erlaubt es der Bundesrepublik Deutschland, als Völkerrechtssubjekt Unterschiede zwischen den Staaten zu machen. Außenpolitische Rücksichtnahmen sind geeignet, eine Bevorzugung von Ausländern zu rechtfertigen, auch wenn bei Betrachtung lediglich der einzelnen Personen eine unterschiedliche Handhabung nicht einleuchtend wäre. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, an die in der Aufenthaltsverordnung geregelte Visumsfreiheit pauschal den Verzicht des Sprachnachweises zu knüpfen.

Auch für die in § 30 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 sowie Satz 3 Nummer 1 AufenthG verankerte Ungleichbehandlung finden sich einleuchtende Gründe. In beiden Fällen setzt der Gesetzgeber für den Verzicht des Sprachnachweises voraus, dass die Ehe des nachzugswilligen Ehegattens eines Ausländers bereits bestanden hatte, als dieser seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegte; die nachträgliche Eheschließung entbindet nicht vom Sprachnachweis. Im ersten Fall (Satz 2 Nr. 1) muss der Ausländer zudem einen Aufenthaltstitel nach den §§ 19 bis 21 AufenthG besitzen, also eine Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Forschung oder zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit innehaben. Der Gesetzgeber verbindet mit der erleichterten Ansiedelung dieser Personengruppen ein erhebliches öffentliches Interesse (siehe insbesondere § 21 Abs. 1 AufenthG). Die Hoffnungsträger könnten durch sich abzeichnende Schwierigkeiten beim Ehegattennachzug von der Ansiedelung abgeschreckt werden. Im zweiten Fall (Satz 3 Nummer 1) beruht die Aufnahme des Ausländers auf gewichtigen humanitären Gründen (anerkannter Asylbewerber, Flüchtling und ähnliches). Die Ausnahme trägt Artikel 7 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/86/EG Rechnung.

Schließlich bringt § 30 Absatz 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 AufenthG keine gleichheitswidrige Bevorzugung von Angehörigen, die aus der Europäischen Union kommen, mit sich. Die Besserstellung derartiger Ausländer gegenüber Ausländern aus Drittstaaten wie der Klägerin ist unproblematisch, aber auch in Bezug auf den beigeladenen deutschen Ehemann nicht zu beanstanden. Das deutsche Recht verlangt nicht, Zugeständnisse gegenüber der Europäischen Union auf Inländer zu erstrecken, soweit es sich um nationale Regelungsgegenstände handelt (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwGE 126, 149 [164 Rdnr. 60]; 122, 130 [146]; Oppermann, Europarecht, 3. Auflage 2005, § 25 Rdnr. 22 mit Rdnr. 28).

B. Der von der Beklagten angeführte Ablehnungsgrund besteht hingegen nicht. Nach der Überzeugung der Kammer hegen die Klägerin und der Beigeladene zu 2) die Absicht, im Bundesgebiet eine familiäre (eheliche) Lebensgemeinschaft herzustellen (vgl. § 27 Abs. 1 AufenthG). Es steht auch nicht fest, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, der Nachziehenden eine Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (vgl. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG).

1.) Der rechtliche Maßstab für die Überzeugungsbildung bei der Anwendung von § 27 Abs. 1 AufenthG hat durch die Einführung des Absatzes 1a der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I 1970) keine Änderung erfahren. Ist eine Ehe geschlossen und bestehen aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte Zweifel daran, ob nach der Absicht des einen wie des anderen Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft hergestellt und gewahrt werden soll, trägt derjenige, der ein Visum zum Ehegattennachzug begehrt, die materielle Beweislast (vgl. zur alten Rechtslage: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2007, OVG 3 B 9.06, Juris; siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Mai 2003, 2 BvR 2042/02, DVBl. 2003, S. 1260).

