VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 08.05.2008 - 16 K 2464/07.A - asyl.net: M13632
https://www.asyl.net/rsdb/M13632
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Folgeantrag, Änderung der Rechtslage, Anerkennungsrichtlinie, Religion, religiös motivierte Verfolgung, Konversion, Apostasie, Christen, Missionierung, Glaubwürdigkeit
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 2; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. b
Auszüge:

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig; die Kläger haben keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen nach §§ 60 Abs.1 und 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Es kann offen bleiben, wie sich im Einzelnen auswirkt, dass nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Aufenthaltsgesetzes vom 25.02.2008 - BGBl I 2008, 162 ff, der hier nach § 77 Abs. 1 AsylVfG anzuwenden ist, nunmehr für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt unter anderem Artikel 10 Abs. 1 b) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. EG Nr. L 304/12 vom 30.09.2004) "ergänzend anzuwenden" ist. Denn auch unter Zugrundelegung des Religionsbegriffs des § 10 Abs. 1 b) der genannten Richtlinie hat die Klage nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung keinen Erfolg.

Denn selbst wenn man über das bisher als geschützt angesehene religiöse Existenzminimum hinaus aufgrund der Regelung des Art. 10 Abs. 1 b) der Richtlinie auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich oder in Gemeinschaft mit anderen vom Schutzbereich als erfasst ansehen wollte (so OVG Saarland, Urteil vom 26.06.2007 - 1 A 222/07 -) hat die Klage der Kläger keinen Erfolg. Als Vorfrage ist nämlich zunächst zu klären, ob der Konvertit seinen Glauben nicht nur - etwa aus auf ein Bleiberecht bezogenen taktischen Gründen - durch einen bloß formalen Akt, sondern aus religiöser Überzeugung im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung gewechselt hat und durch den neuen Glauben in seiner religiösen Identität geprägt wird (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 26.06.2007 - 1 A 222/07 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 26.06.2007 - 8 ZU 1463/06.A -, InfAuslR 2007, 405 ff.).

Denn nur wenn verlässlich festgestellt werden kann, dass die Konversion auf einem ernst gemeinten religiös motivierten Einstellungswandel und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, kann davon ausgegangen werden, dass der Schutzsuchende Ausländer bei einer Rückkehr in sein islamisches Heimatland von seiner neuen christlichen Glaubensüberzeugung nicht ablassen könnte und diese damit dort in seinem Heimatland auch im öffentlichen Bereich praktizieren würde und deshalb in eine ihm nicht zumutbare ausweglose Lage geriete (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 26.06.2007 - 8 ZU 1463/06.A -, InfAuslR 2007, 405 ff m.w.N.).

Nach Auswertung des gesamten Akteninhalts und insbesondere nach der persönlichen Anhörung der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks den die Klägerin zu 2) dort vermittelt hat, hat das Gericht bei der gebotenen freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.11.1973 - VI C 5.73 -) nicht die notwendige Überzeugung davon gewonnen, dass die Entscheidung der Klägerin zu 2) für eine Konversion zum Christentum in dem dargelegten Sinn aus religiöser Überzeugung erfolgt ist und sie in ihrer religiösen Identität prägt. Dass dem Religionswechsel keine ernsthafte Glaubensüberzeugung der Klägerin zu 2) zugrunde liegt, machen insbesondere ihre Angaben zu ihrer Taufe deutlich. Denn der Umstand, dass diese zweimal vollzogen worden ist - am 24.03.2006 und nochmals am 30.07.2006 - zeigt, dass es sich bei der Taufe in der Vorstellungswelt der Klägerin zu 2) für sie um ein beliebig wiederholbares Ereignis handelt, dem deswegen zur Überzeugung des Gerichts aber in diesem Fall auch kein wirklicher Aussagegehalt für die Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels beigemessen werden kann. Bereits diese Beliebigkeit der Taufe im vorliegenden Fall spricht vielmehr deutlich dafür, dass die Klägerin den Glauben aus auf ein Bleiberecht bezogenen taktischen Gründen - durch einen bloß formalen Akt - und nicht aus religiöser Überzeugung im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung gewechselt hat.

Maßgeblich kommt hinzu, dass der Grund, den die Klägerin zu 2) für ihren Glaubensübertritt angegeben hat nicht nachvollziehbar ist.

Ist damit nach allem nicht davon auszugehen, dass die Klägerin zu 2) durch den neuen Glauben in ihrer religiösen Identität geprägt wird, ist auch nicht anzunehmen, dass sie bei einer Rückkehr in den Iran das Christentum auch im öffentlichen Bereich praktizieren würde.

Für den Kläger zu 1) liegt ebenfalls keine Änderung der Sach- oder Rechtslage vor, die zu einem Wiederaufgreifen des Verfahrens führt. Der Kläger zu 1) hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso es für ihn wie eine Offenbarung sein soll, dass er Menschen zum christlichen Glauben missioniert und er diesen Weg gehen müsse, selbst wenn er hierfür umgebracht werde. Dieser Vortrag erscheint vielmehr als gekünstelte Übertreibung, die jeglicher Lebenserfahrung widerspricht.

Nach der Auskunftslage stehen schließlich auch nicht der Wechsel zum Christentum als solcher - unabhängig davon, dass dieser hier nicht religiös motiviert war - und die aktive Ausübung des christlichen Glaubens in einer Gemeinde einer Rückkehr der Kläger in den Iran entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), der das Gericht folgt, vgl. hierzu Urteil vom 25.08.2005 - 16 K 6064/02.A-, m.w.N.), ist eine politische Verfolgung von Christen, die nicht öffentlich in herausgehobener Funktion für ihren christlichen Glauben tätig sind, im Iran nicht beachtlich wahrscheinlich. Nichts anderes ergibt sich bei einer missionarischen Betätigung, sofern diese allenfalls in einem ganz geringen, nicht nennenswerten Maß ausgeübt wird, das den verfassungsrechtlich geschützten Bereich des religiösen Existenzminimums nicht verlässt und nach außen nicht erkennbar und nachhaltig mit Erfolg ausgeübt wird (vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 21.07.2005 - 5 A 2493/05.A -).