LSG Baden-Württemberg

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Zitieren als:
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2008 - L 7 AY 2732/08 ER-B - asyl.net: M13894
https://www.asyl.net/rsdb/M13894
Leitsatz:

Auch eine längere Strafhaft kann eine nachhaltige Unterbrechung des 48-Monatszeitraums des § 2 Abs. 1 AsylbLG bewirken im Hinblick auf die der Vorschrift auch innewohnende Integrationskomponente mit der Folge, dass eine neue Vorbezugszeit erst mit Wiedereinsetzen des Leistungsbezugs zu laufen beginnt.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, 48-Monats-Frist, Unterbrechung, Straftat, Freiheitsstrafe, Strafhaft, Integration
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Auch eine längere Strafhaft kann eine nachhaltige Unterbrechung des 48-Monatszeitraums des § 2 Abs. 1 AsylbLG bewirken im Hinblick auf die der Vorschrift auch innewohnende Integrationskomponente mit der Folge, dass eine neue Vorbezugszeit erst mit Wiedereinsetzen des Leistungsbezugs zu laufen beginnt.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Vorliegend kommt für das Begehren auf höhere Leistungen nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG in Betracht. Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht Mannheim (SG) den Antrag des Antragstellers auf Gewährung der - nach bestandskräftiger Ablehnung der Leistungen für die Wohnung in der B.str. in Mannheim durch Bescheid vom 15. August 2006 - im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens allein streitigen sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu Recht abgelehnt.

Denn die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG scheitert bei summarischer Prüfung bereits daran, dass die erforderliche Vorbezugsdauer von 48 Monaten nicht gegeben ist. Es spricht bei summarischer Prüfung einiges dafür, dass aufgrund der - mit Blick auf die Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Antragsteller erfolgten - Einstellung der Leistungsgewährung durch Bescheid vom 19. Mai 2005 (bestandskräftig) mit Wirkung zum selben Tag eine im Rahmen des § 2 AsylbLG zu berücksichtigende Unterbrechung des Leistungsbezugs eingetreten ist mit der Folge, dass die Wartezeit frühestens mit der Weiterbewilligung staatlicher Leistungen (ab dem 5. September 2006) von Neuem zu laufen begonnen konnte. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ("insgesamt 48 Monate") ist zwar grundsätzlich eine Gesamtdauer des Leistungsbezugs maßgebend; hieraus ist nicht ohne Weiteres zu ersehen, dass Unterbrechungen schädlich sind. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist jedoch eine Relativierung der Fristberechnung geboten, zumal der Wortlaut nicht so eindeutig ist, dass er einer entsprechenden Auslegung entgegen steht. Nachhaltige und tiefgreifende Unterbrechungen des Zeitraums führten bereits nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (Oberverwaltungsgericht <OVG> Niedersachsen, Beschluss vom 27. März 2001 - 12 MA 1012/01 - FEVS 52, 367) dazu, dass nach einer solchen Unterbrechung die Fristberechnung erneut zu beginnen hat. Denn insoweit kommt die Integrationskomponente, auf die auch die Begründung zum Entwurf der Vorschrift abhebt (BT-Drucks. 13/5008, S. 15; zur Neufassung s. BT-Drucks. 16/5065 S. 232; vgl. dazu auch Hohm in GK-AsylbLG, § 2 Rdnr. 33; ders. in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 17. Auflage, SGB XII, § 2 AsylbLG Rdnr. 8), nicht mehr zum Tragen. Diese soll es nach Ablauf der Vorbezugsdauer von Leistungen in niedriger Höhe dem Leistungsberechtigten ermöglichen, sich durch öffentliche Mittel in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Bei nachhaltiger Unterbrechung steht der Leistungsberechtigte jedoch ebenso da wie einer, der die Leistungen noch nicht für diese Zeitdauer bezogen hat. Eine solche nachhaltige Unterbrechung haben das OVG Niedersachsen und ihm folgend die Verwaltungsgerichte Ansbach (Beschluss vom 11. November 2003 – AN 13 E 03.01779 - <juris>) und Hannover (Beschluss vom 15. Juni 2004 – 7 B 2809/04 - SAR 2004, 118) bei einem Unterbrechungszeitraum von mindestens sechs Monaten angenommen, etwa weil sich der Ausländer längere Zeit in seinem Heimatland aufgehalten und deshalb die Vorbereitung der Integration in die deutsche Gesellschaft abgebrochen hat oder wenn ein Ausländer längere Zeit "untergetaucht" ist und er so die Wartezeit, nach deren Ablauf ihm erst wegen des Integrationsbedarfs höhere Leistungen bewilligt werden dürfen, nicht erfüllt (vgl. aber Urteil des Senats vom 22. November 2007 - L 7 AY 5480/06 -, SAR 2008, 21, wonach auch ein kurzfristiger Aufenthalt in einem Drittstaat in Verbindung mit der dortigen Stellung eines Asylantrages eine nachhaltige Unterbrechung bewirken kann).

Den vorgenannten Konstellationen vergleichbar erscheint mit Blick auf die beschriebene Integrationskomponente der Vorbezugsdauer diejenige, in welcher ein Leistungsberechtigter sich zwar seit Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält - allerdings ohne eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung erreicht zu haben - und über einen längeren Zeitraum Leistungen nach dem AsylbLG bezogen hat, er aber durch die Begehung erheblicher Straftaten das (bisherige) Scheitern seiner Integration dokumentiert hat.