§ 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ändert für den mit dem Schlagwort Scheinehe bzw. Zweckehe bezeichneten Lebenssachverhalt nicht die gesetzliche Beweislastregelung ab. Nimmt man die neue Vorschrift wörtlich, erfasst sie ohnehin nicht alle mit dem Schlagwort gemeinten und bislang unter § 27 Abs. 1 AufenthG subsumierten Fälle, sondern stellt mit ihrem Tatbestand auf die Zwecksetzung beim Eheschluss ab; in jenem Zeitpunkt muss mit der Ehe ausschließlich bezweckt worden sein, dem Nachziehenden eine Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Das Wort „ausschließlich“ mag darauf hindeuten, dass beide Eheleute den Aufenthaltsverschaffungszweck als einzigen bei der Eheschließung verfolgt haben, während bereits eine andere Zwecksetzung eines der beiden Ehegatten den Tatbestand entfallen ließe. Die strikt am Wortlaut ansetzende Auslegung erfasst jedenfalls nicht diejenigen Fälle, in denen der Wille zur ehelichen Lebensgemeinschaft bei der Eheschließung noch bestanden hatte und erst aufgrund nachfolgender Erfahrungen und Erwägungen entfallen ist, während andererseits § 27 Abs. 1 AufenthG nicht darauf abstellt, was die Eheleute beim Eheschluss beabsichtigten, sondern den beiderseitigen Willen zur ehelichen Lebensgemeinschaft in der Gegenwart verlangt.

Selbst wenn § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG nicht allein im eben skizzierten engen Wortlautsinn verstanden werden dürfte, verändert die Gesetzesnovelle nicht die bei § 27 Abs. 1 AufenthG zu beachtende materielle Beweislast.

Der neu hinzugekommene Wortlaut liest sich immerhin wie eine (vom Bisherigen abweichende) Beweislastregelung. In der Zusammenschau beider Absätze des § 27 AufenthG nach herkömmlicher deutscher Gesetzgebungstechnik erscheint Absatz 1 wie die Formulierung anspruchsbegründender Voraussetzungen ("... wird erteilt") und Absatz 1a wie eine Einwendung ("...wird nicht zugelassen, wenn ..."). Für das erste trüge nach allgemeinen Regeln der Visumsaspirant, für das zweite die eine Versagung prüfende Behörde die materielle Beweislast. Die Einwendung wäre zudem nur erfolgreich, wenn der Versagungsgrund „feststeht“. Damit wäre der Versagungsgrund nicht lediglich eine materiellrechtliche Einwendung (mit materieller Beweislast bei der Behörde), sondern enthielte zugleich eine Maßgabe zum Grad der Überzeugungsbildung. Die systematische Auslegung scheint den Befund zu erhärten, dass der Gesetzgeber Beweislastfragen bei der "Zweckehe" regeln wollte, sollen doch nach § 27 Abs. 1a Nr. 2 AufenthG bei einer – hier nicht einschlägigen – "Zwangsehe" schon "tatsächliche Anhaltspunkte" zur Versagung ausreichen.

Die während der Entstehung des Gesetzes erzeugten amtlichen Materialien gaben allerdings nicht ausdrücklich kund, dass § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG eine Beweislastregelung enthalten soll (vgl. die Drucksache 16/5065, S. 170). Auf das Gegenteil deutet die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hin, dass bei der Verabschiedung des Gesetzes die durch die Rechtsprechung vorgeprägten Beweislastgrundsätze zum Bestehen einer Zweckehe bekannt waren und diese durch die Neufassung keinesfalls geändert werden sollten ( Drucksache 16/5498 vom 25. Mai 2007, S. 5). Deutlich wird an der amtlichen Begründung (Drucksache 16/5065, S. 170) das Bestreben des Gesetzgebers, mit der Einführung von § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung Rechnung tragen zu wollen. Die Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union ist schon nach der amtlichen Gesetzesbezeichnung der herausragende Grund für das Gesetz vom 19. August 2007.

2.) Die Anwendung von § 27 Abs. 1 AufenthG auch nach den oben genannten, für die Klägerin ungünstigen Maßstäben führt zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten geäußerten Zweifel grundlos sind. Die der Kammer bekannten tatsächlichen Anhaltspunkte legen es nicht nahe, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht ernsthaft beabsichtigt wird. Spekulationen allein können dem Visumsbegehren nicht entgegengehalten werden.

Die Kammer ist zunächst nach dem persönlichen Eindruck, den sie von dem Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, genauso wie der beigeladene Landkreis davon überzeugt, dass der Ehemann es ehrlich meint und die feste Absicht hat, mit der Klägerin in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben.

Der Altersunterschied ist groß, allerdings nicht kulturfremd und damit nicht erklärungsbedürftig. Er mag die Vermutung stärken, dass für die Klägerin der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, der Beigeladene zu 2) eine „gute Partie“ in Deutschland zu sein verspricht. Das Versorgungsmotiv nimmt einer Ehe nicht die Schutzwürdigkeit, selbst wenn es die Eingehung einer ehelichen Lebensgemeinschaft maßgeblich bestimmt.