VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 16.04.2008 - 10 K 4186/06 - asyl.net: M13710
https://www.asyl.net/rsdb/M13710
Leitsatz:

Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsgestattung sind nur im Rahmen von § 10 Abs. 1 StAG anzurechnen, wenn das Asylverfahren mit einer Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft endete; das gilt auch, wenn das Asylverfahren vor dem 1.1.2005 mit der Anerkennung als Flüchtling endete.

 

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Aufenthaltsdauer, rechtmäßiger Aufenthalt, Aufenthaltsgestattung, Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Zuwanderungsgesetz, Gesetzesänderung, Altfälle, Übergangsregelung
Normen: StAG § 10 Abs. 1; AsylVfG § 55 Abs. 1; AsylVfG § 55 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsgestattung sind nur im Rahmen von § 10 Abs. 1 StAG anzurechnen, wenn das Asylverfahren mit einer Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft endete; das gilt auch, wenn das Asylverfahren vor dem 1.1.2005 mit der Anerkennung als Flüchtling endete.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Das Einbürgerungsbegehren des Klägers ist auf der Grundlage des § 40c des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) in der Fassung des Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) - neue Fassung (n.F.) - nach §§ 10 und 40c StAG in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes zu prüfen, weil der Antrag nicht vor dem 16.03.1999, aber bis zum 30.03.2007 gestellt worden ist.

Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass der Einbürgerung des Klägers gemäß § 10 StAG entgegensteht, dass er nicht seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Insoweit ist, wie bereits aus der Formulierung "... seit ..." abzuleiten ist, grundsätzlich ein ununterbrochener rechtmäßiger Aufenthalt erforderlich (vgl. VG Köln, Urteil vom 15.02.2006 - 10 K 3644/05 - m.w.N.; Hailbronner in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage, § 10 StAG Rdnr. 15).

Zu den Zeiten eines im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG rechtmäßigen Aufenthalts zählt zwar auch die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) (vgl. Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13.06.2005 - 14-40.02.01-6.1-; Hailbronner a.a.O., § 10 Rdnr. 20), wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 AsylVfG vorliegen. Dazu hat jedoch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Urteil vom 29.03.2007 (5 C 8.06 -, BVerwGE 128, 254 = NVwZ 2007, 1088) ausgeführt:

"Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG wird die Zeit des Aufenthalts mit einer zur Durchführung des Asylverfahrens erteilten Aufenthaltsgestattung, soweit der Erwerb eines Rechts oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, "nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden ist oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) festgestellt hat". Bereits dieser Wortlaut und der systematische Zusammenhang des § 55 Abs. 3 AsylVfG mit der Anrechnungsregelung in - früher - § 35 Abs. 1 Satz 2 AuslG bzw. - jetzt - § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG sprechen eindeutig dafür, dass bei erfolglosem Asylverfahren die gesetzliche Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne der staatsangehörigkeitsrechtlichen Voraussetzungen nicht genügt. Wenn nach § 55 Abs. 3 AsylVfG die Zeit des Aufenthalts mit einer Aufenthaltsgestattung beim Erwerb oder der Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung nur angerechnet wird, falls der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden ist, folgt daraus, dass diese Zeit bei erfolglosem Ausgang des Asylverfahrens - wie hier - nicht anzurechnen ist. § 35 Abs. 1 Satz 2 AuslG bzw. jetzt § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG sehen für die dort genannten Aufenthaltstitel vor, dass die Aufenthaltszeit des vorangegangenen Asylverfahrens "abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes" auf die Frist des erforderlichen rechtmäßigen, durch eine Aufenthaltsbefugnis bzw. eine Aufenthaltserlaubnis abgedeckten Aufenthalts angerechnet werden. Dabei handelt es sich ersichtlich um eine auf die dort genannten Aufenthaltstitel beschränkte Sonderregelung. Stellt das Gesetz - wie in § 55 Abs. 3 AsylVfG - einen Grundsatz auf und sieht davon abweichend für eine bestimmte Fallgestaltung - früher § 35 Abs. 1 Satz 2 AuslG zur unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und jetzt § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zur Niederlassungserlaubnis - eine Ausnahme vor, so ergeben bereits Wortlaut und Systematik der Regelung eindeutig, dass die Ausnahme auf den gesetzlich geregelten Ausnahmefall zu beschränken ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu der Vorläuferregelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG in § 19 Abs. 3 AsylVfG 1982, in der es heißt, dass der gestattete Aufenthalt dann nicht anzurechnen sei, wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen oder der Antrag abgelehnt sei; dies erscheine "notwendig, um zu verhindern, dass Ausländer ein aussichtsloses Asylverfahren über Jahre betreiben, um dann unter Berufung auf den jahrelang gestatteten Aufenthalt Rechte geltend zu machen" (BTDrucks 9/875 S. 21). Dieser Regelung und diesem Zweck entspricht § 55 Abs. 3 AsylVfG 1992 (vgl. BTDrucks 12/2062 S. 37)."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Sie ist ferner der Auffassung, dass auch eine Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) zu berücksichtigen wäre, obwohl nach der Rechtslage vor dem 01.01.2005 § 55 Abs. 3 AsylVfG auf Fälle, in denen festgestellt worden ist, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, keine Anwendung fand und § 51 AuslG zum 31.12.2004 außer Kraft getreten ist. Die Ausdehnung des § 55 Abs. 3 AsylVfG a.F. auf Fälle des § 51 Abs. 1 AuslG war bis dahin deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Status eines unanfechtbar anerkannten Asylberechtigten und eines Ausländers, in Bezug auf den die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt worden sind, deutliche Unterschiede aufwies, wie sich insbesondere aus den unterschiedlichen Aufenthaltstiteln ergab, die gemäß § 68 bzw. § 70 AsylVfG a.F. zu erteilen waren, wobei hinzukommt, dass eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 70 AsylVfG a.F. auch nur zu erteilen war, wenn die Abschiebung des Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich war (vgl. VG Köln, Urteil vom 30.05.2005 - 10 K 3433/04 - m.w.N.; Hailbronner a.a.O. § 10 StAG Rdnr. 20; Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 5. Auflage, § 55 Rdnr. 44).

