VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 07.07.2008 - 3 L 1773/08.F.A (V) - asyl.net: M13659
https://www.asyl.net/rsdb/M13659
Leitsatz:

Zum vorläufigen Rechtsschutz bei Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes.

 

Schlagwörter: Afghanistan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Existenzminimum, Situation bei Rückkehr, Wiederaufgreifen des Verfahrens, neues Beweismittel, freies Wiederaufgreifen, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Bundesamt, Mitteilung, Ausländerbehörde
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 2; VwVfG § 51 Abs. 5
Auszüge:

Zum vorläufigen Rechtsschutz bei Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist begründet.

Auch ein Anordnungsanspruch liegt nach dem gegenwärtigen Erkenntnis- und Verfahrensstand vor. Dies beruht allerdings nicht darauf, dass auf den entsprechend bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag ein neues Asylverfahren durchzuführen und die Antragsgegnerin nun zu entsprechender Mitteilung an die Ausländerbehörde zu verpflichten wäre. Dies hat die Antragsgegnerin zu Recht mit dem den Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahrens bildenden Bescheid vom 05.06.2008 abgelehnt, denn es liegt bereits kein beachtlicher Folgeantrag vor. Es sind mit dem Vorbringen des Antragstellers die Voraussetzungen des § 71 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt. Der Antragsteller hat keine Gründe vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass er bei seiner Rückkehr nach Afghanistan durch Institutionen bzw. Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG mit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen - also betreffend asylerhebliche Maßnahmen - zu rechnen hat.

Das Vorbringen des Antragstellers vermittelt jedoch (nunmehr) die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ob die Voraussetzungen für ein (gebundenes) Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder ein solches zumindest im Ermessensweg nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG gegeben sind, ist unmittelbar anhand dieser Vorschriften zu bewerten. Ob das zunächst dem Bundesamt unterbreitete Vorbringen geeignet war, die Voraussetzungen für einen verfahrensrelevanten Wiederaufgreifensantrag zu begründen, kann dahingestellt bleiben. Allerdings stellt das nunmehr in das gerichtliche Verfahren eingeführte neue Erkenntnismittel von Peter Rieck, das seine Stellungnahme vom 15.01.2008 an das OVG Rheinland-Pfalz - 6 A 10748/07.OVG - darstellt, jedenfalls ein neues Beweismittel dar, das aus der Sicht des Gerichts geeignet ist, die Rückkehrsituation des Antragsteilers neu zu bewerten, soweit es die Frage betrifft, ob es für eine Person wie ihn bei einer hier in Frage stehenden Aufenthaltnahme in Kabul praktisch aussichtslos ist, in irgendeiner Weise auf dem Arbeitsmarkt Einkünfte für eine Lebenssicherung zu erzielen, welche eine Extremgefahr für Leib und Leben ausschlösse (in diesem Sinne unter Heranziehung vor allem auch der Feststellungen von Rieck Extremgefahr grundsätzlich bejaht von OVG Koblenz im jüngst dokumentierten Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - Juris Rechtsprechung). Müsste man praktisch von der dauerhaften Aussichtslosigkeit einer - wenn auch geringen - Einkommenserzielung bei einer Person mit dem Hintergrund des Antragstellers in Kabul ausgehen, würde sich auch die Frage neu stellen, ob und inwieweit er vollends auf Unterstützungsleistungen von Verwandten in Deutschland verwiesen werden kann. Denn dann bestünde zunächst Klärungsbedarf, ob bei den derzeitigen Gegebenheiten Oberhaupt ein regelmäßiger Transfer von Mitteln gesichert wäre.

Bei diesen Gegebenheiten ist wegen der nach derzeitigem Erkenntnisstand gegebenen Beachtlichkeit des Antrags auf Wiederaufgreifen hinsichtlich eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung der Anspruch auf Durchführung des bereits anhängigen Klageverfahrens ohne vorherigen Vollzug der Abschiebung des Antragstellers entsprechend zu sichern.