OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 19.05.2008 - 3 Bf 345/06.Z - asyl.net: M13839
https://www.asyl.net/rsdb/M13839
Leitsatz:

Eine die Einbürgerung ausschließende Unterstützung von Bestrebungen der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bezeichneten Art kann auch in der journalistischen Betätigung für eine derartige Bestrebung liegen (hier: Begleitung der gegen das Verbot der PKK gerichteten Kampagne "Dialog statt Verbot" und Berichterstattung über sie für die PKK-nahe Zeitung "Özgür Politika" im Jahr 1997).

 

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Unterstützung, PKK, Journalisten, Özgür Politika, Pressefreiheit, Volkshaus der Türkei, Kampagne "Dialog statt Verbot", Verhältnismäßigkeit, Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; StAG § 11 S. 1 Nr. 1; GG Art. 5 Abs. 1
Auszüge:

Eine die Einbürgerung ausschließende Unterstützung von Bestrebungen der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bezeichneten Art kann auch in der journalistischen Betätigung für eine derartige Bestrebung liegen (hier: Begleitung der gegen das Verbot der PKK gerichteten Kampagne "Dialog statt Verbot" und Berichterstattung über sie für die PKK-nahe Zeitung "Özgür Politika" im Jahr 1997).

(Amtlicher Leitsatz)

 

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann begründet, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, NVwZ 2000, 1163, 1164). Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die (vollständige) Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, NVwZ-RR 2004, 542; OVG Hamburg, Beschl. v. 21.12.2007, 3 Bf 101/07.Z, juris).

Der Vortrag des Klägers vermag derartige Zweifel nicht zu begründen.

3. Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Tätigkeit des Klägers als Vorstand in dem Verein „Volkshaus der Türkei“ in Hamburg vom... bis zum ... sowie seine weitere Mitgliedschaft in dem Verein bis zum ... sei wegen des maßgeblichen Einflusses der PKK auf den Verein als Anhaltspunkt für eine Unterstützung der PKK anzusehen, wird durch den Zulassungsantrag - in dem der Kläger unverändert davon abgesehen hat, Inhalte und Ausrichtung seiner Vereinstätigkeit darzulegen - nicht erschüttert.

4. Der Kläger rügt ohne Erfolg, das Verwaltungsgericht habe seine Anwesenheit bei der 1997 bundesweit betriebenen Kampagne „Dialog statt Verbot“ deshalb nicht als Anknüpfungstatsache für eine Unterstützung der PKK werten dürfen, weil er an der Kampagne nicht zu deren Unterstützung teilgenommen habe, sondern in diesem Zusammenhang als Journalist tätig gewesen sei.

c) Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht verkannt, dass der Kläger nach seinem Vortrag die Kampagne nicht in der Rolle eines Teilnehmers, sondern als Journalist begleitet und hierüber Berichte verfasst hatte. Sein Auftreten als Berichterstatter wird durch die Wertung des Verwaltungsgerichts, es sei eine "spitzfindige Differenzierung", wenn der Kläger geltend mache, er sei nicht Teilnehmer gewesen, sondern habe lediglich als Journalist berichtet, in tatsächlicher Hinsicht nicht in Frage gestellt. Der Sache nach zutreffend weist das Urteil damit in zugespitzter Formulierung die Ansicht des Klägers zurück, eine Tätigkeit als Journalist könne - bzw. dürfe zur Wahrung der Pressefreiheit - schon allgemein nicht (auch) als Unterstützung derjenigen Handlungen oder Bestrebungen bewertet werden, die Gegenstand der journalistischen Begleitung, Beobachtung und Berichterstattung sind. Selbstverständlich kann, wie das bekannte Spektrum von kritischer über neutral-objektive bis zu wirtschaftlich-werbender bzw. politisch-propagandistischer Berichterstattung in den verschiedenen Medien belegt, die Tätigkeit eines Journalisten in Bezug auf das Objekt der Darstellung in unterschiedlichster Weise wirken und eingesetzt sein. Bereits das "Ob" der Berichterstattung bzw. ihr Umfang ist dabei von erheblicher Bedeutung; Anliegen, über die nicht berichtet wird, haben wenig Aussicht darauf, in der Öffentlichkeit und Politik Unterstützung zu finden. Das Grundrecht der Pressefreiheit gebietet nicht, die journalistische Betätigung als solche insgesamt aus dem für die Einbürgerung maßgeblichen Tatsachenmaterial auszuscheiden, sondern ist erst von Belang für die Frage, ob besondere Anforderungen - insbesondere an die Erheblichkeit der Unterstützungshandlung - zu stellen sind (vgl. zur Meinungsfreiheit BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, BVerwGE 123, 114).

d) Soweit der Kläger mit dem Zulassungsantrag geltend macht, den in der Zeitung "Y" abgedruckten Berichten sei keine ausdrückliche Werbung für die PKK zu entnehmen, vielmehr beschränkten sie sich auf Beschreibungen der einzelnen Orte und der Gespräche der Tourteilnehmer mit Vertretern von SPD, DGB, GEW, Grüne etc., zeigt er ebenfalls keinen Mangel des angegriffenen Urteils auf. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger zwar eine kritische Distanz zu der Kampagne abgesprochen, insoweit aber auf keinen bestimmten, von den vorgenannten Angaben abweichenden Inhalt der Berichte abgestellt. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts knüpft daran an, dass der Kläger dadurch als Teil der Kampagne gewirkt habe, dass er dazu beigetragen habe, der Kampagne die für ihren Erfolg erhebliche Publizität zu vermitteln (Urteilsabdruck, S. 9).

