OLG Brandenburg

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Zitieren als:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.07.2008 - 11 Wx 53/06 - asyl.net: M13742
https://www.asyl.net/rsdb/M13742
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Asylgesuch, Asylantrag, Asylantragstellung, Bundespolizei, Zurückschiebung, Drittstaatenregelung, Verordnung Dublin II, Bundesamt
Normen: AsylVfG § 14 Abs. 3; AsylVfG § 18 Abs. 3; AsylVfG § 55 Abs. 1; AsylVfG § 13 Abs. 3
Auszüge:

Die auf die Kostenfrage beschränkte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: 16 Wx 198/06). Sie erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts zur Kostentragungspflicht der Rechtsbeschwerdeführerin an.

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob § 14 Abs. 3 AsylVfG in der bis zum 27.08.2007 (im Folgenden a.F.) geltenden Fassung auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation Anwendung findet, ist auch in der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage unterschiedlich beantwortet worden.

So ist die Auffassung vertreten worden, in solch gelagerten Fällen ende die Haft nicht gemäß § 14 Abs. 3 AsylVfG (a. F.), weil die Bundespolizei die Zurückschiebung nach § 18 Abs. 3 AsylVfG (a.F.) angeordnet habe. Das Bundesverfassungsgericht habe für den Fall einer Einreiseverweigerung aus einem sicheren Drittstaat entschieden, dass ein Asylverfahren nicht stattfinde und dass das als Vorwirkung eines grundrechtlichen Schutzes gewährleistete vorläufige Bleiberecht entfalle (BVerfGE 94, 49, 87). Demzufolge könne auch ein beim B. eingegangener Asylantrag eines Betroffenen noch zu keiner Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVfG (a.F.) führen, weil die Behörde die Zurückschiebung des Betroffenen betrieben habe.

Die Zuständigkeit der Bundespolizei für die Entgegennahme und Prüfung des Asylbegehrens im Fall des Aufgriffs im grenznahen Raum in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise sei dementsprechend in § 13 Abs. 3 S. 1 AsylVfG (a. F.) ausdrücklich geregelt (AG Schöneberg, a.a.O.).

Die Vollziehung der Zurückschiebung sei zwar auszusetzen gewesen, weil nach § 18 Abs. 4 AsylVfG (a.F.) von der Zurückschiebung im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat abzusehen sei, soweit die Bundesrepublik Deutschland auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung eines Asylantrages zuständig sei. Nach der VO (EG) N. 343/2003, Art. 3 Abs.1 prüften die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates stelle. Der Antrag werde von einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels 3 als zuständiger Staat bestimmt werde. Vorliegend – so das Amtsgericht Schöneberg – sei Griechenland nach Art. 10 Abs. 1 S. 1 der VO als zuständiger Mitgliedsstaat in Betracht gekommen. Demzufolge habe das B. ein Übernahmeersuchen dorthin gerichtet, mit dem Ziel, den Betroffenen dorthin zurückzuschieben. Dadurch sei die Bundesrepublik jedoch nicht für die Prüfung des Antrags nach Art. 3 Abs. 2 der VO zuständig geworden. Danach könne abweichend von Abs.1 jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig sei. Der betreffende Staat werde dadurch zum zuständigen Mitgliedsstaat im Sinne dieser VO. Mangels materiellrechtlicher Prüfung des Antrags sei die Bundesrepublik erst mit der Ablehnung Griechenlands, den Betroffenen zu übernehmen, für die Prüfung des Antrags nach Art. 13 zuständig geworden (AG Schöneberg, a.a.O.).

Dieser Auffassung, auf die sich die antragstellende Behörde mit stützt, ist das Landgericht Berlin nicht gefolgt (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 05.03.2007, Az.: 84 T 64/07 B). Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, die Pflicht zur Grenzantragsstellung (§ 13 Abs. 3 S. 1 AsylVfG (a.F.) sei eine Obliegenheit des Asylbewerbers, also ein Gebot eigenen Interesses, dessen Nichterfüllung negative Konsequenzen zeitige, die Asylantragstellung aber somit nicht unwirksam mache. Keinesfalls dürfe einem Ersuchen die Qualität als Asylantrag unter Hinweis auf die fehlende behördliche Zuständigkeit abgesprochen werden (LG Berlin m.w.N.). Den Ausführungen des dortigen Antragstellers, der Asylantrag sei vom B. erst dann zu bearbeiten gewesen, nachdem der Betroffene zur Durchführung eines Asylverfahrens an die Außenstelle des B. weitergeleitet geleitet worden sei, erst zu diesem Zeitpunkt liege ein wirksamer Asylantrag vor, könne nicht gefolgt werden. Ein Asylverfahren sei vom B. nicht durchgeführt, der Asylantrag nicht beschieden worden. Der Betroffene jenes Verfahrens sei zwar aus einem sicheren Drittstaat eingereist, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst das vorläufige Bleiberecht ebenso wie der Grundrechtschutz unabhängig davon entfallen sei, ob eine Rückführung (nach Griechenland) möglich oder beabsichtigt gewesen sei. Das vorläufige Bleiberecht des Betroffenen habe jedenfalls wieder eingesetzt, nachdem das B. keine Entscheidung darüber getroffen hatte, dass der Asylantrag des Betroffenen aus diesem Grunde unbeachtlich gewesen sei (LG Berlin unter Hinweis auf BayObLG EZAR 048, Nr. 52). In Ansehung der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. IV S. 3 AsylVfG (a.F.) stehe das Ausbleiben der Zustellung einer Entscheidung des B. innerhalb der dort genannten Frist einer Haftfortdauer immer entgegen. Auf den Grund der Verzögerung komme es nicht an. Daran ändere nichts, dass das B. zunächst um die Übernahme des Asylverfahrens durch die griechischen Behörden bemüht gewesen sei. Die gesetzliche Regelung sei insoweit eindeutig, weshalb es auch nicht von Bedeutung sei, ob der Betroffene nach nicht geglückter Einreise zurückgeschoben oder aber nach illegaler Einreise abgeschoben werden solle (LG Berlin unter Hinweis auf BayObLG, a.a.O. und KG, InfAuslR 205, 40).

Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Der frühere gesetzliche Wortlaut des § 14 Abs. IV S. 3 AsylVfG konnte nach Auffassung des Senates im Lichte des Freiheitsgrundrechts nur im vorgenannten Sinn ausgelegt werden. Erst mit der Novellierung des § 14 Abs. 3 AsylVfG hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass die Abschiebehaft in Fällen, in denen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren ein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat gerichtet wurde, nicht mehr spätestens vier Wochen nach Eingang des Asylantrags beim B. enden soll.