EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 25.07.2008 - C-127/08, Metock u. a. - asyl.net: M13712
https://www.asyl.net/rsdb/M13712
Leitsatz:

Die Freizügigkeit von Familienangehörigen von Unionsbürgern setzt nicht voraus, dass sich die Familienangehörigen zuvor in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft aufgehalten haben; Ehegatten von Unionsbürgern können sich auf ihr Freizügigkeitsrecht unabhängig davon berufen, wann oder wo ihre Ehe geschlossen wurde oder wie sie eingereist sind.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Unionsbürgerrichtlinie, Unionsbürger, Familienangehörige, Ehegattennachzug, Familienzusammenführung, Freizügigkeit, Zuständigkeit, Europäische Gemeinschaft, Eheschließung
Normen: RL 2004/38/EG Art. 3 Abs. 1; RL 2004/38/EG Art. 2 Nr. 2; RL 2004/38/EG Art. 5 Abs. 2; EG Art. 18; EG Art. 40; EG Art. 44; EG Art. 52
Auszüge:

48 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2004/38 der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat zunächst rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, um sich auf die Bestimmungen dieser Richtlinie berufen zu können.

49 Erstens ist festzustellen, dass keine Bestimmung der Richtlinie 2004/38 deren Anwendung in Bezug auf Familienangehörige von Unionsbürgern von der Voraussetzung abhängig macht, dass diese sich zuvor in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben.

50 Laut ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2004/38 für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen Mitgliedstaat als den, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie, die ihn in diesen Mitgliedstaat begleiten oder ihm dorthin nachziehen. Die in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38 enthaltene Definition der Familienangehörigen unterscheidet nicht danach, ob sich diese bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hatten oder nicht.

51 Zudem räumen Art. 5, Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, den sie in diesen Mitgliedstaat begleiten oder dem sie dorthin nachziehen, das Recht auf Einreise, auf Aufenthalt bis zu drei Monaten und auf Aufenthalt für mehr als drei Monate ein, ohne auf den Ort oder die Bedingungen ihres Aufenthalts vorder Einreise in den betreffenden Mitgliedstaat Bezug zu nehmen.

52 Insbesondere bestimmt Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/38, dass von Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, ein Einreisevisum zu fordern ist, sofern sie nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte gemäß Art. 10 dieser Richtlinie sind. Da, wie aus Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hervorgeht, die Aufenthaltskarte das Dokument ist, das den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht bescheinigt, sich für mehr als drei Monate in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, macht der Umstand, dass der genannte Art. 5 Abs. 2 die Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat hinsichtlich der Familienangehörigen eines Unionsbürgers regelt, die nicht über eine Aufenthaltskarte verfügen, deutlich, dass die Richtlinie 2004/38 auch auf Familienmitglieder Anwendung finden kann, die sich nicht bereits in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben.

53 Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, der die Dokumente abschließend aufzählt, die Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, im Aufnahmemitgliedstaat gegebenenfalls für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte vorlegen müssen, sieht für den Aufnahmemitgliedstaat keine Möglichkeit vor, Dokumente zu verlangen, die belegen, dass sich der Betreffende eventuell vorher rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat.

54 Unter diesen Umständen ist die Richtlinie 2004/38 in dem Sinne auszulegen, dass sie für jeden Drittstaatsangehörigen gilt, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie ist und den Unionsbürger in einen anderen Mitgliedstaat als den, dessen Staatsangehörigkeit dieser besitzt, begleitet oder diesem dorthin nachzieht, und ihm hinsichtlich dieses Mitgliedstaats das Recht auf Einreise und Aufenthalt verleiht, ohne danach zu unterscheiden, ob sich der betreffende Drittstaatsangehörige bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat oder nicht.

55 Diese Auslegung wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt, die zu die Freizügigkeit betreffenden Sekundärrechtsakten ergangen ist, die vor der Richtlinie 2004/38 erlassen wurden.

60 Zweitens steht die vorstehend vorgenommene Auslegung der Richtlinie 2004/38 im Einklang mit der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft.

61 Es steht nämlich fest, dass der Gemeinschaft aus den Art. 18 Abs. 2 EG, 40 EG, 44 EG und 52 EG – auf deren Grundlage die Richtlinie 2004/38 u. a. erlassen wurde – die Zuständigkeit erwächst, alle Maßnahmen zu erlassen, die erforderlich sind, um die Freizügigkeit der Unionsbürger herzustellen.

