Auszüge:
Die nunmehr nur noch gegen die Versagung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtete Revision ist begründet.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob den Klägern der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I 2007, 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltende Rechtslage.
1. Die während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich in Asylverfahren von Gesetzes wegen der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und im Ausgangsverfahren hinsichtlich der von den Klägern im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden. Hierauf haben die Kläger im Revisionsverfahren auf Hinweis des Senats zulässigerweise reagiert und in Anpassung an die neue Rechtslage ihre Anträge dahin präzisiert, dass sie in erster Linie die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EG Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EG vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24 - sog. Qualifikationsrichtlinie) und für den Fall. dass ihre Klage insoweit keinen Erfolg hat, hilfsweise die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak begehren. Diese Abstufung berücksichtigt die mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes eingetretene Änderung des Streitgegenstands bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und entspricht nunmehr der typischen Interessenlage eines - wie im Ausgangsverfahren - nach rechtskräftigem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung in Bezug auf sein Heimatland ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz begehrenden Klägers.
Nach der alten, vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ist das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es sich in Asylverfahren bei der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG einerseits und der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG andererseits um eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls abtrennbare Streitgegenstandsteile handelt und diese nach dem erkennbaren Regelungszweck des Asylverfahrens- und des Ausländergesetzes in einem bestimmten Rangverhältnis in dem Sinne stehen, dass Schutz vor geltend gemachten Gefahren im Heimatstaat oder einem sonstigen Zielstaat einer Abschiebung vorrangig auf der jeweils den umfassenderen Schutz vermittelnden Stufe zu gewähren ist. Folgerichtig war in Asylverfahren vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes das Begehren auf Gewährung ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes - wenn es nicht ausnahmsweise deutlich erkennbar eingeschränkt sein sollte - sachdienlich dahin auszulegen (§ 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass - jeweils zielstaatsbezogen - primär Schutz vor drohender Abschiebung nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG und hilfsweise zumindest Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG beantragt wird (vgl. Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260 262 f.>).
Ob sich hieran durch die ab 1. Januar 2005 geltenden Neuregelungen im Zuwanderungsgesetz etwas geändert hat, kann vorliegend offen bleiben. Die für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgeblichen Erwägungen führen jedenfalls nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes zu einer Neubewertung. Mit diesem Gesetz hat der nationale Gesetzgeber die seit dem Zuwanderungsgesetz in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG normierten ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote geändert und in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG zum subsidiären Schutz aufgenommen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 60 AufenthG, BTDrucks 16/5065 S. 186). Er hat dabei die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 der Richtlinie als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet, über deren Vorliegen bei Asylbewerbern allein das Bundesamt zu entscheiden hat. Die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzstatus nach Art. 17 der Richtlinie hat er dagegen als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG geregelt, über die die Ausländerbehörde - allerdings unter Beteiligung des Bundesamts - zu entscheiden hat. Dies hat zur Folge, dass in Bezug auf das Herkunftsland die dem subsidiären Schutzkonzept der Qualifikationsrichtlinie zuzuordnenden Abschiebungsverbote gegenüber den sonstigen (nationalen) ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten einen selbständigen Streitgegenstand bilden und ihre Feststellung nach der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden vorrangig vor der Feststellung eines sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots begehrt wird. Denn die Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt mit der zugleich verbindlich die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie festgestellt werden, vermittelt dem Schutzsuchenden regelmäßig weitergehende Rechte als die Feststellung eines sonstigen (nationalen) ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots. So hat beispielsweise nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie ein subsidiär Schutzberechtigter einen Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels, soweit dem nicht zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen. Dagegen hat nach nationalem Recht die Feststellung eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots durch das Bundesamt nur zur Folge, dass dem Betroffenen von der Ausländerbehörde bei Nichtvorliegen einer der