LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.07.2008 - L 19 AS 13/08 - asyl.net: M13910
https://www.asyl.net/rsdb/M13910
Leitsatz:

Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind auch dann von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, wenn sie in Bedarfsgemeinschaft mit einem Familienangehörigen leben, der Leistungen nach dem SGB II bezieht.

 

Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, Asylbewerberleistungsgesetz, Familienangehörige, Bedarfsgemeinschaft
Normen: SGB II § 7 Abs. 1 S. 2; AsylbLG § 1 Abs. 1; SGB II § 2 Abs. 2 S. 1; SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 3a
Auszüge:

Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind auch dann von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, wenn sie in Bedarfsgemeinschaft mit einem Familienangehörigen leben, der Leistungen nach dem SGB II bezieht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Ein Anspruch der Klägerin zu 1) auf Regelleistung nach §§ 20, 19 S. 1 Nr. 1 SGB II ist nicht gegeben.

Denn nach § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II ist ein Anspruch der Klägerin zu 1) ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 SGB II erhalten Ausländer Leistungen nach dem SGB II, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SGB II vorliegen. Dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG (§ 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II). Im streitbefangenen Zeitraum ist die Klägerin zu 1) eine Leistungsberechtigte i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG gewesen.

Aus § 7 Abs. 7 S. 1 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 1 SGB II läßt sich ebenfalls keine Leistungsberechtigung herleiten. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB II sieht vor, dass Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen nach dem SGB II erhalten und begründet damit für erwerbsunfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einen Leistungsanspruch (siehe Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 7 Rdz. 26). Erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft haben in der Regel einen Leistungsanspruch aus § 7 Abs. 1 SGB II. Die Klägerin bildet als nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte mit dem Leistungsbezieher, der als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II im streitbefangenen Zeitraum Leistungen von der Beklagten bezogen hat, nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Dahinstehen kann, ob die Klägerin zu 1) nicht erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II im streitbefangenen Zeitraum gewesen ist. Denn der in § 7 Abs. 1 S. 2. Hs. 2 SGB II vorgesehene Ausschluss der Leitungsberechtigung beschränkt sich - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht nur auf die Leistungsberechtigten i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II, sondern erfasst auch die Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 2 SGB II, also auch nicht erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft (siehe Peters in Estelmann, SGB II, Stand Oktober 2006, § 7 Rdz. 21; Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 28 Rdz. 16; Brühl/Schoch, LPK-SGB II, 2 Aufl., § 7 Rdz. 22 ). Nach der Konzeption des SGB II beziehen sich die in § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 SGB II geregelten Leistungsausschlüsse sowohl auf Leistungsberechtigte nach Abs. 1 wie nach Abs. 2. Eine Beschränkung des Leistungsausschlusses auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch aus dem gesetzgeberischen Willen entnehmen. Aus dem in § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II verwandten Begriff "Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG" kann nicht geschlossen werde, dass sich der Leistungsausschluss nur auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG bezieht und dessen Familienangehörigen nicht mitumfasst. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG sind nicht nur Ausländer, die die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 AsylbLG erfüllen, sondern auch deren Familienangehörige - Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder -, die die Voraussetzungen der Nrn. 1- 5 nicht erfüllen, nach dem AsylbLG leistungsberechtigt. Damit umfasst der Begriff des "Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG" auch die Familienangehörigen eines Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 AsylbLG und ist die Erwähnung von Familienangehörigen zur Bestimmung der Reichweite des Leistungsausschlusses nicht erforderlich, wobei vorliegend zu beachten ist, dass es sich bei der Klägerin zu 1) nicht um eine Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG, sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG handelt. Auch aus der Tatsache, dass in der Vorschrift des § 9 Abs. 1 AsylbLG der in § 7 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB II statuierte Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für Leistungsberechtigte nach AsylbLG nicht aufgeführt wird, kann nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber den Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, die Familienangehörige eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II sind, zulassen wollte. Denn nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers schließt die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2. Hs. 2 SGB II generell Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG aus dem Anwendungsbereich des SGB II aus (BT- Drucks. 15/4491 S.14). Die Bildung von sog. "gemischten Bedarfsgemeinschaften", d.h. von Bedarfsgemeinschaften, deren Mitglieder von unterschiedlichen Leistungsträger Sozialleistungen, die sich gegenseitig ausschließen, beziehen, wie z. B. der Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch einen Ehegatten und der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII durch den anderen Ehegatte (siehe zum Begriff der gemischten Bedarfsgemeinschaft BSG, Urteil vom 16.10.2007, B 8/9b SO 2/06 R), ist nach der gesetzlichen Konzeption auch vorgesehen.