OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.05.2008 - 18 A 209/07 - asyl.net: M13697
https://www.asyl.net/rsdb/M13697
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Passpflicht, Passlosigkeit, Identität ungeklärt, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Ausländerbehörde, Hinweispflicht
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1a; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4; AufenthG § 3 Abs. 1; AufenthG § 48 Abs. 3; AufenthG § 82 Abs. 3
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Hinsichtlich des allein benannten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts.

Mit dem Zulassungsantrag wenden sich die Kläger erfolglos gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG jedenfalls an der Erfüllung der allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 a und 4 AufenthG (fehlender Passbesitz sowie ungeklärte Identität und Staatsangehörigkeit) scheitere und eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel nicht gegeben sei, weil die Kläger nicht alles ihnen Zumutbare unternommen hätten, um Pässe zu bekommen sowie ihre Identität und Staatsangehörigkeit zu klären. Hierzu führen die Kläger unter Hinweis auf ihre diesbezüglichen Bemühungen im Wesentlichen aus, sie seien im Rahmen des Zumutbaren ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen, insbesondere hätten sie wiederholt die Anträge auf Ausstellung von Passersatzpapieren wahrheitsgemäß ausgefüllt, seien bei den verschiedenen konsularischen Vertretungen erschienen und hätten auch wiederholt dort vorgesprochen. Alle ihre Anstrengungen, von ihren Herkunftsländern Armenien und Turkmenistan Pässe oder Passersatzpapiere zu bekommen seien erfolglos gewesen, so dass weitere Bemühungen von vornherein aussichtslos wären.

Dem ist nicht zu folgen.

Maßgeblich ist insoweit, dass hier im Vordergrund die Erfüllung von Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten des Ausländers steht (vgl. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), hinsichtlich derer der Ausländerbehörde mangels eigener Wahrnehmungsmöglichkeiten regelmäßig auch keine Darlegung und kein Beweisantritt möglich sein wird. Erst wenn ein Ausländer die aufgezeigten (üblichen) Mitwirkungshandlungen erfüllt hat, trägt die Ausländerbehörde die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche konkreten weiteren und nicht von vornherein aussichtslosen Mitwirkungshandlungen der Betroffene zur Beseitigung des Ausreisehindernisses noch unternehmen kann.

Ausländer, die den aufgezeigten Obliegenheiten und Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachkommen, haben die sich aus ihrem Verhalten ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen und können nicht darauf vertrauen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Dies gilt erst recht, wenn sie - wie die Kläger - ohne Reisedokumente nach Deutschland eingereist sind und damit gezielt die Umstände herbeigeführt haben, die nun der Aufklärung ihrer Identität sowie ihrer freiwilligen Ausreise und ihrer Abschiebung entgegen stehen (vgl. zu allem nur Senatsbeschlüsse vom 14. März 2006 - 18 E 924/04 -, InfAuslR 2006, 322 = NWVBl. 2006, 260 = EZAR NF Nr. 28 Nr. 5, und vom 10. Januar 2008 - 18 E 359/07 -, juris).

Dies zugrunde gelegt ist nicht zu erkennen, dass die in dem angefochtenen Urteil von den Klägern verlangten weiteren Nachforschungen von vornherein aussichtslos sein könnten. Im Gegenteil bieten die Geburt der Kläger in Armenien bzw. Turkmenistan (in den Jahren 1957, 1982, 1984, 1986, 1992) sowie ihr überwiegend dort langjähriger Aufenthalt bis zu ihrer Einreise ins Bundesgebiet im Januar 1994 einen hinreichenden Anhalt dafür, dass es ihnen möglich sein müsste, zumindest Unterlagen über ihre Identität zu beschaffen. Die diesbezüglich während des Zulassungsverfahren erstmals aufgenommen Anstrengungen sind einerseits nicht berücksichtigungsfähig, weil sie erst nach Ablauf der Darlegungsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO (9. März 2007) mit Schriftsatz vom 2. Mai 2007 vorgetragen wurden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. Juni 2006 - 18 A 4783/04) und andererseits auch ihrem Inhalt nach unzureichend sind. Erwartet werden muss in diesem Zusammenhang, dass mit der größtmöglichen Sorgfalt in nachvollziehbarer Weise Nachforschungen angestellt werden. Einfache Briefe zwischen Privatpersonen sind dazu wegen ihres geringen Beweiswertes regelmäßig ebenso ungeeignet wie eine Korrespondenz per Email. Deshalb wird es grundsätzlich unerlässlich sein, insoweit einen Rechtsanwalt in Deutschland oder eine amtliche Stelle des Herkunftslandes zu beauftragen. Dabei gehört es zu den naheliegenden und deshalb regelmäßig zu nutzenden Möglichkeiten, die Adressen dieser Stellen und der Rechtsanwälte im Herkunftsland gegebenenfalls über die Botschaft des Herkunftslandes in Deutschland oder über die dortige deutsche Auslandsvertretung zu erfragen. In diesem Zusammenhang kann sich, namentlich bei anwaltlich nicht vertretenen Ausländern und ohne dass hierdurch deren Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten geschmälert werden, aufgrund der sich § 82 Abs. 3 AufenthG für die Ausländerbehörde obliegenden Hinweispflicht infolge ihrer Sachkunde das Erfordernis ergeben, dem Ausländer konkrete Möglichkeiten für die von ihm erwarteten

Nachforschungen aufzuzeigen.