VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 21.04.2008 - 3 K 1030/07.NW - asyl.net: M13621
https://www.asyl.net/rsdb/M13621
Leitsatz:

§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen Zeigens von Karikaturen, die den iranischen Präsidenten beleidigen, und dem Verlesen regimekritischer Texte auf einer Demonstration in Deutschland.

 

Schlagwörter: Iran, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, menschenrechtswidrige Behandlung, exilpolitische Betätigung, Oppositionelle, Demonstrationen, Internet, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5; EMRK Art. 3
Auszüge:

§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen Zeigens von Karikaturen, die den iranischen Präsidenten beleidigen, und dem Verlesen regimekritischer Texte auf einer Demonstration in Deutschland.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die noch anhängige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2007 ist entsprechend aufzuheben und die Beklagte ist zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - festzustellen.

Eine solche Gefahr existiert im Falle des Klägers. Er hat anlässlich von gegen das im Iran herrschende iranische Regime gerichteten Demonstrationen eine den iranischen Präsidenten beleidigende Karikaturdarstellung gezeigt, was den Tatbestand der Beleidigung des Führers der Islamischen Republik nach Art. 514 iranisches Strafgesetzbuch erfüllt. Auf diese Tat steht eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Die Identifizierung des Klägers auf den in das Internet gestellten Lichtbildern ist durchaus möglich. Der Kläger ist nämlich zusätzlich durch das Verlesen regimekritischer Beiträge anlässlich einer Demonstration sowie die Veröffentlichung selbstverfasster regimekritischer Artikel im Internet unter Nennung seines Namens in Erscheinung getreten. Dadurch ist eine Identifizierung seiner Person den in Deutschland tätigen iranischen Stellen möglich.

Allgemein ist nämlich festzustellen, dass durch den iranischen Nachrichtendienst und andere staatliche und halbstaatliche Einrichtungen in Deutschland eine Beobachtung der Auslandsiraner stattfindet, deren Intensität und Ausmaß zwar im Einzelnen schwer zu bestimmen sein mag, die sich aber jedenfalls auf exponierte Personen bezieht. Dabei handelt es sich zwar in der Regel um exponierte oppositionelle Betätigung, die solchen Personen zuzurechnen ist, die Führungs- oder Funktionsaufgaben in einer Organisation wahrnehmen oder für solche Ämter kandidieren, an Veranstaltungen teilnehmen, die führenden Mitgliedern der Organisation vorgehalten sind, oder die Verantwortlichen für Presseerzeugnisse, öffentliche Veranstaltungen oder wirtschaftliche Belange der Organisation (Bundesamt für Verfassungsschutz vom 04.01.1999 an das VG Potsdam).

Das Zeigen einer den iranischen Präsidenten beleidigenden Karikatur wird den iranischen Stellen daher nicht verborgen bleiben. Mit Rücksicht auf den Charakter des iranischen Regimes muss davon ausgegangen werden, dass ein Interesse an der Verfolgung einer hierin liegenden Straftat besteht, wenn die iranischen Strafverfolgungsbehörden des Täters habhaft werden können.

Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Rückkehr in den Iran im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungshandlungen zu menschenrechtswidrigen Übergriffen auf den Kläger kommen könnte (vgl. Bescheid des Bundesamts vom 8. Dezember 2006 (Az: 5221248-439, veröffentlicht in www.asyl.net).