62 Wie bereits in Randnr. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt, würde die Ausübung der Freiheiten, die der Vertrag den Unionsbürgern gewährleistet, schwerwiegend behindert, wenn diese im Aufnahmemitgliedstaat kein normales Familienleben führen dürften.

63 Folglich kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der Zuständigkeit, die ihm die genannten Artikel des Vertrags einräumen, die Voraussetzungen regeln, unter denen die Familienangehörigen eines Unionsbürgers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort aufhalten dürfen, sofern der Unionsbürger dadurch in seiner Freizügigkeit beeinträchtigt sein könnte, dass ihn seine Familie nicht in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nicht dorthin nachziehen darf, weil ihn dies davon abhielte, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in diesen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten.

64 Die Weigerung des Aufnahmemitgliedstaats, den Familienangehörigen eines Unionsbürgers das Recht zur Einreise und zum Aufenthalt einzuräumen, ist aber geeignet, diesen davon abzuhalten, sich in diesen Mitgliedstaat zu begeben oder dort zu bleiben, auch wenn sich seine Familienangehörigen nicht bereits rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten.

65 Demzufolge ist der Gemeinschaftsgesetzgeber dafür zuständig, die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, in Bezug auf den Mitgliedstaat, in dem dieser sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, zu regeln, wie er es mit der Richtlinie 2004/38 getan hat, und zwar auch für den Fall, dass sich dessen Familienangehörige nicht bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben.

66 Die Auffassung, die vom Justizminister sowie von mehreren Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, vertreten worden ist, wonach die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich von Titel IV des Dritten Teils des Vertrags, die ausschließliche Zuständigkeit dafür behielten, den erstmaligen Zugang von Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besäßen, zum Gemeinschaftsgebiet zu regeln, ist daher zurückzuweisen.

67 Würde man im Übrigen den Mitgliedstaaten die ausschließliche Zuständigkeit dafür einräumen, Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind und sich nicht bereits in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben, die Einreise und den Aufenthalt auf ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten oder zu verweigern, so hätte dies zur Folge, dass die Freizügigkeit der Unionsbürger in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, je nach dem nationalen Zuwanderungsrecht unterschiedlich ausgestaltet wäre, weil einige Mitgliedstaaten Familienangehörigen eines Unionsbürgers die Einreise und den Aufenthalt gestatten, während andere ihnen dies verweigern.

69 Zudem würde die in Randnr. 66 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Auffassung zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass ein Mitgliedstaat aufgrund der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12) verpflichtet wäre, dem Ehegatten eines Drittstaatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet und den Aufenthalt dort zu gestatten, dass er aber dem Ehegatten eines Unionsbürgers die Einreise und den Aufenthalt unter denselben Umständen verweigern dürfte.

70 Demzufolge verleiht die Richtlinie 2004/38 jedem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie ist und den Unionsbürger in einen anderen Mitgliedstaat als den, dessen Staatsangehörigkeit dieser besitzt, begleitet oder ihm dorthin nachzieht, unabhängig davon, ob sich der betreffende Drittstaatsangehörige bereits in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat oder nicht, das Recht, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten.

71 Der Justizminister sowie mehrere Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, haben jedoch geltend gemacht, dass es in einem von starkem Zuwanderungsdruck geprägten Kontext erforderlich sei, die Zuwanderung an den Außengrenzen der Gemeinschaft zu kontrollieren, was eine individuelle Prüfung aller Umstände voraussetze, die mit der erstmaligen Einreise in das Gebiet der Gemeinschaft verbunden seien. Eine Auslegung der Richtlinie 2004/38, wonach es einem Mitgliedstaat untersagt sei, einen vorherigen rechtmäßigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zu verlangen, würde die Fähigkeit der Mitgliedstaaten untergraben, der Zuwanderung an ihren Außengrenzen Herr zu werden.

72 Der Justizminister trägt insbesondere vor, dass diese Auslegung schwerwiegende Folgen für die Mitgliedstaaten hätte, da sie zu einem enormen Anstieg der Zahl der Personen, die ein Recht auf Aufenthalt in der Gemeinschaft beanspruchen könnten, führen würde.

73 Dem ist entgegenzuhalten, dass zum einen nicht alle Drittstaatsangehörigen aus der Richtlinie 2004/38 das Recht ableiten, in einen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten, sondern nur diejenigen, die im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat.

