LG Bochum

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Zitieren als:
LG Bochum, Beschluss vom 23.07.2008 - 12 Qs 4/08 - asyl.net: M13809
https://www.asyl.net/rsdb/M13809
Leitsatz:

Eine Pflichtverteidigerbestellung ist notwendig, wenn der Beschuldigte als Ausländer sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hat und der Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist, die durch einen Dolmetscher nicht ohne weiteres ausgeräumt werden können.

 

Schlagwörter: Strafrecht, Verteidigung, Pflichtverteidiger, Sprachkenntnisse, mittelbare Falschbeurkundung
Normen: StPO § 140 Abs. 2
Auszüge:

Eine Pflichtverteidigerbestellung ist notwendig, wenn der Beschuldigte als Ausländer sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hat und der Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist, die durch einen Dolmetscher nicht ohne weiteres ausgeräumt werden können.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 140 Abs. 2 StPO bestellt der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen unter anderem dann einen Verteidiger, wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Die Verteidigungsfähigkeit eines Beschuldigten richtet sich nach sämtlichen Umständen des Einzelfalles.

Eine Pflichtverteidigerbestellung ist schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen (OLG Hamm, NJW 2003, 3286; OLG Frankfurt, StV 1984, 370). Falls ein Beschuldigter als Ausländer sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hat, wird ihm regelmäßig dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen sein, wenn der Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist, die durch einen Dolmetscher nicht ohne weiteres ausgeräumt werden können (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 140 RN 30a).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Beschuldigten gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Wie sich in der Hauptverhandlung vom 16.06.2008 gezeigt hat, ist der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. Zudem weist die Sache in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten von einem solchen Gewicht auf, dass zumindest erhebliche Zweifel bestehen, ob der Beschuldigte unter Berücksichtigung seiner sprachlichen Verständigungsprobleme in der Lage ist, sich in wirksamer Weise selbst zu verteidigen. Insoweit ist in prozessualer Hinsicht zu berücksichtigen, dass aus der Anklageschrift nicht eindeutig hervorgeht, auf welchen tatsächlichen Vorgang der Vorwurf der mittelbaren Falschbeurkundung gestützt wird. Zudem ist der Verteidigung dahin recht zu geben, dass eine rechtliche Beratung des Beschuldigten im Hinblick auf seine Einlassung zur Person einerseits und seine Einlassung zur Sache andererseits geboten erscheint, da die Angaben zur Person im vorliegenden Fall auch die Vorwürfe in der Sache berühren. Schließlich ist die Sache auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch, da die Reichweite der Beweiskraft öffentlicher Urkunden in Frage steht. Angesichts dieser Gesamtumstände bedarf der Beschuldigte zu einer wirksamen Verteidigung der Mitwirkung eines Verteidigers.