VG Münster

Merkliste
Zitieren als:
VG Münster, Beschluss vom 17.07.2008 - 8 K 1488/08 - asyl.net: M13914
https://www.asyl.net/rsdb/M13914
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Aufenthaltserlaubnis, Altfallregelung, Bleiberechtsregelung 2006, Aufenthaltsdauer, Auslandsaufenthalt, freiwillige Ausreise, Kinder, ledige Kinder, religiöse Eheschließung
Normen: VwGO § 166,; ZPO § 114; VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 104a Abs. 1; AufenthG § 104a Abs. 2; AufenthG § 23 Abs. 1
Auszüge:

Der Bescheid vom 26. Mai 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis haben (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Die Kläger haben weder nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit dem Runderlass des Innenministeriums NRW vom 11. Dezember 2006 noch nach § 104a Abs. 1 AufenthG einen solchen Anspruch. Dies folgt schon daraus, dass sie sich an dem jeweiligen Stichtag des 17. November 2006 bzw. des 1. Juli 2007 nicht seit mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet aufgehalten haben, denn sie befanden sich nach eigenem Vorbringen zwischen August 2005 und Mai 2006 in Belgien und damit für eine nicht nur unwesentliche Zeit außerhalb des Bundesgebiets (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2008 - 18 E 264/08 -; Kammer, Beschluss vom 7. Juni 2007 - 8 L 307/07 -).

Soweit die Kläger vortragen, die Ausreise sei aus gerechtfertigten Gründen erfolgt, da ihnen in Deutschland eine rechtswidrige Abschiebung gedroht habe, ist darauf zu verweisen, dass die vom Antragsgegner für August 2005 geplante Abschiebung ausweislich des rechtskräftigen Beschlusses der Kammer vom 10. August 2005 - 8 L 565/05 - nicht rechtswidrig gewesen wäre. Darüber hinaus setzte der Antragsgegner die geplante Abschiebung mit Schreiben vom 16. August 2005 aus, ohne dass dies die Kläger zu einer zeitnahen Rückkehr in das Bundesgebiet bewegt hätte.

Weder in § 104a Abs. 1 AufenthG noch nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit dem Runderlass des Innenministeriums NRW vom 11. Dezember 2006 - 15 - 39.08.01-3- kann bei Vorliegen von legitimen Ausreisegründen von dem Erfordernis des ununterbrochenen Aufenthalts abgesehen werden. Ein solches Absehen ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Regelungen, im Bundesgebiet langjährig aufhältigen und hier integrierten Ausländern eine Legalisierung des Aufenthalts zu ermöglichen. Nach Nr. 1.1.1 des Runderlasses sind nur kurzzeitige Ausreisen von insgesamt höchstens drei Monaten unschädlich, was hier nicht der Fall ist. Dass im Rahmen des § 104a Abs. 1 AufenthG eine zu Gunsten der Klägerin großzügigere Auslegung möglich wäre, ergibt sich wie erwähnt weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Es sind auch keine verfassungsrechtlichen Vorschriften oder solche des Gemeinschafts- bzw. des Unionsrechts ersichtlich, nach denen eine Anrechnung der Aufenthaltszeiten in Belgien auch nur als möglich erscheinen könnte. Insbesondere folgt eine solche Anrechnung weder aus der Richtlinie 2003/9/EG noch aus der Verordnung 343/2003/EG oder aus dem Schengener Durchführungsübereinkommen. Vielmehr ergibt sich insbesondere aus Art. 14 ff. der Richtlinie betreffend langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige (2003/109/EG), ABl. EU L Nr. 16 vom 23. Januar 2004, S. 44 ff., dass es nach dem Gemeinschaftsrecht durchaus von Bedeutung ist, in welchem Mitgliedstaat sich ein Drittstaatsangehöriger aufhält und dass er nicht auf Grund eines einfachen Aufenthaltsrechts - über das die Klägerin auch nicht verfügten - sich gemeinschafts- bzw. unionsweit niederlassen kann.

Der 1977 geborenen Klägerin zu 2., die bei ihrer Einreise 1991 minderjährig war, kann keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 AufenthG erteilt werden. Unabhängig von der Frage, ob mit dieser 2007 in Kraft getretenen Vorschrift auch schon seit dem Jahre 1995 volljährigen, nun bereits 30 Jahre alten Ausländern ein Aufenthaltsrecht verschafft werden sollte, kann die Klägerin zu 2. nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht als "ledig" angesehen werden. Sie ist zwar nur religiös und nicht nach staatlichem Recht verheiratet, aber nach ihren tatsächlichen Lebensumständen lebt sie bereits seit 1995 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und hat mehrere Kinder.