in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten Versagungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), der Ausländerbehörde also selbst bei Verneinung eines Versagungsgrundes ein - allerdings auf atypische Fallgestaltungen beschränktes - (Rest-)Ermessen verbleibt. § 25 Abs. 3 AufenthG ist bei einem nach der Richtlinie 2004/83/EG subsidiär Schutzberechtigten zwar richtlinienkonform dahin auszulegen, dass eine Aufenthaltserlaubnis nur abgelehnt werden darf, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Erteilung entgegenstehen. Dies setzt aufgrund der gesetzlichen Aufgabenteilung zwischen dem Bundesamt und der Ausländerbehörde aber voraus, dass für die Ausländerbehörde erkennbar sein muss, ob ein vom Bundesamt festgestelltes ausländerrechtliches Abschiebungsverbot auf den Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie oder nur auf nationalem Recht beruht. Es würde dem Regelungszweck des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie zuwiderlaufen, wenn im Rahmen der vom Bundesamt nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland zu treffenden Feststellungen die in Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie normierten Abschiebungsverbote zusammen mit den rein nationalen Abschiebungsverboten als einheitlicher, nicht weiter teilbarer Streitgegenstand behandelt würden, da das Bundesamt dann das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG offen lassen und sich auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots beschränken könnte. Die Annahme getrennter Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile entspricht zudem tendenziell eher der in Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG vorgesehenen Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
Die danach vom Schutzsuchenden typischerweise vorrangig begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz nach Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG erstreckt sich auf die in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG normierten Abschiebungsverbote. Diese knüpfen an Umstände an, die nach Art. 15 der Richtlinie als ernsthafter Schaden gelten, und sind damit inhaltlich dem Regelungsbereich des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie zuzuordnen. Im Einklang damit hat der deutsche Gesetzgeber auch nur für diese Abschiebungsverbote in § 60 Abs. 11 AufenthG die unmittelbare Geltung einzelner Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie angeordnet. Der subsidiäre Schutz nach der Richtlinie bezieht sich zudem nur auf Gefahren, die dem Schutzsuchenden in seinem Herkunftsland drohen (Art. 2 Buchst. e der Richtlinie). Als Herkunftsland bezeichnet die Richtlinie das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - des früheren gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 2 Buchst. k der Richtlinie).
Droht dem Schutzsuchenden eine Abschiebung in einen anderen Zielstaat und beruft er sich in Bezug auf diesen (Dritt-)Staat auf Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht berührt, sondern geht es ausschließlich um die Gewährung nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes.
Jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes ist beim nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz zugleich die frühere Differenzierung zwischen zwingenden Abschiebungshindernissen (früher § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG) und fakultativen Abschiebungshindernissen (früher § 53 Abs. 6 AuslG) entfallen. Denn das Bundesamt ist bei Asylbewerbern nunmehr auch für die ausländerrechtliche Ermessensentscheidung zuständig, ob nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Vorschrift von der Abschiebung abgesehen werden soll (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 261> Rn. 23). Eine vom Bundesamt in Ausübung dieses (Rest-)Ermessens ausgesprochene positive Entscheidung führt daher inzwischen zu denselben Rechtsfolgen wie die Feststellung eines sonstigen nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots (vgl. § 25 Abs. 3, § 59 Abs. 3 AufenthG). Damit handelt es sich bei den nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten - bezogen auf den jeweiligen Abschiebezielstaat - um einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Streitgegenstand.
2. Entsprechend dem abgestuften Klageantrag der Kläger ist zunächst über den Hauptantrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf den Irak nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu entscheiden. Hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof verneinten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG hat die Revision keine Einwände erhoben, so dass nur der auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gestützte Anspruch zu prüfen bleibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrere Voraussetzungen für die Gewährung dieses europarechtlich vorgegebenen Abschiebungsschutzes rechtsfehlerhaft ausgelegt. Seine Entscheidung beruht auf der Rechtsverletzung.
Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dient der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 60 AufenthG, BTDrucks 16/5065 S. 187 zu Buchst. d). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Bestimmung entspricht trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierung den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (zu dem in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht ausdrücklich erwähnten Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" vgl. unten 3b).
