VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 06.05.2008 - 35 A 117.08 - asyl.net: M13827
https://www.asyl.net/rsdb/M13827
Leitsatz:

Eine Duldung mit der auflösenden Bedingung "erlischt bei Besitz eines zur Ausreise in den Herkunftsstaat berechtigenden Dokuments" erlischt nicht, wenn das Dokument im Besitz der Ausländerbehörde und nicht des Ausländers ist.

 

Schlagwörter: D (A), Duldung, Erlöschen, Bedingung, auflösende Bedingung, Laissez-Passer, Besitz, Ausländerbehörde, Pass, freiwillige Ausreise, Rechtsweggarantie, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; BGB § 854 Abs. 1; AufenthG § 62 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4; VwGO § 123 Abs. 1
Auszüge:

Eine Duldung mit der auflösenden Bedingung "erlischt bei Besitz eines zur Ausreise in den Herkunftsstaat berechtigenden Dokuments" erlischt nicht, wenn das Dokument im Besitz der Ausländerbehörde und nicht des Ausländers ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag des Antragstellers nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Untersagung seiner Abschiebung, für den der Einzelrichter zuständig ist (vgl. den Beschluss vom 15. April 2008) hat Erfolg. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung verfügt er noch über eine am 13. Dezember 2007 mit Gültigkeit bis zum 12. Mai 2008 ausgestellte Duldung, die bislang nicht widerrufen worden ist, so dass bei einer Abwägung der für und gegen die sofortige Vollziehung der Ausreisepflicht bestehenden Gesichtspunkte dem Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers vorläufig zu untersagen war. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die Duldung auch nicht erloschen. Vielmehr ist die auflösende Bedingung "erlischt bei Besitz eines zur Ausreise in den Herkunftsstaat berechtigenden Dokuments" bislang nicht eingetreten. Denn das am 18. März 2008 mit dreimonatiger Gültigkeit ausgestellte "Laissez-Passer" ist von der libanesischen Botschaft direkt dem Antragsgegner übermittelt worden, hat sich also nie im Besitz des Antragstellers im Sinne einer tatsächlichen Verfügungsmacht (§ 854 Abs. 1 BGB) befunden. Es ist auch nicht zulässig, den Begriff "Besitz" entgegen seiner eindeutig üblichen Verwendung im Rechtsverkehr untechnisch dahingehend auszulegen, dass jemand einen Pass bereits dann "besitze", wenn ein solcher überhaupt jemals ausgestellt worden sei. Vielmehr hätte der Antragsgegner, wenn er den Eintritt der Bedingung an die Ausstellung des Dokumentes durch die Botschaft hätte knüpfen wollen, dies auch so formulieren können. Andererseits hätte der Antragsteller auch dann zumindest über den Eintritt der Bedingung unterrichtet werden müssen, um die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise (§ 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG) bzw. des Zugangs zum Gericht (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) zu erhalten. Auch hätte dem Antragsteller nach fast dreizehnjährigem Aufenthalt in Deutschland zumindest die Gelegenheit gegeben werden müssen, seine Angelegenheiten zu ordnen und sich auf eine Rückkehr in den Libanon vorzubereiten; denn er konnte nicht wissen, ob überhaupt und ggf. wann die libanesische Botschaft ein Laissez-Passer ausstellen würde, und sich damit auch nicht vorsorglich gewissermaßen ständig auf gepackte Koffer setzen.