74 Zum anderen nimmt die Richtlinie 2004/38 den Mitgliedstaaten nicht jegliche Möglichkeit, die Einreise der Familienangehörigen von Unionsbürgern in ihr Hoheitsgebiet zu kontrollieren. Denn aufgrund von Kapitel VI dieser Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten, wenn dies gerechtfertigt ist, die Einreise und den Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verweigern. Eine solche Weigerung muss aber auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden.

75 Zudem dürfen die Mitgliedstaaten nach Art. 35 der Richtlinie 2004/38 die Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug – wie z. B. durch Eingehung von Scheinehen – zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen, vorausgesetzt, dass solche Maßnahmen verhältnismäßig sind und den Verfahrensgarantien dieser Richtlinie unterliegen.

80 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass die Richtlinie 2004/38 der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, um sich auf die Bestimmungen dieser Richtlinie berufen zu können.

Zur zweiten Frage

81 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Ehegatte eines Unionsbürgers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, indem er sich in einem Mitgliedstaat niedergelassen hat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 den betreffenden Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht und sich somit unabhängig von dem Ort und dem Zeitpunkt der Eheschließung und den Umständen, unter denen er in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie berufen kann.

86 Die Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/38, die das Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten bzw. das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate betreffen, verlangen ebenfalls, dass die Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, den betreffenden Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat "begleiten" oder ihm dorthin "nachziehen", um ein Aufenthaltsrecht beanspruchen zu können.

87 Erstens verlangt keine dieser Vorschriften, dass der Unionsbürger zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich in den Aufnahmemitgliedstaat begibt, bereits eine Familie gegründet hat, damit seine Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besitzen, die mit dieser Richtlinie geschaffenen Rechte in Anspruch nehmen können.

88 Indem er vorgesehen hat, dass die Familienangehörigen eines Unionsbürgers diesem in den Aufnahmemitgliedstaat nachziehen können, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber im Gegenteil anerkannt, dass der Unionsbürger möglicherweise erst, nachdem er sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, eine Familie gründet.

89 Diese Auslegung steht im Einklang mit der Zielsetzung der Richtlinie 2004/38, die die Ausübung des den Unionsbürgen zustehenden elementaren Rechts erleichtern soll, sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, aufzuhalten. Denn wenn ein Unionsbürger eine Familie gründet, nachdem er sich im Aufnahmemitgliedstaat niedergelassen hat, könnte die Weigerung dieses Mitgliedstaats, seinen Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besitzen, zu gestatten, ihm in den Aufnahmemitgliedstaat nachzuziehen, diesen davon abbringen, sich weiter dort aufzuhalten, und ihn veranlassen, den Aufnahmemitgliedstaat zu verlassen, um ein Familienleben in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland zu führen.

90 Demzufolge haben Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, aufgrund der Richtlinie 2004/38 das Recht, diesem in den Aufnahmemitgliedstaat nachzuziehen, gleichgültig, ob dieser sich dort niedergelassen hat, bevor oder nachdem er eine Familie gegründet hat.

91 Zweitens muss geprüft werden, ob der Drittstaatsangehörige, der in den Mitgliedstaat eingereist ist, bevor er Familienangehöriger eines dort ansässigen Unionsbürgers geworden ist, diesen begleitet oder ihm nachzieht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38.

92 Es spielt keine Rolle, ob Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, bevor oder nachdem sie Familienangehörige des Unionsbürgers wurden, da die Weigerung des Aufnahmemitgliedstaats, ihnen ein Aufenthaltsrecht einzuräumen, gleichermaßen geeignet ist, den betreffenden Unionsbürger davon abzuhalten, sich weiter in diesem Mitgliedstaat aufzuhalten.

93 In Anbetracht der Notwendigkeit, die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 nicht eng auszulegen und diese nicht ihrer praktischen Wirksamkeit zu berauben, muss der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie verwendete Begriff "Familienangehörige [eines Unionsbürgers], die ihn begleiten" folglich dahingehend ausgelegt werden, dass er sowohl die Familienangehörigen eines Unionsbürgers umfasst, die mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass im zweiten Fall danach zu unterscheiden wäre, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind.

94 Würde die Richtlinie 2004/38 nur auf Familienangehörige eines Unionsbürgers angewandt, die diesen "begleiten" oder ihm "nachziehen", käme dies folglich einer Beschränkung des Einreise- und Aufenthaltsrechts von Familienangehörigen eines Unionsbürgers auf den Mitgliedstaat gleich, in dem dieser sich aufhält.

99 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 dahin gehend auszulegen ist, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann oder wo ihre Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist.