VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.06.2008 - 3 E 5634/06.AF(1) - asyl.net: M13637
https://www.asyl.net/rsdb/M13637
Leitsatz:
Schlagwörter: Kamerun, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Tuberkulose, Lungenerkrankung, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Beweisantrag, Beweis des Gegenteils, Herkunftsländerinformationen, Finanzierbarkeit, Glaubwürdigkeit, Retraumatisierung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; StPO § 244 Abs. 4
Auszüge:

Die Ablehnung der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG im Bescheid des Bundesamtes vom 04.12.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Sowohl die Kontrolle der medikamentös abschließend behandelten Lungentuberkulose als auch die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung im Sinne von Ziffer F 43.1 des ICD-10-Kataloges ist in Kamerun möglich. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, werden in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte Kameruns vorgenommen (AA-Lagebericht Kamerun vom 19.12.2007 - Seite 13). In Kamerun gibt es ein landesweites, nationales Tuberkulose-Programm (SFH vom 03. August 2006, Fn. 3), so dass die Kontrolle der bereits medikamentös behandelten Tuberkulose bei dem Kläger möglich ist. Hinsichtlich der Behandelbarkeit der beim Kläger gegebenen posttraumatischen Belastungsstörung führt SFH (a.a.O. - Seite 6) aus, dass im Bereich der Pflege psychologischer und psychiatrischer Erkrankungen ein akuter Mangel an modern ausgerüsteten Einrichtungen und qualifiziertem Fachpersonal herrsche, aber neben einem Professor für Psychiatrie es fünf bis sechs sehr begrenzt verfügbare Psychiater, einige fast ausschließlich im Privatsektor tätige Psychologen sowie etwa fünfzig auf psychische Krankheiten spezialisierte Pflegepersonen gebe. Im öffentlichen Sektor gebe es Behandlungsmöglichkeiten im Hôpital Laquintinie (Douala) und im Jamot Hospital (Yaounde), die beide über psychiatrische Abteilungen mit bescheidener Bettenkapazität verfügen. Dort sind gemäß Dr. Dipoko die meisten psychischen Erkrankungen behandelbar. Einige Privatkliniken, Militärkrankenhäuser oder von Missionswerken betriebene Gesundheitszentren sind ebenfalls imstande, bestimmte psychische Erkrankungen zu behandeln. Damit steht außer Frage, dass die psychische Erkrankung des Klägers in Kamerun generell behandelbar ist.

Soweit der Kläger deshalb hilfsweise beantragt hat, eine Auskunft von Medico International einzuholen zum Beweis dafür, dass die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung in Kamerun nicht gegeben ist und er - der Kläger - bei einer Rückkehr deshalb keine adäquate Behandlungsmöglichkeit erhalten wird, ist dieser Beweisantrag abzulehnen, weil aufgrund der oben zitierten Gutachten und Stellungnahmen vom Beweis des Gegenteils auszugehen ist (§ 244 Abs. 4 StPO analog).

Kläger selbst hat keinerlei Angaben gemacht, aus denen sich ergeben könnte, dass er die in Kamerun vorhandene Möglichkeit medizinischer Versorgung seiner Erkrankung(en) tatsächlich nicht erlangen könnte. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, die für die notwendigen medizinischen Behandlungen erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen. Jedenfalls sind die Angaben des Klägers zu den Gründen seiner Flucht und den diese Flucht begleitenden Umständen - in Verbindung mit dem Verhalten des Klägers nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Frankfurt am Main - so gehalten, dass der Kläger insgesamt als völlig unglaubwürdig einzustufen ist. Aufgrund dieser insgesamt gegebenen Unglaubwürdigkeit des Klägers gibt es keine belastbare Grundlage im Tatsächlichen, die den Schluss zulässt, der Kläger könnte bei einer Rückkehr nach Kamerun eine medizinisch notwendige Behandlung nicht erlangen bzw. er sei nicht imstande, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu finanzieren. Bei dieser Sachlage - der völligen Unglaubhaftigkeit der Angaben des Klägers - besteht für das erkennende Gericht keine Verpflichtung, Beweis zu erheben (BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 - NVwZ-RR 1990, 379 (381)).

Schließlich kann ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen drohender Gesundheitsbeeinträchtigungen von besonderer Intensität auch dann vorliegen, wenn dem Betroffenen Ausländer die Inanspruchnahme des in seinem Heimatland vorhandenen und für ihn auch verfügbaren Gesundheitssystems aus neu hinzutretenden gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Auch ein solches, auf besondere Ausnahmefälle beschränktes Abschiebungshindernis (Hess. VGH, Urteil vom 07.01.2008 - 4 UE 24/06.A - Seite 8) ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nimmt man die vom Kläger bei einer Rückkehr nach Kamerun befürchtete Retraumatisierung zum Ausgangspunkt der Erwägungen, so kann dieser im Rahmen der Betrachtung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur dann maßgebliche Bedeutung zukommen, wenn die vom Kläger im Rahmen seiner Exploration gemachten Angaben zu den die Traumatisierung auslösenden Erlebnistatbeständen - wie sie sich aus der psychologischen Stellungnahme der Diplom-Psychologin vom 02.06.2008 ergeben - nicht im Widerspruch zu seinem Vorbringen hinsichtlich seines Verfolgungsschicksals im vorangegangenen Asylverfahren stehen. Im vorliegenden Fall ist jedoch - wie bereits dargelegt - von insgesamt unglaubhaften Angaben des Klägers - einschließlich der Angaben zu seiner Herkunft - auszugehen. Damit fehlt die tatsächliche Grundlage, aufgrund derer davon ausgegangen werden könnte, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Kamerun in jedem Fall - also landesweit - eine Retraumatisierung zu erleiden hätte.