e) Der Vortrag des Klägers, Gegenstand seiner Berichterstattung sei eine Kampagne gewesen, die sich mit der Frage befasst habe, ob bei bestimmten politischen Fragen nicht eine Auseinandersetzung mit den Inhalten anstelle eines Verbotes sinnvoll wäre, trifft den maßgeblichen Sachverhalt nicht. "Dialog statt Verbot" diente nicht einer ergebnisoffenen, auf die Möglichkeit der Klärung bestimmter politischer Fragen im Diskussionswege bezogenen Erörterung des Für und Wider eines vereinsrechtlichen Betätigungsverbotes. Das Verwaltungsgericht hat hierzu – ohne dass der Kläger dem über den allgemeinen Vorwurf, es hätte hierzu den Sachverhalt genauer aufklären müssen, hinaus substantiiert entgegengetreten ist – vielmehr festgestellt, dass es sich bei der Bustour um eine "straff organisierte Veranstaltung" gehandelt habe, die den Zweck verfolgt habe, "politische Stimmung gegen das Verbot der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen und damit gleichzeitig für die Sache der PKK zu machen." Dem Kläger kann auch nicht in der Darstellung gefolgt werden, in der Kampagne und in seiner Berichterstattung darüber sei es um das Für und Wider des Verbots einer "politischen Organisation" - ähnlich der Diskussion um ein Verbotsverfahren gegen die NPD - gegangen. Die PKK stellte sich vielmehr seinerzeit - im Verhältnis zu dem Verbotszeitpunkt 1993 im Wesentlichen unverändert - dar als straff geführte Kaderorganisation mit einem alle Kurden umfassenden, staatliche Hoheit insbesondere auch der Bundesrepublik Deutschland negierenden Herrschafts- und Vertretungsanspruch, zu dessen Durchsetzung alle Mittel, auch solche der terroristischen Gewalt, angewendet bzw. zumindest vorbehalten wurden. Hierzu kann Bezug genommen werden auf die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 30. März 1999 (BVerwGE 109, 12, 20 ff.): ...

Der erkennende Senat hat dementsprechend mit seinem Urteil vom 6. Dezember 2005 (3 Bf 172/04, juris) zur anhaltenden Erheblichkeit des vereinsrechtlichen Betätigungsverbotes und zu der Ausrichtung der PKK im Jahre 2001 u.a. Folgendes festgestellt: ...

f) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe bezogen auf den Kläger verkannt, dass die grundrechtliche Pressefreiheit es verbiete, seine journalistische Begleitung der Kampagne „Dialog statt Verbot“ gegen ihn zu verwenden, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Bewertung des Auftretens des Klägers als Journalist als Anhaltspunkt im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG den Schutzbereich der Pressefreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berührt, auch wenn es sich dabei um keinen gezielten staatlichen Eingriff in ein bestimmtes Verhalten der Presse handelt (vgl. zur Erheblichkeit auch nicht-finaler Maßnahmen BVerfG, Beschl. v. 24.5.2005, BVerfGE 113, 63). Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass sich die Berücksichtigung dieses Verhaltens bei der Entscheidung über die Einbürgerung des Klägers als zulässiger Ausdruck der grundrechtlichen Schranken darstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.3.2005, a.a.O.) und des erkennenden Senats (Urt. v. 6.12.2005, a.a.O.) ist § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG und damit geeignet als Schranke der Kommunikationsgrundrechte nach Art. 5 Abs. 1 GG. Die Vorschrift ist allerdings zur Vermeidung unverhältnismäßiger Eingriffe in die Kommunikationsgrundrechte hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "unterstützt" dahin auszulegen, dass solche Verhaltensweisen außer Betracht zu bleiben haben, die zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nur ganz unwesentlich oder geringfügig beitragen; zudem muss es für eine Zurechnung dem Betreffenden erkennbar sein, dass sein Handeln für die Vereinigung als solche insgesamt – in Abgrenzung zu einem eingeschränkten, von den Interessen der Vereinigung durch den Betroffenen gesondert verfolgten, ordnungsrechtlich unbedenklichen Anliegen – unterstützend wirkt (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 22.2.2007, BVerwGE 128, 140). Diese Voraussetzungen waren indes nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfüllt, da der Kläger, wie bereits dargelegt, mit seiner Anwesenheit und Berichterstattung einen nicht unerheblichen Beitrag zu der Wirksamkeit der auf die Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten der PKK in Deutschland insgesamt zielenden Kampagne geleistet hatte. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Wirkung nicht seiner Absicht entsprochen hätte; sein Vortrag, ihm sei es lediglich darum gegangen, die Diskussion um die Betätigungsmöglichkeiten einer politischen Vereinigung zu befördern, ist, da für ihn erkennbar die PKK, wie dargelegt, eine solche Vereinigung nicht war, nicht glaubhaft.

Die journalistische Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Kampagne "Dialog statt Verbot" als einen tatsächlichen Anhaltspunkt zu werten, der die Annahme einer Unterstützung der PKK rechtfertigt, begegnet auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um die Entscheidung geht, ob allein aus einem Auftreten als Journalist im Zusammenhang mit der Kampagne "Dialog statt Verbot" auf das Vorliegen eines Hinderungsgrundes im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG geschlossen werden darf. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht hierzu, wie bereits angeführt, zutreffend den Umstand in die Betrachtung einbezogen, dass der Kläger nicht als unabhängiger Journalist agiert, sondern (allein) in der PKK-nahen Zeitung "Y " publiziert hatte. Zudem ist, wie dargelegt, mit der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft in dem Verein "Volkshaus der Türkei" ein weiterer Anhaltspunkt für eine Unterstützung der PKK gegeben.