Diese Rechtslage hat sich aber mit Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 geändert. In seiner neuen Fassung bezieht § 55 Abs. 3 AsylVfG erstmals bestandskräftige Feststellungen gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG ein. Damit werden zugleich auch bestandskräftige Feststellungen gemäß § 51 Abs. 1 AuslG erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2007 - 5 C 8.06 - a.a.O. ohne weitere Begründung).

Denn sie gelten unabhängig von den ihnen zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen aufgrund der Bestandskraft weiter und werden inhaltlich von einer Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst (vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.04.2006 - 9 A 3538/05.A -, zitiert nach Juris; VG Köln, Urteil vom 10.06.2005 - 18 K 4074/04.A -, NVwZ-RR 2006, 67).

Außerdem führt die Begründung zum Entwurf des Zuwanderungsgesetzes seitens der Bundesregierung vom 07.02.2003 zur Änderung des § 55 Abs. 3 AsylVfG (Art. 3 Nr. 36), BT-Drucks. 15/420, S. 111 (Hervorhebung durch die Kammer) aus:

"... Die aufenthaltsrechtliche Angleichung von Asylberechtigten und Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention erfordert eine Angleichung auch im Hinblick auf die Anrechnung von Asylverfahrenszeiten. ... Zudem führt die gegenwärtige Rechtslage zu dem unvertretbaren Ergebnis, dass die unterschiedliche Dauer des Asylverfahrens zu Lasten des jeweiligen Konventionsflüchtlings geht. Die Änderung beseitigt diese Ungerechtigkeit."

Nach dieser Wortwahl wird die Ungleichbehandlung für sämtliche und damit auch für nach § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig anerkannte Konventionsflüchtlinge "beseitigt". Das entspricht der Intention des Gesetzes, zu dessen Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung a.a.O., S. 64 unter A. II. 3. c) ausgeführt ist: "Der gesamte rechtliche Regelungsrahmen ist darauf angelegt, für die Integration der Zuwanderer und der auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland aufhältigen Ausländer günstige Bedingungen zu schaffen und ihre Eingliederung in die Gesellschaft zu fördern" (vgl. zu dieser Zielsetzung auch: VG Köln, Urteil vom 10.06.2005 a.a.O.).

Schließlich fehlt eine dem § 87b AsylVfG vergleichbare Anordnung der Weitergeltung alten Rechts.

Damit stellt die materiellrechtliche Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG keine rein zukunftsbezogene Regelung dar, wie es für die Vorschrift des § 73 Abs. 2a AsylVfG wegen ihres Charakters eines bindenden Prüfungsauftrags an die Behörde im Rahmen des Verfahrens vertreten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.11.2005 - 1 C 21.04 -, zitiert nach Juris; OVG NRW, Urteil vom 04.04.2006 a.a.O.; a.A.: VG Köln, Urteil vom 10.06.2005 a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Anrechnung der Aufenthaltsgestattung während der Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auf den erforderlichen achtjährigen ununterbrochenen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt nicht vor, weil er weder als Asylberechtigter anerkannt wurde noch für ihn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt wurden. Vielmehr hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) in seinem Bescheid vom 17.07.1998 allein die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (heute: § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) festgestellt.