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der Voraussetzungen des jetzt in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geregelten Abschiebungsverbots in erster Linie mit der Begründung verneint, dass im Irak kein landesweiter bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift bestehe (UA S. 19). Damit hat er zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Konflikts gestellt.
aa) § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt - wie die umgesetzte Vorschrift des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie - einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis für die betroffenen Zivilpersonen anerkannt. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (Sartorius II Nr. 53 ff) heranzuziehen. Die Interpretation der in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie gewählten Begriffe in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht entspricht dem Kontext der Richtlinie, wie er in den Erwägungsgründen 11 und 25 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, die auf die Bindung der Mitgliedstaaten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hinweisen. Auch in der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird ausgeführt, dass der Begriff des "bewaffneten Konflikts" als völkerrechtlicher Begriff zu verstehen ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O.).
Gegenstand der vier Genfer Konventionen von 1949 - GK 1949 - ist die Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (1. Konvention - BGBl 1954 II S. 783), sowie der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See (2. Konvention - BGBl 1954 II S. 813), die Behandlung von Kriegsgefangenen (3. Konvention - BGBl 1954 II S. 838) und der Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (4. Konvention - BGBl 1954 II S. 917, ber. 1956 II S. 1586). Nahezu alle Staaten der Welt haben die Abkommen unterzeichnet, die deshalb auch als Völkergewohnheitsrecht angesehen werden können (vgl. Greenwood, in: Fleck, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994, S. 20 f. Rn. 125). In Art. 3 der Abkommen wird in übereinstimmendem Wortlaut der innerstaatliche bewaffnete Konflikt beschrieben; zugleich werden Regelungen zur humanen Behandlung von Personen getroffen, die nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, wie auch zur Pflege von Kranken und Verwundeten unter Einschluss des Einsatzes von Mitarbeitern des Internationalen Roten Kreuzes. Art. 3 GK 1949 definiert den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt nur allgemein als "bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist und der auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht".
Eine Präzisierung erfährt der Begriff durch das am 8. Juni 1977 abgeschlossene Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll II - ZP II). Das Zusatzprotokoll I (ZP I) vom gleichen Tag bezieht sich auf die internationalen bewaffneten Konflikte (BGBl 1990 II S. 1551), das Zusatzprotokoll II auf die nicht internationalen bewaffneten Konflikte (BGBl 1990 II S. 1637). Das Zusatzprotokoll II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts und grenzt ihn in Nr. 2 von Fällen "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter den Begriff fallen (zur Entstehungsgeschichte der Vereinbarungen vgl. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, S. 1210 - 1220). Die Vorschrift lautet:
"Art. 1 Sachlicher Anwendungsbereich
1. Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.
2. Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. "
Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nach Auffassung des Senats nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O.). Ob die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreichen müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts findet ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie widerspricht (vgl. hierzu Urteil des für Berufungen in Asylsachen zuständigen britischen Asylum and Immigration Tribunal - AIT - vom 1. Februar 2008, KH
Iraq CG [2008] UKAIT 00023, Rn. 54 <nicht rechtskräftig>). Das bedeutet jedoch nicht, dass auch ein sog. "low intensity war" die Qualität eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, zumal der Begriff wenig präzise erscheint (a.A. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung - Qualifikationsrichtlinie, Stand: November 2006, § 40 Rn. 7 - 18 und ihm folgend das OVG Schleswig, Urteil vom 21. November 2007 - 2 LB 38/07 - juris; für den Ausschluss von "low level violence" aus Art. 3 GK 1949 plädiert Bothe, in: Graf Vitzhum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 722 Rn. 123 m.w.N.).
Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe (vgl. etwa Entscheidung der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien vom 2. Oktober 1995, ICTY-Appeals Chamber Prosecuter v. Tadic., Nr. IT-94-1, www.un.org/icty/tadic/appeal/decision-e/51002.htm, Rn. 70; jüngst Urteil vom 3. April 2008, ICTY-Trials Chamber Prosecutor v. Haradinaj et al., Nr. IT-04-84-T, www.un.org/icty/haradinaj/trialc/judgement/tcj080403e.pdf, Rn. 49).
Kriminelle Gewalt dürfte bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (vgl. auch das britische AIT in seinem Urteil vom 1. Februar 2008, KH