LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.05.2008 - L 20 B 12/08 SO ER - asyl.net: M13695
https://www.asyl.net/rsdb/M13695
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Erwerbsunfähige, Krankenbehandlung, medizinische Versorgung, Krankenversicherung, Versicherungspflicht, Unionsbürger, Freizügigkeit, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: SGG § 86b Abs. 2; SGB XII § 2 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13; SGB V § 5 Abs. 11 S. 2; FreizügG/EU § 4
Auszüge:

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegen zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor.

Der Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Krankenbehandlung des Antragstellers sicherzustellen, kann insbesondere der Nachranggrundsatz aus § 2 Abs. 1 SGB XII nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Zwar kommt für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 oder § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in Betracht.

Vorliegend steht nach summarischer Prüfung der Versicherungspflicht aber die Vorschrift des § 5 Abs. 11 S. 2 SGB V entgegen. Danach werden von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz nicht erfasst, wenn Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Dabei soll allein das Bestehen der Verpflichtung nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU eine entsprechende Versicherungspflicht ausschließen, ohne dass es darauf ankommt, ob Krankenversicherungsschutz tatsächlich besteht (vgl. Baier, a.a.O., Rn. 117). Nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU haben nicht erwerbstätige Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und ihre Lebenspartner, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, das Recht auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Der Antragsteller ist nicht erwerbstätiger Unionsbürger im Sinne dieser Vorschrift und verfügt nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz, so dass dahinstehen kann, ob bereits das Bestehen der Verpflichtung (s.o.) der Versicherungspflicht entgegensteht. Der Senat vermag insbesondere der Auffassung der Antragsgegnerin, im Zeitpunkt der Einreise habe Freizügigkeit vorgelegen, nicht beizutreten. Die von der Antragstellerin vorgelegte Stellungnahme der Ausländerbehörde geht davon aus, dass ein Krankenversicherungsschutz über die italienische Rente mit dem Vordruck E 121 sichergestellt sei. Genau dies erscheint aber fraglich. Denn die Beigeladene hat darauf verwiesen, dass der italienische Sozialversicherungsträger mit Bescheinigung vom 04.01.2008 mitgeteilt habe, eine Versicherung könne nicht festgestellt werden. Unstreitig ist, dass trotz aller Bemühungen der Beteiligten zumindest Krankenversicherungsschutz über den italienischen Kartenversicherungsträger nicht gesichert besteht.